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Brief vom 16. Mai 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


106.


[166]
St. Cloud den 16. may 1720.
… Ich muß gestehen, daß ich von hertzen fro bin, mich hübsch einsam undt in ruhen ahn dießem schönen ort zu finden. Ich habe hir schon zwey rechte vergnügen gehabt durch zwey gar erfreüliche zeittungen: die erste war, daß die Königin[1] in Schweden meinen neveu à la mode de Bretagne, den Erbprintzen von Hessen-Cassel[2], ihren herrn, zum König in Schweden gemacht hat.[3] Hirauß sicht man doch, wie wir Pfaltzgraffinen gutte weiber seindt. Die andere erfreüliche zeittung ist die vereynigung von unßern printz undt printzes von Wallis mit dem König von Englandt, ihrem herrn vattern. Das hat mich recht in der seelen gefreüet. Gott der allmächtige gebe dazu glück, seegen undt bestandt! Ich zweyfle [nicht], daß es zu Hannover auch eine große freüde wirdt verursacht haben. Ich bitte Mons. Harling, er wolle doch I. L. printz Friderich mein compliment hirüber machen. …
Die remedes de précaution haben bey mir nicht reussirt. Ich war frisch undt gesundt vor 14 tagen, wie man mir das schönste bludt gelaßen, 3 paletten, so 10 oncen machen, undt mich wollen zur purgation mit chicoréwaßer prepariren, aber sie haben nicht in acht genohmen, daß die hießige damen viel hitzigere temperament haben, alß ich, undt daß ich gar kein refraichissement von nöhten habe; auch hat mir dießes chicoréwaßer einen solchen dribsdrill[4] geben, daß ich in wenig tagen 29 mahl gangen. Das hat mich dermaßen abgematt, daß ich nicht matter sein könte, wenn [ich] 3 mont kranck geweßen were. Ich hoffe, man wirdt sichs vor eine [167] wahrnung halten laßen undt ein ander mahl, wenn ich gesundt bin, keine remedes de precaution geben.
Es frewet mich von hertzen, daß meine warhaffte raison meinen Harling persuadirt haben. Mir ist es nichts neües, daß man allen möglichsten fleiß ahnwendt, meine leütte gegen mich aufzuwicklen; das ist mein taglich brodt hir, taglich finde ich jemandts, welchen man gegen mich aufsetzig machen will. Ich habe kein ander mittel gefunden, in ruhen zu sein, alß kein wordt zu sagen undt zu thun, alß wenn ich es nicht wüste noch merckte. Nichts ist gemeiner, alß falsche freündt undt rahtgeber in dießem landt undt hoff; wer sich nicht woll vorsicht, kan nicht fehlen erdapt zu werden. Harling ist ein gutter ehrlicher mensch, aber er ist nicht so schlau wie die Fantzoßen hir bey hoff, so allezeit ein absehen haben undt keinen schritt ohne interessirte gedancken thun. Man muß alle die räncke wißen; mit schaden wirdt man klug hir. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Mai 1720 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 166–167
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0106.html
Änderungsstand:
Tintenfass