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Brief vom 10. Januar 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


677.


[196]
Versaille den 10. Januari 1709.
… Es ist eine solche grimige kälte, daß es nicht außzusprechen ist; ich sitze bey einem großen fewer, habe einen schirm vor die thüren, so zu sein, einen zobel auff den halß, ein bärensack auff meine füß, undt alleben woll zittere ich vor kälte undt kan kaum die feder halten. Mein tag des lebens [197] habe ich keinen solchen rauen winter erlebt wie dießer; der wein erfrirt in den bouteillen. In Teütschlandt habe ich mein leben einen solchen winter nicht erlebt. … Freylich habe ich ursach, vor die schönnen medaillen zu dancken, denn E. L. können sich nicht einbilden, welch ein groß amusement es vor mich ist, bringe gantze tage mitt zu, wie auch mitt meinen antiquen medaillen. Vergangen Montag habe ich mir noch von Königs neüjahr 150 gekaufft, habe jetzt ein cabinet von goltene medaillen, eine rechte suitte von alle Keyßer von Jullius Cezar ahn biß auff Heraclius: da nichts ahn fehlt. Unter dießen seindt gar rare stücker, so der König selber nicht hatt. Ich habe dießes alles sehr wollfeyl bekommen, 260 nur vor das gewicht; habe jetzt 410 goltene medaillen beysamen[1]. Da habe ich mein spaß, die curiosen undt gelehrten über disputtiren zu hören, undt ich laß mir alle die historien von den revers verzehlen, das divertirt mich recht. E. L. haben recht: die medaillen, so man zu Hannover gemacht hatt, sein unvergleichlich schönner, alß die von Nürnberg. Ich habe die medaillen von E. L., oncle undt patte in golt undt in silber von Carlstein[2].
Es ist nicht der duc de Villars, sondern der marechal de Bouffler, so man nach Flandern geschickt hatt. Mein sohn, so aber nun duc d’Orleans undt nicht mehr duc de Chartre heist, wirdt wider nach Spanien [198] [gehen]. Villars weiß woll zu leben, hatt aber etlichmahl quinten; Bouffler ist auch höfflich undt hatt nie quinten wie der ander …
Es ist nicht außzusprechen, welch eine grimige kälte es seyder 8 tagen hir ist[3], undt was ahm ärgsten, ist, daß die kälte mitt scharffen durchdringenden winden ist. Man kan kaum drincken, wein undt waßer wirdt bey dem fewer zu eyß; alles was man eßen will, ist erfroren. Die Seine ist gantz zugefroren; niemandts kan von Paris schir kommen; man hört von nichts alß leütten, so arm undt bein brechen; summa: es ist jetzt eine trawerige undt ellende zeit. Ein jedes steckt bey seinem cammin undt hust undt speyet, das ist die eintzige musiq so man hört. 4 arme kleine schornsteinfeger undt Savoyards hatt man gestern erfroren gefunden. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Januar 1709 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 196–198
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0677.html
Änderungsstand:
Tintenfass