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Versaille den 18 May 1709.
Hertzallerliebe Louise, ehe ich wieder von Marly weg bin,
habe ich Ewern lieben brieff vom 4 dießes monts zu recht
entpfangen. Wir seindt seyder vorgestern wider hir; bin fro, daß
unßere brieffe nun so gar richtig gehen. Wolte gott, liebe Louisse,
es stunde bey meine wünsche, Amelisse undt Eüch bey gesundtheit
zu erhalten! so würde ich sie dermahßen verdoblen, daß Ihr
hundert jahr auff wenigst gesundt undt vergnügt leben würdet. Gott
gebe auch, daß Amelise beßerung bestandt haben möge! Ich bin
nicht persuadirt, daß viellerley consultationen gutt sein; sie deügen
zu nichts, alß nur zu ambarassiren, auch so, daß man nicht mehr
weiß, waß man thun soll; den umb gar gelehrt zu scheinen, will
alß ein jeder waß aparts sagen undt haben. Ich bin recht
persuadirt, daß, wen man einen eintzigen gutten docktoren hatt, der
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affectionirt ist undt aplicirt, daß den krancken viel beßer geholfen
wirdt, alß durch vielle consultationen, da nur einer den andern
ambarassirt. Aber ich kan auch woll begreiffen, daß, wen man sorg
vor eine liebe krancke hatt, daß man sich nicht vorzuwerffen will
haben, daß man daß geringste zu ihrer beßerung negligirt hatt.
Gott gebe Eüch den trost, liebe Louise, Amelise baldt wider in
volckommener gesundtheit zu sehen! Ich habe nie gewust, wie
man Ewern neuveu heist, sehe aber auß einem von mademoiselle
de Malause brieffen, daß man ihn mylord Arouische
[1] heist, welches,
wie mich deücht, gar ein wunderlicher nahme; die voyellen fehlen
nicht drinen. Es ist leicht zu begreiffen, daß, wen man einen
vatter hatt, wie Ewer schwager ist, daß man woll so gern auß dem
hauß ist, alß drinen. Er kendt mich nicht, kan also wenig nach
meiner aprobation fragen. Weillen vatter undt sohn nun woll mitt
einander stehen, wirdt es dem vatter, glaube ich, nicht leydt sein,
daß man ihn aprobirt in waß er woll thut. Wie ich sehe, so seindt
die 3 schwestern einander in nichts gleich. Es ist kein eintziger
fehler in Ewerm brieff, Ihr schreibt wie ein secretarius, gar eine
schönne handt. In dießem augenblick bekomme ich Ewern lieben
brieff vom 11 dießes monts, worauff ich heüte nicht andtworten
kan; den ich gehe, ob gott will, morgen zum h. abendtmahl, muß
mich also dazu bereytten; nur daß noch drauff, daß ich von hertzen
fro bin, drauß zu vernehmen, daß Amelisse accident nicht wider
kommen ist. Daß sie von nichts erbärmblichs kan hören, macht
mich glauben, daß ein wenig mutterwehen mitt unterlauffen. Der
duc de Bouillon hatt eine tante gehabt, vor dern dorffte man daß
wort bludt nicht sagen; so baldt sie es hörte, fiel sie in
convulsionen, ist derowegen lange zeit geweßen, das sie nicht hatt zum h.
abendtmahl gehen können; sie war reformirt. Viel leütte haben
gemeint, es were hecksenwerck, aber es war nichts alß mutterwehe.
Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch undt Amelisse von
hertzen undt behalte Eüch beyde all mein leben sehr lieb.