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Brief vom 23. November 1672

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Anna Katharina v. Harling, geb. v. Uffeln


20.


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Versailles den 23. November 1672.
Mein hertzliebe fraw von Harling. Ich habe in so langer ewiger zeit nichts von euch gehört, daß ich mir schir eingebildet, mein liebe fraw Harling hette ihrer zucht hir in Franckreich gantz vergeßen, undt habe also ahn Monmaistre seine fraw gefragt, ob sie nicht wüste, wie es komme …, da hat sie mir geantwort, daß ihr nicht zu Osnabruck, sondern nach Oldenburg verreyßet weret. Das hat gemacht, daß ich auch noch so lange mit schreiben eingehalten habe, biß ich gedacht, daß ihr wider zu Osnabruck sein könet; ich hette euch auch gern vordem geschriben, aber ich bin zwey monat gar krank geweßen, wie ihr woll werdt gehort haben auß meinem brieff ahn matante.
O, mein liebe jungfer Uffel! Wie kompt das einem rauschenplattenknechtgen so spanisch vor, wan man nicht mehr laufen undt sprin[g]en darf, auch gar nicht einmahl in der kutzschen fahren, sondern alß in einer chaise muß getragen werden. Undt wan es baldt gethan were, so were es noch ein sach, aber daß es so 9 gantzer monat fort weren muß, das ist ein trübseeliger zustandt undt möcht ich schir sagen wie printz Gustien vor dißem zu Heydelberg: groß hoffmeisterin, ich möchte gern patience haben, ach wolt ihr mir wol patience geben, denn das ist waß ich itzunder am meisten nohtig habe. Wan aber diß ey einmahl außgebrühet wirdt sein, so wolt ich, daß ichs euch auf der post nach Osnabruck schicken könte, denn ihr versteht euch beßer auf diß handtwerck, alß alles waß hir im gantzen landt ist, undt bin ich versichert mit meiner eygenen experientz, daß es woll versorgt sein würde; aber hir ist kein kint sicher, denn die dockter hir haben der Königin schon 5 in die ander welt geholffen; das letzte ist vor 3 wochen gestorben, undt 3 von Monsieur, wie er selber sagt, seindt auch so fort geschickt worden. Aber apropo von zucht: wan ihr mir waß wolt zu zichen[1] geben, so müst ihrs mir baldt schicken, nehmblich einen pagen, denn morgen oder ubermorgen wirdt einer von meinen pagen wehrhafft undt ich werde die stelle so lange offen halten, biß ich wider antwort von euch bekomme, ob ihr mir einen von eüeren vetteren schicken wolt oder nicht, denn eine sach will ich euch nicht verhellen: ich kan nicht gutt davor sein, daß er, wofern er nicht catholisch ist, bey seiner religion wirdt bleiben. Wofern dißes aber ursach sein solte, daß ihr euch scheüen würdet, einen von eüeren verwanten hirher zu schicken, so [021] bitte ich, ihr wolt doch ahn herrn presidenten Hammerstein fragen, ob er mir einen schicken wolte, denn ich habs ihm auch versprochen. … Ich habe euch mit fleiß wegen der religion geschrieben, damit ihr nicht gedencken möget, daß ich euch irgendt damit betriegen möchte, denn ich wolt euch gern einen gefahlen hirin erweißen. … Ich hab vor zwey monat ahn matante, elsten princen undt euch geschriben undt dem princen eine viereckte uhr geschickt; nach der zeit aber hab ich gehört, daß alles zu Franckfort liegen ist geblieben, also wan es einmahl zu Osnabruck ahnkommen wirdt, werden die brieffe greülich alt undt die uhr auß der moden sein, welches mir dan recht leidt ist… Waß soll ich nun weiter sagen, ich weiß nichts neües; waß schon alt zeittungen sein, wist ihr so woll alß ich; lügen ist gesündigt, so bleibt mir dan nicht viel mehr ubrig zu sagen alß daß ich bitte, mein compliment aufs allerschönste undt zierligste bey den sämbtlichen princen wie auch bey der princes abzulegen…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. November 1672 von Elisabeth Charlotte an Katharina v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 20–21
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d09b0020.html
Änderungsstand:
Tintenfass