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Brief vom 27. Dezember 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


505.


[221]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 27 December 1710.
Hertzallerliebste Louise, vorgestern habe ich zwey schreiben auff einmahl von Eüch entpfangen, konte aber ohnmöglich selbigen tag andtwortten. Es war Christag, ich war morgendts zum h. abendtmahl gangen, habe also nachmittags wider in die kirch gemüst, die vesper hatt 2 gantzer stundt gewehrt, habe also hernach nur der zeit gehabt, ahn ma tante auß zu schreiben, undt mein brieff wurde ein wenig lang, habe es also biß auff die morgende post verschieben müßen, fange heütte ahn, werde aber auch nicht viel sagen können, den es ist schon spät, doch noch woll vor dem nachteßen auff eines von Ewern lieben brieffen andtwortten, morgen außschreiben. Ich weiß nicht, worumb man meine brieffe so auffhelt, daß alß zwey undt zwey auff einmahl kommen. Mein fuß ist noch nicht heyll, habe mühe, zu gehen, undt der fuß undt daß bein geschwellen mir noch alle abendt sehr undt im gelenck thut es mir noch recht wehe, aber ich glaube, daß es noch so wehren wirdt, so lang daß böße wetter bestandt wirdt haben; den es ist langer, alß acht tag, das es nichts thut, alß regnen, starcker windt undt nebel undt doch warm dabey. Daß wetter ist, glaube ich, nicht gesundt. Außer meinem fuß sonsten bin ich, gott lob, in frischer gesundtheit. Ihr habt recht, liebe Louisse, ein eingelegter boden [222] kan nichts anderst, alß ein parquet, sein, ich habe es nicht erdencken können.[1] Zu meiner zeit habe ich gar kein parquet zu Heydelberg gesehen, sondern lautter bretter. Reibt Ihr Ewere ohren nicht alle morgen mitt kalt waßer, liebe Louisse? Daß verhindert doch alle flüße, es seye auff den zehnen oder sonst im gesicht. Ich thue es noch schir alle tag undt befinde mich gar woll dabey, fange hinter den ohren ahn. Wen Ewer fluß vergangen wirdt sein, so versucht daß! Ich glaube, Ihr werdet Eüch woll dabey befinden. Ich höre gern, daß Ihr nicht mehr [an den augen] leydt, undt ich wünsche, daß Ewer ohrwehe nicht wider kommen mag, hoffe, daß es Eüch gutt vor den augen wirdt geweßen sein, liebe Louisse! Den ich habe gesehen, daß, wen leütte augenwehe haben, laßen sie die ohren durchstechen, umb ohrenwehe zu haben, welches daß augenwehe gantz herunderziehen solle. Gott seye danck, daß ma tante ihre reiße so glücklich undt woll volbracht hatt! Ich bin fro, daß ma tante bey Jochem Hinderich geßen undt keine kalte küche geßen; den daß ist nicht gesundt, gibt indigestion. Ich bin fro, daß mein alter gutter freündt noch so in gnaden ist. Hirmitt ist Ewer erstes liebes schreiben vollig beandtwort, liebe Louise! Ich wünsche Eüch eine gutte nach[t] undt gehe zum nachteßen.
Sontag abendts den 28 December umb 8 abendts.
Nun werde ich auff Ewer liebes schreiben vollig andtwordten. Es ist, so woll alß daß erste, auch vom 15 dießes monts. Es ist schon 5 gantzer wochen, daß ich mir den fuß verstaugt habe, undt thut mir noch so wehe, daß ich ohnmöglich wie ordinarie gehen kan. Es wirdt mir etlich mahl bang, daß ich gar lahm ahn den fuß bleiben werde. Ich glaube, daß, waß mein fuß verdorben, ist, daß ich etlich stundt habe sein müßen, ehe man mir waß drauff gelegt; den man konte meinen balbirer nicht finden, so außgangen war. Hir wen die leütte den fuß verstauchen, stelt man den fuß gleich in einen eymer mitt kalt waßer; daß wolte ich nicht thun, fürchtete, es mögte mich verkälten undt den durchlauff geben, welches mir gar beschwerlich würde geweßen sein, indem ich nicht zu Paris schlaffen konte, sondern wieder her muste. Weillen ich aber so lang habe wartten müßen, hatt mir der fuß geschwollen undt der [223] fluß ist drauff gefahlen, undt wie ich gar dick, schwer undt unbeholfen bin, … Der arme gutte ehrliche monsieur Polier[2] ist übel geweßen. Es war mir bang vor ihm, er hatt sich aber, gott lob, mitt seinem vin d’hemetique[3] salvirt. All eben woll so wirdt er just im zukünftigen Januari 91 jahr alt werden. Ich wolte gern, daß er noch biß auffs hunderte jahr kommen mögte. Ich kan nicht begreifen, wie ma tante gelitten, daß ihre damen ihre schuldigkeit nicht bey der s. konigin in Preüssen abgelegt. Ich bin woll so gutt, alß dieße damen, bin allemahl zu Fontainebleau früh auffgestanden, die königin in Engellandt ahn die kutsch zu begleytten. Ich kan leicht begreifen, warumb Ewere freüllen so meisterloß sein. Zu oncle s. zeitten muß daß ahngefangen haben, wie die greffin Platten noch freülen war, undt so lang solche ursachen susistiren, kan keine ortenung gebracht werden; den man darff andere leütte nicht boß machen. Ich glaube, wie unßer graff von Wittgenstein alß pflegt zu sagen, daß der haaß da im pfeffer ligt. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Dezember 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 221–223
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0505.html
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