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An den Kurfürsten Karl Ludwig.
[Saint-Germain] 22. November 1677.
Weilen ich seiter 3 monat her die gnade nicht gehabt habe
Eintzigen brieff von E. G. zu empfangen noch Einiges Wort
von E. G. zu vernehmen, so habe ich auß Respect auch nicht
schreiben dörffen und geförchtet, daß meine brieffe E. G.
importuniren mögten; jedoch so habe ich Ein kindliches vertrawen zu
E. G. getragen und mir dero vergangene güte und gnaden, so
ich jederzeit gespüret, dermaßen vor die augen gestellet, daß ich
nicht anderß hab gedencken können, als daß diese schlimme
kriegs
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zeitten hieran schuldig weren, E. G. aber nicht destoweniger dero
vatterliche affection mir nicht entzogen, indem mein gewissen mir
stehts vorstehlt, daß ich mich dero gnade nicht unwürdig gemachet,
seider der zeit ich nicht mehr so glücklich bin, E. G. persöhnlich
auffzuwarten. Diese gedancken haben verursachet, daß ich mich
contentirt habe, nur alle posten durch den Breton zu vernehmen
daß E. G. in vollkommener gesundheit seien, und unterdeßen
wünschte ich von gantzem hertzen den frieden, in welchem ich
hoffte, daß wofern ich nicht gelegenheit fünde E. G. persohnlich
alßdan auffzuwarten, doch aufs wenigst mir der trost nicht mehr
würde verweigert sein, alle woche oder aufs längste alle 14 tage
durch E. G. gnädige schreiben dero beharlichen gnaden
versichert zu werden, ohne welcher ich mein lebenlang nicht ruhig
sein könte. Ich war auch willens E. G. nicht Eher zu schreiben,
biß ich durch Eines dero gnädigen brieffen gleichsam die
Erlaubniß Entpfinge. Nun aber zwingt mich hierzu meine
unterthänige kindliche affection und glaube, daß ich mich unwürdig
machen würde aller gnade, so ich jemahlen von E. G. entpfangen
und aller versicherungen, so E. G. mir von der vatterlichen
zuneigung geben haben, wen ich E. G. nicht wissen thete, welch
Ein wunderbar geschrey hie von E. G. geht, so vor I. M. des
Königs und Monsieur ohren kommen, welches wie ich besorge
E. G. auff die lenge in den gemühtern großen tort thun mögte,
den man sagt, daß solches ohne exempel und Eine unerhörte
sache seye. Man gibt vor, daß E. G. meinem bruder ohne ursach
ungnädig sein, selbigen so zu sagen wie Einen gefangenen
halten, von ihm begehren, daß Er unsere fraw Mutter I. G.
die Churfürstin überreden solle sich gutwillig von E. G. zu
scheiden
[1], und wofern sie sich dieses weigern, wolten E. G.
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par force eine andere gemahlin Nehmen und dermaßen böße
schrifften von I. G. unßer fraw Mutter außgehen lassen, welche
unß allen schimpflich sein würden. Ich gestehe, daß ich, die
(wie schon gesagt) E. G. gütte gegen mein bruder und mir so
offt gespüret, dießen zeittungen schwerlich kan glauben zustellen,
wie sehr man mich dießes auch versichern will, jedoch so bekenne
ich, daß es mich in meiner seelen schmertz dergleichen zu hören,
und förchte, daß wan Monsieur und I. M. der König selbst
persuadirt sein mögten, daß E. G. Etwaß unterfangen, so unß
schimpflich, Es nicht gut finden und mittel suchen mich von einem
affront abzuwaschen, umb der Ehren deren alliance würdig zu
bleiben, welches vielleicht und wovor unß Gott behüten wolle,
ärgere unglücke nach sich ziehen mögten alß wan mein bruder
ohne erben sterben und die pfalz in des hertzogen von Neuburgs
hände kommen
[2]. Aber mein bruder und seine gemahlin seindt
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noch jung, derowegen noch hoffnung. Drumb bitte E. G. auf
meinen knien unterthänigst und umb Gottes willen, E. G.
bedencken dieses recht, und wofern E. G. noch Ein fünklein dero
vätterlichen affection vor meinem bruder und mich uberig haben,
so Erbarmen sie sich doch unßer gnädigst, weillen ja, wofern
dieß geschrei war ist, nichts anderes drauß Erfolgen kan alß
lautter unglück sowoll vor E. G. selbsten, als unß beyden.
Vielleicht werden E. G. übel nehmen, daß ich so frey herauß
schreibe, aber ich verlasse mich auf E. G. gerechtigkeit, welche
mich nicht wird verdammen können, weilen mir hirinnen E. G
reputation viel mehr alß mein eigene zu hertzen geht, welchs
auch daß Eintzige motif schir ist, so mich zu schreiben bewogen
hat. Den ich kan der sachen selbsten noch nicht glauben
zustellen und also hab ich auch noch nicht Nöhtig Erachtet E. G.
vor meinen bruder und mich ahnzuflehen. Ich Erwarte E. G.
gnädigste antwort, umb zu wissen, waß ich auff dergleichen fragen
zu antworten haben mögte, wofern I. M. der König und
Monsieur mich ferner deßwegen sprechen solten, wie sie bißher gethan,
und unterdessen bitte ich E. G. nochmahls gantz demütigst zu
glauben, daß ich lieber tausendmahl sterben möchte, alß so
unglücklich zu sein zu Erfahren, daß ich noch mein bruder kein
theill mehr in dero vätterlichen gnaden und affection hetten,
weillen ich doch glaube solches zu merittiren, indem ich biß in
todt verharren werde E. G. unterthänige gehorsame und gantz
ergebene dochter und Dienerin
[3]