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Brief vom 28. Januar 1708

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


650.


[172]
Versaille Sambstag den 28. Januari [1708] umb 8 abendts.
Seyder glock 3 bin ich wider hir, vor dem eßen aber habe ich eine gutte stundt im gartten spatzirt, denn es war heütte woll das schönste wetter von der welt; die sonne war so heiß, alle blumen seindt schon in knöpffen in dem parterre zu Marly; die chevrefeuille ist schon gantz grün undt in den obstgartten seindt die mandellen undt pfirsing in voller blüdt. Gestern aß der König einen pfannenkuchen voller kleinen champinion, so man hir im landt mousseron heist undt welche man vorher sein leben nicht eher gesehen, alß zuletzt des Mertzen oder gar im April, sie kommen in selbiger zeit wie die morchellen. Heütte habe ich ein schreiben von meiner dochter bekommen, die schreibt mir, daß sie zu Luneville ein solch erschrecklich wetter mitt donner, blitz undt schloßen gehabt haben, daß sie gemeint, der jüngste tag komme. Solch eine verkehrte zeit habe ich noch mein leben nicht gesehen, alß nun. Die junge leütte bekümmern sich wenig drumb, gestern dantzten sie von 7 biß umb 10 undt waren so wenig müdt, daß sie nachts umb 11 ahnfingen ahm reyen zu singen undt zu dantzen biß umb 1 uhr nach mitternacht.
Königin zu sein könte mich nicht so sehr vergnügen wie die Königin Anne; das königliche leben ist zu gezwungen, umb freüde geben zu können. Umb recht vergnügt zu leben, muß man erst gelt genung haben, gutten freünden beyzustehen, undt zum andern: hingehen zu können, wo man will, ohne ceremonien undt zwang, so kan man vergnügt leben. Ich glaube, daß mons. de Louvois in jener weldt wegen der Pfaltz brent; er war greülich cruel, nichts konte ihn jammern. Marechal de Catinat ist ein rechter philosoph, der sich mitt wenigem begnügt undt allezeit vergnügt lebt; wenige werden sein exempel folgen. Ich finde den König in Preüssen zu gutt, zufrieden zu sein, daß sein betriger, der goltmacher[1], ihm nur weist, wie er ihn betrogen, ohne ihn ferner abzustraffen … [173] Man meint hir nicht, daß der König in Schweden alle unrecht schlichten will wie Don Quichot, aber man meint, er mögte gern römischer König werden undt Keyßer, mögte also gern händel mitt dem Keyßer haben; aber in Moscau zu sein macht keine aparentz hirzu …
Mich deücht, Villar könte sich woll [begnügen[2]] mitt was er schon auß Teütschlandt geh[olt[3]], denn niemandts in Franckreich ist reicher, alß er. Es ist ein großer fehler ahn heros, eygennützig zu sein; mich deücht, es nimbt heütte oder morgen ein schlim endt, denn es macht ordinarie ungerechtigkeiten, so kein glück bringen; also glaub ich nicht, daß mylord Marlbouroug ein guttes endt nimbt …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Januar 1708 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 172–173
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0650.html
Änderungsstand:
Tintenfass