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Brief vom 20. November 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


135.


[203]
St. Cloud den 20. november 1721.
… Es hat dieße nacht starck undt eyß gefrohren undt dießen abendt ist es erschrecklich kalt. Cartouche wirdt braff in seinem turm friehren; er thut nichts mehr alß weinen, soll schon viel gestanden haben, man hat schon 50 von seiner compagne gefangen. Nach dem fest von St. Martin, wenn das parlament wider versamblet wirdt sein, sollen sie geurtheilt werden. Gestern war ich in der itallienischen commedie von Cartouche, fundt sie aber nicht so artlich alß man sie mir gelobt. Ich habe nichts neües zu Paris erfahren, aber vor 2 tagen hat man mir eine tragique avanture verzehlt: ein chanoine de Beauvais war mit seinen gutten freünden auf dem landt; nachts kompt ihm eine große noht ahn, will in eine scheüer gehn, seine nohtdurft zu verrichten, die leütte im hauße wusten es nicht, ließen 2 doguen loß, so das hauß nachts gegen die diebe verwahrten; die hunde finden dießen armen abbé Preveau, springen ihm gleich [204] ahn halß, erwürgen ihn undt freßen ihn biß auf die knochen. Seine freünde, so verwundert waren, daß er so lang außblieb, suchten ihn undt fanden ihn gantz gefreßen. … Vergangen Sontag seindt die heürahtscontract vom prince des Asturie undt Madlle de Monpensier[1] unterschrieben bey dem König, so hernach in unßere loge ins opera kommen undt nach seinem nachteßen zum bal. Ich aber bin nach dem opera wider herkommen undt bin nicht bey dem bal blieben. Das hat jemandts sagen machen, daß mich der schlag gerührt undt ich maußtodt; man hat aber meinen todt verhehlt, umb den bal fortführen zu können. Das hat mich von hertzen lachen machen, sage wie Cliton au menteur[2]: les gens que vous tués se portent assés bien. Da kompt man mir sagen, daß mein nachteßen kommen, muß schließen, sonst wirdt mich juncker Wendt, mein erster haußhoffmeister, filtzen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. November 1721 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 203–204
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0135.html
Änderungsstand:
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