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Brief vom 9. November 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


478.


[022]
Fontainebleau den 9. November 1701.
… Der pfaltzgraff von Zweybrücken[1] ist nun zu Strasburg. Dort stelt er sich ahn oder ist es in der that, alß wenn er verliebt von der printzes von Veldentz[2] were, gibt aber vor, er könte sie nicht heürahten, weillen er catholisch undt sie lutherisch ist, also ist es gar eine unglückseelige liebe. Sie sitzen alß gegen einander über, reden alle halbe stundt nur ein wordt, seüffzen aber so unerhört starck, daß mans in der andern cammer hören kan. Der gutte pfaltzgraff, welcher so woll alß andere vom geschlegt sehr mitt winden geplagt ist, wolte den seüffzer gar tieff hollen, der windt aber, ahnstatt über sich zu gehen, ging unter sich undt formirte einen von den abscheüligsten fürtzen, so man in langer zeit gehört hatte. Der printz erschrack, fuhr auff vom stuhl undt sagte zu der printzes: Ich bitte E. L. umb verzeyung, dießer ist mir unversehens entfahren. Die printzes aber sagte, sie wolte keinen fürtzenden liebhaber haben, er solte sich weg packen undt nicht wider kommen. Der gutte printz in großen ängsten ließ die fraw von Ratsamshaussen[3] bitten, seinen frieden zu machen. Die fraw von Rathsamshaussen fuhr zu der printzes von Veldentz, machte einen eloquenten discours von den menschlichen schwachheiten undt wie einer mitt des andern schwachheitten alß gutte christen gedult müsten haben. Man übergab ihr die articles vom frieden auffzusetzen, welche waren, daß die printzes dem printzen seinen furtz vergeben solte undt I. L. wie vorhin wider sehen, mitt dem beding, daß der printz hinfüro sachter seüffzen solle, damitt solch unglück ihm nicht mehr geschehen mögte; der printzes aber solle es erlaubt sein, sich nicht zu zwingen undt im fall ihr etliche winde unter sich kämen, sie getrost, mitt welchem ton es auch sein möge, herauß zu laßen. Nach [023] dießem schönen friedenschluß haben sich die verliebten wider gesehen. Die Rotzenheusserin schwört, es seye keine inventirte historie, sondern die pure warheit. Ich wünsche, daß es E. L. einen augenblick möge lachen machen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. November 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 22–23
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0478.html
Änderungsstand:
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