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Brief vom 3. April 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


470.


[171]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 3 Aprill 1710.
Hertzliebe Louisse, ich habe vergangenen sontag nicht auff Ewer liebes schreiben vom 17 Mertz geantwortet, weillen ich gemeint, daß Ihr nach Wetzelar würdet verreißet sein, undt weillen Ewere reiß nur 14 tag weren solte, so habe ich gedacht, es würde zeit genung sein, Eüch in etlichen tagen zu schreiben; weillen ich aber durch Ewer liebes schreiben vom 21 ersehe (so ich vergangen montag entpfangen), daß Ewere reiße zurückgangen, werde ich hirmitt auff Ewere beyde schreiben andtwortten. Ich fange bey dem frischten ahn. Wie ich erst gesehen, daß Ewer reiß zurück, habe ich ein wenig gestutzt; den ich fürchte, daß etweder ma tante sich übel befundt oder daß Eüch selber waß wideriches zugestanden ware. Gott seye danck, daß es keine von dießen beyden ursachen ist undt nur der schlime humor von der graffin von Schonburg! Sage darauff, wie man hir sagt: Passe pour celuy la! Gott [172] seye ewig danck, daß der heßliche husten undt durchlauf ma tante quittirt hatt! Gott der allmachtige erhalte I. L. viel undt lange jahren bey volkommener gesundtheit! Ich bin fro, daß ma tante die erbprintzes nicht in ihrer kranckheit gesehen, den es ist nichts gefährlichers. Wer ich wie Ihr, wolt ich lieber in einem hundtsloch liegen, alß in einer camer, wo ein mensch so frisch von den kinderblattern gestorben ist undt wo es noch nach einen todten korper richt. Zu meiner zeit, wie ich zu Hannover war, hatt man nie anderst gesagt, alß pressentz, undt nie audientzcamer.[1] Hir heist eine pressentz le grand cabinet. Daß ist billig, daß churprintz undt churprintzes ma tante, ihre fraw groß fraw mutter, auffwartten. Ich kene I. L. deß churfürsten humor, kompt mir also gar nicht frembt vor, daß er spät kompt. Ich finde, daß es noch viel ist, daß er kompt. Ich gestehe, daß mich die zeittung von hertzog Anthon Ulrichs[2] enderung der religion sehr surprenirt hatt, kan [173] die ursach, so Ihr meint, nicht davon begreiffen; den daß bringt kein heller gelt mitt, also kan reich werden die ursach nicht sein. Mich verlangt, zu hören, waß I. L. mir hirvon sagen werden. Er hatt dieße parthie nicht zu geschwindt genohmen, weillen er erst in seinen 77 jahr endert, hatt die sach mitt bedacht examiniren können. Ihr habt groß unrecht, wegen Ewer übel schreiben excusse zu machen, den man kan ja nicht schönner schreiben. Hirmitt ist Ewer liebes schreiben vom 21 vollig beandtwortet, ich komme auff daß vom 17 Mertz. Ich habe ma tante die rechte ursach von monsieur le duc[3] todt geschrieben, worauß I. L. sehen werden, daß sie hiran nicht sterben konnen. Were[4] ich bey solchen discoursen wer, wie ma tante gehalten, würde ich Eüch treülich mitt meinen threnen geselschafft halten. Von Ewer reiß sage ich nichts mehr, weillen ich weiß, daß sie zurückgangen. So soll man große herrn keine reiße abschlagen, sie geht so geschwindt zurück, alß vor sich. Baron Willig[5] war ein boßer kopff; ich bin froh, daß Ihr seiner quit seydt. Ihr thut woll, noch nicht viel zu schreiben, liebe Louisse! Ihr müst Ewer augen schonnen, sonst werden sie nicht geneßen. Ich habe 25 bogen ahn ma tante geschrieben; meine handt ist zu müde, umb Eüch mehr zu sagen [können], alß daß Ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. April 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 171–173
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0470.html
Änderungsstand:
Tintenfass