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Brief vom 30. Mai 1673

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Anna Katharina v. Harling, geb. v. Uffeln


21.


[021]
St. Clou[d] den 30. may 1673.
… Ich bedancke mich vor das gutte vertrawen, so Mons. Harling undt ihr zu mir tragt, mir eweren kleinen vettern[1] zu schicken. Seidt versichert, daß ich alle sorge vor ihn tragen werde soviel ich kan. Es ist woll ein artlich kint, nicht allein Monsieur undt ich, sondern alle menschen haben ihn lieb; er dint schon wie einer von den andern[2] undt fengt ahn, frantzösch zu reden undt zu verstehen; ich hab ihn apart von den andern in ein hauß logiren laßen, alwo die fraw im hauß sorg vor ihn hat, umb ihn alle tag zu kämmen, sein weißzeug zu weschen[3] undt ihn betten zu machen. Ich laße ihm auch ein klein bettgen mit einem pavillon machen, damit er allein schläft, undt er ißt ahn meiner jungfern taffel, daß ihm also, wie ich hoffe, nichts mangelt. Damit ihr secht[4], daß er sein teütschschreiben noch nicht vergeßen hat, so uberschicke ich euch hirbey einen brieff von ihm, welcher ohne zweiffel trefflich lauten wirdt. Er wirdt euch auch schreiben, wie es ihm hir gefält. Seine erste dinste hir ist geweßen, daß er einer von den hübschten jungfern hir im lande hat ahn taffel aufwarten müßen, welches ihm dan nicht ubel gefallen, denn sobald man von taffel aufgestanden, hat [022] ihn die jungfer ein parmahl geküst; dißes hette er gern in eine gewohnheit gebracht; undt alß sie einmahl nicht dran dachte, stelte das kleine mängen sich vor sie undt hielt ihr den backen dar; sie sagte zu ihm: er were gar zu artlich, sie köne es ihm nicht abschlagen, undt küste ihn; also secht ihr woll, daß er hir in Franckreich schon gantz ein galant geworden ist. Alle menschen wöllen ihn bey sich haben, denn man findt ihn gar artlich. Er ist auch einmahl mit Monsieur undt mich spatziren gefahren: wir fanden ihn im garten spillen undt Monsieur war angst, er möchte sich zu viel erhitzen, daß er davon kranck könte werden, drumb ließ er ihn fangen undt zu unß in die calesche sitzen, undt hat die gantze promenade so mit gethan. Wan sonsten die jungfern auch mit außfahren, so sitzt er in ihrer calesch undt flöt[5] den gantzen spatzirweg durch. Alle kleine medger sein von ihm verliebt biß auch auf Monmaistre seine dochter, aber er ist gar cruel undt will nichts mit ihnen zu schaffen haben. Er verzehlt mir von seinen brüdern ein hauffen undt sagt, er habe einen, der were so schön, so schön, er hette schöne rote bäckelin, eine schöne hohe naße, hübsche augen, aber ein unglück hette er, nehmblich eine haßenscharte am maul, welche ihn verhindere zu reden. Ich rede oft lang mit ihm, denn er ist gar zu artlich, wan er waß verzehlt, dan macht er so ein ernstlich gesichtgen dazu; das macht mich allemahl lachen. Ich wolte, daß ich so geschickt were undt könte so ein artlich mängen, wie klein Harling ist, ahn den tag bringen, so würde ich gantz stoltz mit sein. Es wirdt nun wol baldt ahn ein krachen gehen, denn ich bin all 3 wochen im 9ten monat; wan ich noch so viel zeit habe undt nicht niderkommen bin, eher Monmaistre wider weg geht, so will ich mein lieb fraw Harling wider mit ihm schreiben. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Mai 1673 von Elisabeth Charlotte an Katharina v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 21–22
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d09b0021.html
Änderungsstand:
Tintenfass