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Brief vom 16. Februar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


74.


[133]
Paris den 16. Februari 1719.
… Waß ich ihm von meines sohns gemahlin beschrieben, ist nicht so sehr zu verwundern: sie ist von der Montespan gebohren undt erzogen, welches das lasterhaftste weib in allen stücken war, so zu finden mag sein. Alle meines sohns feindt seindt verpichter auf ihn ärger alß nie undt habens keine große scheü, offendtlich davon zu reden. Der eyffer undt zorn macht manche mehr sagen, alß sie wollen, meinen hernach alles wider gutt zu machen, wenn sie kommen undt viel falsche protestationen thun. Das setzt aber meinen sohn in keine größere sicherheit, man muß sich also eintzig undt allein auf gottes gnaden vertrawen. Ich wünsche, daß mein vetter, der Landtgraff, auch einmahl König mag werden[1] undt nicht allein der Königin[2] gemahl verbleiben. Der Hertzog von Holstein[3] ist noch jung genung, umb etliche jahre warten zu können, denn die Königin undt mein vetter werden woll keine kinder bekommen, undt die Königin ist nicht jung genung, umb im fall mein vetter zu sterben solte kommen, erben hoffen zu können, sie ist schon 31 jahr alt, undt wenn man in dem alter keine kinder gehabt hat, bekompt man selten.
Der kohlsamen hat mich gantz erfreüet, denn ich eße nichts liebers, alß den braunen kohl; er schmeckt aber hir nicht so woll alß in Teütschlandt; ich glaube, sie richtens nicht recht; ich bitte also Mons. Harling, er wolle mir doch aufsetzen laßen auf frantzösch, wie man es zurichten muß. Das ist ein recht gesundt eßen, vor die brust ist es über alles waß man auch brauchen kan… Ich glaube, daß nicht zu zweyflen ist, daß der Czaar seiner niepcen herrn beystehen wirdt, er soll gar viel troupen auf die beine haben. Ich habe ein wenig mühe, zu glauben, daß des Königs von Englandt reiße nach Hannover im Aprillen gehen wirdt. Man hat mich versichert, daß Herrnhaussen gar schön geworden seyder des Königs abreiß undt daß man die Leine in den garten mit caneaux geleydtet hat undt schön waßerwerck darauß gemacht. Aber ich kan den ort nicht ohne seüfftzen nennen, weilen ich meine allerliebste tante dort verlohren habe. … [134]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Februar 1719 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 133–134
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0074.html
Änderungsstand:
Tintenfass