Seitenbanner

Brief vom 15. März 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


831.


[342]
Versaille den 15. Mertz 1714.
… Heütte abendts oder morgen wirdt der heldt des friedens, mons. de Villar, herkommen. Man sagt, daß der frieden gar avantageux vor den König undt die zwey bayerische Churfürsten ist[1], daß der Churfürst von Bayern wider der erste Churfürst werden solle undt die Oberpfaltz wider bekommen. Aber seyder wan kan der Keyßer alles vor die Churfürsten ohne sie selber undt das reich? Das nimbt mich unerhört wunder; alles muß denn in Teütschlandt seyder ich weg bin abscheülich geendert [sein]. Ich finde auch, daß Churpfaltz mehr verliehrt, alß gewindt, denn die Oberpfaltz ist ihm ja gelegener, alß das Königreich von Sardaignen; das, wie ich gehört, bringt wenig ein, undt wie Churpfaltz gar hochmüthig ist, wirdt er noch einen größern staht haben wollen; das wirdt alles über die arme Pfaltz gehen; also gefelt mir dießer article nicht, wofern er wahr ist, denn ich weiß noch gar nichts recht von den articlen, man helt sie noch gar geheim. Man kan nun hir singen:
Allein Gott in der hohe sey ehr
Undt danck vor seine gnade,
Daß nun forthin undt nimmermehr
Unß schaden kan kein schade.
Ein wollgefahlen Gott ahn unß hatt,
Es ist groß freüdt ohn unterlaß,
All feht hatt nun ein ende
.
Aber meine freüde kan nicht eher ahnfangen, biß ich E. L. in volkommener gesundtheit wißen werde ohne verfluchten stöhr auff den magen …
Ich höre viel lieber, daß mein alter gutter freündt E. L. tractirt, alß daß dockter Ebel[2] obligirt ist, E. L. clistiren zu ordiniren. Ich bin versichert, daß unßer gutter ehrlicher Jochem Henerich[3] woll hertzlich erfreüet geweßen, E. L. zu tractiren. Wenn man reist, seindt die große festins hors de saison, denn man kan nicht ruhig eßen, weillen man eylle hatt; [343] es ist auch nicht gutt reißen, wenn man viel geßen hatt, denn man muß ordinarie absteygen, welches die reißenden auffhelt. Man hette doch nicht unrecht, ein solch festin hir in Mercure [zu setzen], denn solte hir einer ein solches geben, müste er gar reich oder ruinirt damitt sein, denn alles ist nun hir im landt [theuer], wein, brodt, fleisch, alles ist so theüer, daß es auß der maß, biß auff holtz undt kohlen. Wie das waßer noch so niedrig war, haben 4 scheydt holtz eine pistolle gegolten, ein korb kohlen einen thaller; also sehen E. L., daß, wer in dießer theüren zeit ein solch festin machen solte, wie Jochem Henerich gethan, absolutte ruinirt sein würde. Zu meiner zeit undt [da] E. L. dort aßen, nachdem sie die Fique[4] auß der tauff gehalten hatten, da waren die möblen nicht so proper undt magnifiq. Wo mir recht, fehrt man über den Damm in des Bülaw hauß. E. L. haben woll groß recht, zu sagen, daß alles endert; seyder die 43 jahren, daß ich in Franckreich bin, habe ich viel verenderungen erlebt, aber nie beßer, sondern allezeit schlimmer. Ich finde recht schön, aber auch recht trawerig dabey, was der gutte hertzog[5] moralisirt, undt jammert mich recht, den todt immer so vor augen zu haben, welches doch kein ahngenehme perspectif kan sein. E. L. haben des hertzogs exempel nicht von nöhten, umb tranquille undt courageux zu sein, das sein sie ja all ihr leben geweßen … Es ist doch ellendt undt verdrießlich, wenn man sich selber so vergehen sicht, aber man muß sich woll in Gottes willen ergeben, er wirdt nichts neües vor unß machen, wie E. L. offt sagen. Ich kan nicht begreiffen, wie daß, da nun der frieden gemacht undt die schönne tage seindt, die posten so übel gehen. Man kan nun woll mitt recht singen wie in Proserpine[6]: les beaux jours et la paix sont revenus ensemble, denn man kan nicht schönner wetter sehen, alß wir seyder 8 tagen hir haben; der windt ist doch noch allezeit ein wenig kalt. In der Pfaltz sagen die bawern, daß Mertzenstaub silber undt golt ist, undt das alte sprichwordt sagt:
Truckener Mertz, naßer Aprill undt kuhler May
Füllt keller undt kästen undt macht viel heü

Ey pfui, E. L. sprechen umb Gottes willen nicht von sterben, das höre ich bitter ungern. Damitt E. L. nicht mehr davon sprechen mögen, will ich geschwindt von waß anderst reden. Ich halte die inquisition vor eine rechte verteüffelte sach undt haße die dominicanermönchen deßwegen wie ein greüel, sie kommen mir wie schinder vor …
Ich mögte lieber sterben, alß ein none werden, aber wenn man es ja absolute sein müste, so ist der orden von den Urselinen[7] der leydtlichste, denn sie tragen rechte tuchhembter, eßen fleisch undt stehen nachts nicht auff, [344] welches ein großer unterschiedt ist; die filles St. Marie tragen zwar auch hembter von tuch undt stehen nachts nicht [auff], aber sie haben zwey oder drey sachen, so unleydtlich sein, erstlich so müßen sie ahn ihr superiorin ihre gedancken sagen, zum andern so [haben] sie nichts eygen, zum dritten sobaldt alß man sich ahn etwaß attachirt, so nimbt mans weg, was es auch sein mag, ein bildt, ein buch, ein stuhl, ein patternoster, das deücht mir unleydtlich …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. März 1714 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 342–344
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0831.html
Änderungsstand:
Tintenfass