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Brief vom 6. Juli 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


505.


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Marly den 6. Julli 1702.
… Man meint, daß in Flandern woll eine schlagt geben dörfft, denn die zwey arméen stehen in pressentz undt ist nur ein kleiner morast, so sie separirt; in Ittallien mögte es auch woll baldt waß geben. Es ist woll eine abscheüliche sache, daß die armen menschen, deren ziehl zu leben so gar kurtz ist, mitt solchem eyffer sich bemühen, einander noch das ziehl zu verkürtzen, undt einander umbbringen, alß wenns nur mücken weren. Apropo von mücken: die verfluchte schnacken laßen mich hir keine stundt schlaffen, sie zerbeyßen mich, daß ich bin alß wenn ich wider die kinderblattern hette. Wir seindt auch sehr mitt wespen geplagt, es geht kein tag vorbey, daß nicht jemandt gestochen wirdt. Vor etlich tagen war ein greülich gelächter: eine von den wespen war einer dame unter den rock geflogen; die dame lieff alß wenn sie närisch were, denn die wespe stak ihr oben ahm schenckel, sie hub den rock auff, lieff herumb undt rief: ah fermés les yeux et prenés le moy! Das kam schön herauß. … Heütte morgen bin ich mitt dem König spatziren gangen. Es ist eben alß wenn die féen hir arbeitten, denn wo ich ein großen weyer gelaßen hatte, da habe ich einen waldt oder holtz gefunden, undt wo ich einen großen platz undt escarpoulette[1] gelaßen hatte, da habe ich einen behelter voller waßer gefunden, alwo man dießen abendt hundert undt etlich undt 30 große carpffen insetzen wirdt, welche über die [048] maßen schön sein, etlich wie golt, andere wie silber, andere schön blaw incarnat, gehl gescheckicht, schwartz undt weiß, blaw undt weiß, goltgelb undt weiß, weiß goltgelb mitt roden flecken, mitt schwartzen flecken, suma auff allerhandt art, daß es sich zu verwundern ist… Neües weiß ich jetzt gantz undt gar nichts undt wenn ichs gleich wüste, dörffte ich es nicht sagen, denn man hatt mich gewarnt, daß die, so meine brieffe leßen, gar wunderliche commantaire drüber machen, umb mir händel bey dem König ahn zu machen… Der spitzfindige undt naßeweiße herr, so meine brieffe lest entrer dans les affaires d’estat sans les ordres du Roy, das will er mir vor ein groß crime außlegen. Wenn mich der König die gnade thete undt drüber zur rede setzen, wolte ich mich gar woll verantworten, undt ich wolte, daß man mich mitt das immer lachende ministergen[2] confrontiren wolte; ich bin gewiß, daß er mir mitt seinen falschen außlegungen nicht unter die augen stehen dörffte. Ich bitte den herrn außleger der teütschen schrifften dießes treülich zu übersetzen, damitt der minister meine meinung recht wißen möge; undt erfahre ich weitter dergleichen, werde ich ihnen die mühe nicht geben, dem König ferner davon zu sprechen, denn ich werde selber eine audientz begehren undt I. M. fragen, ob sie befohlen, meine brieffe alle zu öffnen undt comantaire drüber zu machen, denn was ich schreibe kan von jederman geleßen werden, wenn mans nur ohne lügen undt falschheit überbringt. Ich weiß nicht, worumb diß männgen so gegen mir verpicht ist, ich habe ihm mein leben nichts zu leydt gethan undt solte meinen, bey itzigen wichtigen affairen er etwaß nohtwendigers würde zu schaffen haben, alß meine brieffe ahn meine negste verwanten nachzugrübeln, umb mir schaden zu wollen…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Juli 1702 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 47–48
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0505.html
Änderungsstand:
Tintenfass