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Brief vom 7. Januar 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


592.


[122]
Versaille den 7. Januari 1706.
… Ich habe Amelisse sehr scandalisirt, daß ich gesagt, daß mich die commedien mehr touchiren, alß einen kerl auff der cantzel ruffen zu hören, dem man nicht widersprechen darff; sagt, ich vergleiche Christus undt Bellial. Ich kan mich nicht genung verwundern, so eine heßische devotion in den raugräffinen zu sehen undt das so gar nicht auff pfaltzischen schlag sein. E. L. haben groß recht: vor dießem hatt man allezeit die passion in commedien gespilt, dazu ist l’hotel de Bourgogne gebawet worden; die gantze passion ist noch auff der thur in stein gehawen, umb zu weißen, daß es in dem hauß gespilt wurde. Ich habe 3 tomen von den commedien gehabt; ich erinere mich noch etliche dolle vers, so drinen stunden, unter andern ein dialogue von unßerm Herrgott mitt sanct Petrus, welcher ahnfing undt sagte zu unßern Herrgott:
Ah Dieu quelle vergogne
Vous donnés comme un ivrogne,
Pandant que vostre fils est mort
,
undt Gott andtworte sanct Petrus:
Est il mort pour le certain,
Diable m’emporte si je n’en savois rien
.
Das solt ärgern, aber Polieute[1] nicht …
So lang die Königin[2] in Engellandt leben wirdt, seindt E. L. beßer zu Hannover, denn da seindt sie die erste undt würden nur die zweyte in Engellandt sein … Ich sehe, daß der neüjahrstag bey E. L. ebenso verdrießlich geweßen, alß der unßere hir. So schöne sachen habe ich nicht bekommen wie E. L., aber gar nützliche, denn der König hatt mir gleich morgendts 2000 louisdor geschickt, welches meinen pensionairen undt schuldtneren trefflich woll bekommen ist undt mir ein starck credit zuwegen bringt, denn alle schulden von vergangen jahr seindt dadurch bezahlt. Ich erinere mich noch gar woll vom gutten abt von Iburg[3] undt wie gern er pontificirt; er machte alß ein creütz über mich undt sagte, das würde mich mitt der zeit catholisch machen; er setzte aber nicht dazu, daß E. L. es thun würden … Ich muß lachen, daß E. L. sagen, daß ich singen würde: Sey wilkommen du edler gast; diß liedt erinere ich mich noch gar woll, denn es ist ein christliedt undt fengt ahn:
Vom himmel hoch da kom ich her,
Ich bring eüch gutte neüe mähr,
Der neüen mähr bring ich so viel,
Davon ich singen undt sagen will
.
Diß ist das erste gesetz da. In dießem augenblick kompt mein sohn herein, ich laß ihn gleich das papir von mons. Leibenitz sur l’unite leßen; er [123] begreiffts gar woll, sagt, es were leicht zu begreiffen, welches mir gar nicht deücht. Mein sohn sagt, er sey gantz mons. Leibenitz opinion undt hette es gegen le pere de Malbranche[4] bestritten … E. L. gemächer müßen auß der maßen schön sein, wie sie sie beschreiben, recht magnific, das heißt auff gutt pfältzisch: E. L. laßen sich nicht lumpen …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Januar 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 122–123
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0592.html
Änderungsstand:
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