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Versaille den 23 Februari 1709.
Hertzallerliebe Louise, vor 3 tagen habe ich Ewer liebes
schreiben vom 9 dießes monts zu recht entpfangen. Unßer comerce
geht langsam, aber es verliehrt sich doch kein brieff, welches viel
ist in itzigen zeiten. Ich bin gantz gritlich, den es fehlen mir 3
posten von Hannover; daß ist eine recht unleydtliche sach. Durch
meine folgende schreiben werdet Ihr, liebe Louisse, ersehen haben,
daß Ewere schreiben nicht verlohren, sondern endtlich ahnkommen
sein. Es wundert mich nicht, daß Euch offt angst bey Amelisse
zustandt, finde ihn sehr wunderlich. Waß mich dabey angstet, ist,
daß deß printz de Conti zufall so ahngefangen, undt der ist gestern
morgen gestorben. Ich fuhr eben nach Paris, bin gleich zur printzes
de Conti, ihrer elsten dochter undt madame la princesse. Es ist
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nicht auszusprechen, in welcher erschrecklichen betrübtnuß alle
dieße fürstinen sein; sie haben mich von grundt der seelen
gejammert, habe hertzlich mitt ihnen geweindt. Ich zweyffle nicht,
daß mademoiselle de Conti ihren herrn vatter baldt folgen wirdt.
Sie hatte eben ihre zeit; das ist ihr vor schrecken gantz auffgehort
undt ahnstadt daß es wider naturlich kommen solle, ist wie eine
rohte ruhr drauß geworden, welches ich vor gar schlim halte.
Gott seye danck, daß Amelisse wider beßer ist, undt wolle sie zur
volkommenen gesundtheit bringen! Ambrassirt sie von
meinetwegen! Freylich habe ich den apotecker Nebel woll gekendt undt
sein schon weibgen, daß dernach der Sejanus Fuxs
[1] geheüraht
hatt. Er hatte zu Heydelberg einen zimblich großen gartten, wo
obst wie hir en espalier in war. Es muß noch ein gar junger
dockter sein; den wie auß der Pfaltz weg bin, hatten sie noch
keine kinder. Ich halte viel von den docktoren, so behutsam mitt
ihren krancken umbgehen undt die natur suchen zu folgen.
Morgen wirdt ein neüer dockter seinen eydt bey mir ablegen, ein
junger mensch von 42 jahren. Dießer ist mein 4ter dockter,
seyder ich in Franckreich bin, der wirdt mir woll den garauß machen,
weillen ich bey 15 jahren elter bin, alß er. Ich kene ihn nicht,
man hatt mir aber so viel guts von ihm gesagt, daß ich ihn
gewehlt. Daß macht mich noch ungedultiger, brieff von ma tante,
die fraw churfürstin, zu haben, daß ich wißen mögte, wie I. L.
sich nach der trawerigen zeittung befinden von dero fraw schwester
todt. Ich hette woll von nöhten, von waß lustiges zu hören; den
alles traweriges, waß man hir hört undt sicht, thut meinem miltz
nicht woll, es hatt mich nun 3 nacht ahn woll schlaffen gehindert.
Gedult in leyden ist eine große tugendt, aber gar schwer zu
praticiren. Seyder gestern ist die kälte wider grimmiger worden, alß
nie. Ich habe einen alten calender, worin die bawernregeln stehen;
der sagt, daß, [wenn es] auff Petter stuhlfewer,
[2] so gestern war,
gefrirdt, so frirdt es noch 40 tag hernach, welches abscheülich
[wäre], menschen undt vieh müsten sterben. Seydt versichert, daß
ich Eüch alle sambstag einen großen oder kleinen brieff schreiben
werde! Hiemitt ist Ewer letztes wehrtes schreiben durchauß
beantwortet. Ich komme ahn daß vom 2, daß ich vor 8 tagen nicht
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durchauß beantwortet habe; war geblieben, wo Ihr vom wetter redt.
Deß graffen von Türheim unglück ist woll zu betawern, aber seine
fraw mutter ist es noch mehr zu beklagen; den die fühlt ihre
betrübtnuß undt er fühlt nichts mehr. Adieu, liebe Louisse! Hiemitt
ist Ewer zweytes schreiben auch beantwortet, bleibt mir nur überig,
Eüch von hertzen zu ambrassiren undt zu versichern, daß ich Eüch
allezeit von hertzen lieb behalte.