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Brief vom 22. November 1677

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz


23.


[025]

An den Kurfürsten Karl Ludwig.

[Saint-Germain] 22. November 1677.
Weilen ich seiter 3 monat her die gnade nicht gehabt habe Eintzigen brieff von E. G. zu empfangen noch Einiges Wort von E. G. zu vernehmen, so habe ich auß Respect auch nicht schreiben dörffen und geförchtet, daß meine brieffe E. G. importuniren mögten; jedoch so habe ich Ein kindliches vertrawen zu E. G. getragen und mir dero vergangene güte und gnaden, so ich jederzeit gespüret, dermaßen vor die augen gestellet, daß ich nicht anderß hab gedencken können, als daß diese schlimme kriegs [026] zeitten hieran schuldig weren, E. G. aber nicht destoweniger dero vatterliche affection mir nicht entzogen, indem mein gewissen mir stehts vorstehlt, daß ich mich dero gnade nicht unwürdig gemachet, seider der zeit ich nicht mehr so glücklich bin, E. G. persöhnlich auffzuwarten. Diese gedancken haben verursachet, daß ich mich contentirt habe, nur alle posten durch den Breton zu vernehmen daß E. G. in vollkommener gesundheit seien, und unterdeßen wünschte ich von gantzem hertzen den frieden, in welchem ich hoffte, daß wofern ich nicht gelegenheit fünde E. G. persohnlich alßdan auffzuwarten, doch aufs wenigst mir der trost nicht mehr würde verweigert sein, alle woche oder aufs längste alle 14 tage durch E. G. gnädige schreiben dero beharlichen gnaden versichert zu werden, ohne welcher ich mein lebenlang nicht ruhig sein könte. Ich war auch willens E. G. nicht Eher zu schreiben, biß ich durch Eines dero gnädigen brieffen gleichsam die Erlaubniß Entpfinge. Nun aber zwingt mich hierzu meine unterthänige kindliche affection und glaube, daß ich mich unwürdig machen würde aller gnade, so ich jemahlen von E. G. entpfangen und aller versicherungen, so E. G. mir von der vatterlichen zuneigung geben haben, wen ich E. G. nicht wissen thete, welch Ein wunderbar geschrey hie von E. G. geht, so vor I. M. des Königs und Monsieur ohren kommen, welches wie ich besorge E. G. auff die lenge in den gemühtern großen tort thun mögte, den man sagt, daß solches ohne exempel und Eine unerhörte sache seye. Man gibt vor, daß E. G. meinem bruder ohne ursach ungnädig sein, selbigen so zu sagen wie Einen gefangenen halten, von ihm begehren, daß Er unsere fraw Mutter I. G. die Churfürstin überreden solle sich gutwillig von E. G. zu scheiden[1], und wofern sie sich dieses weigern, wolten E. G. [027] par force eine andere gemahlin Nehmen und dermaßen böße schrifften von I. G. unßer fraw Mutter außgehen lassen, welche unß allen schimpflich sein würden. Ich gestehe, daß ich, die (wie schon gesagt) E. G. gütte gegen mein bruder und mir so offt gespüret, dießen zeittungen schwerlich kan glauben zustellen, wie sehr man mich dießes auch versichern will, jedoch so bekenne ich, daß es mich in meiner seelen schmertz dergleichen zu hören, und förchte, daß wan Monsieur und I. M. der König selbst persuadirt sein mögten, daß E. G. Etwaß unterfangen, so unß schimpflich, Es nicht gut finden und mittel suchen mich von einem affront abzuwaschen, umb der Ehren deren alliance würdig zu bleiben, welches vielleicht und wovor unß Gott behüten wolle, ärgere unglücke nach sich ziehen mögten alß wan mein bruder ohne erben sterben und die pfalz in des hertzogen von Neuburgs hände kommen[2]. Aber mein bruder und seine gemahlin seindt [028] noch jung, derowegen noch hoffnung. Drumb bitte E. G. auf meinen knien unterthänigst und umb Gottes willen, E. G. bedencken dieses recht, und wofern E. G. noch Ein fünklein dero vätterlichen affection vor meinem bruder und mich uberig haben, so Erbarmen sie sich doch unßer gnädigst, weillen ja, wofern dieß geschrei war ist, nichts anderes drauß Erfolgen kan alß lautter unglück sowoll vor E. G. selbsten, als unß beyden. Vielleicht werden E. G. übel nehmen, daß ich so frey herauß schreibe, aber ich verlasse mich auf E. G. gerechtigkeit, welche mich nicht wird verdammen können, weilen mir hirinnen E. G reputation viel mehr alß mein eigene zu hertzen geht, welchs auch daß Eintzige motif schir ist, so mich zu schreiben bewogen hat. Den ich kan der sachen selbsten noch nicht glauben zustellen und also hab ich auch noch nicht Nöhtig Erachtet E. G. vor meinen bruder und mich ahnzuflehen. Ich Erwarte E. G. gnädigste antwort, umb zu wissen, waß ich auff dergleichen fragen zu antworten haben mögte, wofern I. M. der König und Monsieur mich ferner deßwegen sprechen solten, wie sie bißher gethan, und unterdessen bitte ich E. G. nochmahls gantz demütigst zu glauben, daß ich lieber tausendmahl sterben möchte, alß so unglücklich zu sein zu Erfahren, daß ich noch mein bruder kein theill mehr in dero vätterlichen gnaden und affection hetten, weillen ich doch glaube solches zu merittiren, indem ich biß in todt verharren werde E. G. unterthänige gehorsame und gantz ergebene dochter und Dienerin[3]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. November 1677 von Elisabeth Charlotte an Kurf. Karl Ludwig von der Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hrsg. H. F. Helmolt, Band 1 (1908), S. 25–28
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d12b0023.html
Änderungsstand:
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