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Versaille den 19 May 1712.
Hertzallerliebe Louisse, vorgestern habe ich [von] ma tante
zwey paquetten auff einmahl entpfangen undt dabey Ewere zwey
liebe schreiben vom 8 undt 9ten, aber ich glaube, Ihr müst Eüch
verschrieben haben undt daß Ewere brieff wie ma tante ihre
geschrieben worden, nehmblich den 6ten undt 9ten, den daß seindt
just montag undt freytag.
[1] Gott seye danck, daß ma tante natur
noch so starck, daß daß außgehen I. L. eher woll, alß übel,
bekommen! Vor rohtlauffen ist nichts beßer, alß schwitzen, den daß
macht alles außschlagen, undt dieße krankheitten seindt nur
gefahrlich, wen sie einschlagen, wovor gott der allmachtige ma tante,
unßere liebe churfürstin, gnädig bewahren undt behütten wolle!
Glaßer mitt eyß konte ich nicht drincken. Ich meinte, thé müste
warm getruncken werden; hir trinkt man es brenent, aber ich
nicht, den ich kan gar nichts, so warm ist, im magen leyden. Ich
habe es Eüch schon gesagt, liebe Louisse, pomes de Cina
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auff mein wordt nicht ungesundt, ich habe es selber brobirt. Wen
man gutt humors, daß ist ein gar gewiß zeichen, daß man nicht
leydt. In die kirch zu geben, war daß gefahrligst wegen der
feüchtigkeitten, so alß in den kirchen sein. Es schlegt 10, ich muß
wider willen enden undt nur noch sagen, daß ich Eüch ein
pitschirgen schicke, so gutt vor daß grieß ist; wen man schmertzen
in den lenden hatt, muß mans drauff binden. Adieu! Were ich
gestern nicht nach Paris, hettet Ihr einen langen brieff von mir
bekommen; ich kame aber zu spät wider, kan also vor dißmahl nur
sagen, daß ich Eüch von hertzen ambrassire undt recht lieb
behalte.