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Brief vom 17. Mai 1686

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Wilhelmine Ernestine von der Pfalz


49.


[081]

An Kurfürstin Wilhelmine Ernestine von der Pfalz.

St. Clou den 17. may 1686.
Hertzallerliebste Schwester. Vor etlichen tagen hatt mir I. L. der churprintz von Saxen[1] E. L. wehrtes schreiben vom 8. aprill überlieffert, bin E. L. woll zum högsten verobligirt vor alle tendre sentiementen, so mein hertzliebe schwester mir darinen bezeügen. Dießes hat mich über die maßen sehr getröstet, aber [082] gar nicht surprenirt; den[n] mir E. L. guttes gemühte sambt allen andern tugenden dermaßen bekandt ist, daß ich woll nicht habe zweifflen können, daß I. G. meiner fraw mutter s. todt[2] E. L. würde zu hertzen gangen sein undt daß E. L. mich auch beklagen würden undt mittleyden mitt mir haben. [Ich] sage E. L. auch demütigen danck vor alle gutte wünsche, so sie mir thun, undt wen[n] E. L. hergegen alles begegenet, so ich deroselben wünsche, werden E. L. nicht allein alles bißher gehabte unglück undt betrübnuß gantz ersetzet werden, sondern E. L. wirdt auch alles zufallen, so dero hertz begehret undt sie nur selbsten zu dero vergnügen erdencken können. Von alle unßere verluste aber will ich nichts mehr schreiben, den[n] das erneüet einem nur allen schmertzen wider. Mich hatte die betrübnuß dermaßen accablirt, daß ich ein tag 14 kranck geweßen habe aber nur 3 tag das continuirliche fieber gehabt mitt kleinen redoublementen abendtes. Mit gottes hülff und eine gutte diete hab ich mich endtlich auß dießem allem herauß gerißen. Auß der überschriefft, so ich E. L. auff meinem letzten brieff gemacht, werden E. L. gemeint haben, daß ich schon gar den transport im hirn hatte, aber ich hoffe, daß E. L. mir solches woll werden vergeben haben, wen[n] sie betracht, in welchem standt ich deroselben geschrieben. [Ich] war warhafftig so troublirt von betrübnuß, daß ich nicht mehr wuste, waß ich schriebe oder thate. Daß der margraff[3] von Ahnspach undt 2 riden ahn den kinderblattern gestorben, habe ich schon vor 3 wochen erfahren. Seine gemahlin[4] dauert mich zwar, allein unter unß gerett, ahn dem margraffen ist kein großer verlust[5], undt glaube, daß E. L. ihn auch woll nicht regrettiren. Mir ist er allezeit gar abgeschmackt vorkommen undt ware recht verwundert, alß ich gehöret, daß E. L. undt mein armer bruder seliger so viel von dießem herren hielten; den[n] hir in Frankreich hatte er vor gar [083] sot passirt undt gar nicht reussirt. Der conte de Barby[6], welchen E. L. woll kennen, hatt ein beßer lob hir, undt jeder man ist persuadirt, daß er verstandt hatt. Ich mögte nur wünschen, daß I. L. ein wenig mehr reden mögten alß sie thun; den[n] sie reden woll genung, umb nichts zu scheüen, spricht auch das Frantzösch sehr woll auß undt weiß sich in alles hiesige gethuns gar woll zu schicken, und kan E. L. ohne flaterie sagen, daß er gar woll hir reussirt. Mons. Knoch[7] scheint gar ein feiner man zu sein undt sehr raisonabel, entretenire ihn offt. Ich bitte E. L. umb verzeyung, daß ich mir nicht ehe die ehre geben E. L. befehl zu volziehen undt von deß churprintzen leben hir E. L. zu instruiren. Allein mein hertzallerliebste schwester, ich habe dießen gantzen winter durch so erschrecklich vill chagrin gehabt, daß ich gemeint, ich müste drin vergehen, war also incapable 2 linien zu schreiben, undt mitt lamentationen wolte ich E. L. nicht beschwerlich fallen, contrarie ich dachte, alß daß sich die zeitten einmal endern mögten undt ich E. L. alß denn waß schreiben könte, so E. L. divertiren mögte. Noch der zeit aber weiß ich nichts erfreüliches, muß derowegen schließen, bitte E. L. aber zuforderst dero armen alten Lisselotte nicht zu vergessen undt mir allezeit ein plätzgen in dero precieussen amitie zu behalten, auch vestiglich zu glauben, daß ich deroselben biß ins grab gantz ergeben sein werde undt jederzeit verbleiben
E. L. trewe gantz ergebene Schwester undt Dinnerin
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Mai 1686 von Elisabeth Charlotte an Kurfürstin Wilhelmine Ernestine
in: Briefe der Herzogin …, Hrsg. H. F. Helmolt, Band 1 (1908), S. 81–83
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d12b0049.html
Änderungsstand:
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