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Brief vom 22. November 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


500.


[213]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Ghör.

Versaille den 22 November 1710.
Hertzallerliebe Louise, gestern fuhr ich nach Paris, hatte mein sohn undt die großhertzogin zu gast gebetten, wolten abendts mitt einander ins opera. Wie ich ahnkam, bracht man mir ma tante paquet, welches ich woll mitt freüden entpfing, fundt Ewern lieben brieff drin, undt wie ich eben in dem leßen begrieffen war, rieff man mich, umb etwaß zu sehen, so ich hatte hollen laßen. Wie [214] ich geschwindt ins zweyte cabinet will gehen, bricht ein stück parquet. Ich weiß nicht, wie man daß auff Teütsch heist;[1] den ich habe mein tag kein parquet in Teütschlandt gesehen, sondern nur bretter undt diellen, weiß also dießes gar nicht in Teütsch zu nenen, sage drumb nur parquet. Ein stück davon brach mir undten[2] der hacken undt verthrehete mir den fuß, daß er mir gantz verstaugt wardt, undt that mir bitter [wehe]. Man hatt mich in einer offenen chaisse, wie den papst, ins opera getragen. Mein fuß hatt mir die gantze nacht bitter wehe gethan, kan nicht fest auff den fuß tretten, noch weniger gehen. Man sagt, ich werde woll ein woch 3 nicht auß der cammer gehen können. Aber hiemitt genung von dießer langweilligen sach! Ich komme auff Ewern lieben brieff vom 7 dießes monts. Monsieur Gargant seine beschreibung muß gut werden, den es wehrt lang. Hirauß secht Ihr woll, liebe Louise, daß ich nicht unrecht gehabt habe, Eüch vorzuwerffen, daß Ihr mir nicht geschrieben habt von Wolffenbüttel. Die simplesten relationen seindt die besten in meinem sin. Gargant machts, wie ich sehe, wie alle Frantzosen, so ihr interesse nie vergeßen;[3] den waß er trucken wirdt laßen, wirdt ihm woll waß einbringen, drumb hatt er es nicht schriefftlich geben. Es ist nöhtig, glück zu den hießigen bedinten zu wünsche. Zwey haben mich schon nach einander bedrogen undt auch zwey schatzmeister habe mich nach einander bestohlen, also habe ich woll ursach, mißtreüisch zu sein. Ich bemühe mich ordinarie nicht mitt rechnungen zu übersehen; dießes war nur, umb zu wißen, ob ich alles befohlen hatte außzugeben, so in der rechnung stundt, sonsten verstehe ich nichts in rechnungen. Es ist woll gewiß, daß gritliche sachen einem gridtlich machen. Waß einem aber auch meisterlich gridtlich macht, ist, wen man schreibt undt in allen linien interompirt wirdt, wie mir heütte geschicht; den der gantze hoff kompt zu mir wegen meines verstauchten fuß. Ich finde, daß ma tante woll thut, sich nicht mitt verdrießlichen sachen zu belästigen. Mein sohns leütte seindt mir nicht so favorabel, alß deß churfürsten schatzmeister ahn ma tante; den ich werde bitter übel bezahlt, man ist mir dort über hundert undt fünffizig taußendt frannken schuldig 2 mahl, undt 50 taußendt undt 2 hund[er]ttaußendt, [215] so mir der verstorbene schatzmeister schuldig ist, daß machen 7 mahl hunderttaußendt francken, so ich weniger habe alß ich haben solte, daß incommodirt doch. Es ist leicht zu errahten, wie ma tante ihr gelt verthut. I. L. seindt gar charitable, können niemandts leyden sehen, ohne beyzustehen; so geht daß gelt baldt fort. Ma tante thete nicht übel, Eüch die rechnung zu überlaßen, den Ihr verstehet es woll. Ich gönne ma tante undt Eüch die freüde recht woll, I. L. den cronprintz undt cronprintzes zu Hannover zu sehen. Hir frirt es noch nicht, sondern ist so warm, daß man schwitzen mögt. Die Pfaltz ist ein gelobt landt gegen andere länder zu rechnen, den alles ist ja gutt in unßerm lieben vatterlandt, lufft, waßer, wein, brodt, fleisch undt fisch. Wälder seindt nicht unahngenehm, aber heyden seindt langweillig, daß muß ich gestehen, aber offt in den strohütten leben die leütte mitt größern vergnügen, alß in schönne palästen undt auff dem thron. Ihr habt groß unrecht, liebe Louise, wen Ihr meint, daß Ewere brieffe mir zu lang wahren, contrarie, ich habe sie viel lieber lang, alß kurtz. Weillen {ich} glaube, daß Ihr vielleicht wegen meines verstauchenden fuß in {sorgen} sein möget, so will ich dießen brieff erst morgen zumachen, nun aber nur noch sagen, daß die gutte madame la princesse abermahlen eine neüe betrübtnuß hatt; ihr schwager, der fürst von Salm, ist gestorben. Ich habe erst vor 8 tagen die trawer abgelegt, da werde ich sie wider ahnnehmen. Gott bewahre, daß mir keine betrübtere kompt! Adieu biß morgen, liebe Louisse! Seydt versich[er]t, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. November 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 213–215
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0500.html
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Tintenfass