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Versaille den 8 Mertz 1715.
Hertzallerliebe Louise, ich weiß nicht, ob ich heütte entlich
einmahl auff Ewer liebes schreiben werde antwortten können, allein
ich will es versuchen; … hatte ich gehofft, ahnzufangen können,
allein wir kammen so spatt von der jagt, daß ich nichts anderst
thun konte, alß mitt
[1] von haubt zu füßen anderst ahnthun undt
zu nacht eßen; den ich hatte morgendts nur ein stück brodt undt
käß geßen undt hatte großen hunger. Daß hatt mich zu weit
geführt, habe nicht schreiben können. Ich weiß nicht, wie es kompt,
daß Ihr zwey meiner schreiben auff einmahl entpfanget. Ich schicke
sie doch ortendtlich, wen sie geschrieben sein, ahn monsieur
Martine. Ich kan nicht begreiffen, wo daß erste muß liegen blieben
sein, daß es erst mitt dem von 8 tagen hernach kommen ist. Die
flecken, so Ihr, liebe Louise, auff der brust gehabt, mögen woll von
der bößen lufft kommen, die Ihr bey Ewerer niepcen kinderblattern
gehabt habt; daß geschicht gar offt, wen man sich bey dergleichen
kranckheitten findt. Auff der printzes von Wallis billiet habe ich
letzte post geantwortet, wie Ihr sehen werdet. Ich bekomme dieße
liebe printzes je lenger, je lieber. Es ist war, daß sie nicht gar
eine corecte ortograffe hatt; aber waß sie sagt, ist mitt solcher
gütte, daß ich gantz charmirt davon bin. Die fraw von
Rotzenhaussen hatt mich mitt ihren brieffen ahn die schwere schrifft undt
boße ortograff so gewondt, daß mir keine schwere schrifft mehr
ohnmöglich zu leßen vorkompt. Ich gestehe, daß ich verstanden
hatte, daß mylord Stairs würde wider geruffen werden undt mylord
Finche ahn seinem platz kommen; muß übel geleßen haben.
Mylord Stairs hatt noch kein caractere ahngenohmen; man sagt hir
aber, er werde gar ambassadeur werden. Dießer mylord gefalt mir
woll; daß ist etwaß rares vor ein Engländer, den ordinarie gefallen
sie mir nicht. Man sicht, daß dießer, ob er zwar wenig spricht,
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doch viel verstandt hatt. Ich habe ihm gesagt, daß Ihr bey seiner
schwester in einer assamble geweßen seydt. Mein gott, liebe Louisse,
ich forchte, Ihr artzeneydt Eüch zu viel, daß benimbt daß leben; daß
habt Ihr zu Heydelberg nicht gelernt. Es ist gewiß, daß nichts
ungesunders in der welt ist, alß betrübt sein;
[3] den daß ist ein gifft, so kein
contrepoison hatt. Ich weiß nicht mehr, wie man contrepoison auff
Teütsch sagt. So ist die weldt, liebe Louise! ein jedes hatt seine
ursach, betrübt zu sein; aber bedrübt sein hilfft doch leyder zu
nichts; aber man kan nicht allein meister über seinem humor sein,
undt waß geschehen soll, geschicht. Ich wolte, daß Ihr schon wider
auß der boßen lufft von Londen undt in der gutten von Franckfort
wider wehret. Ich habe Eüch, wie Ihr sehet, recht prophezeyet,
wie es Eüch mitt Ewerem schwager gehen würde undt daß Ihr
beßer thun würdet, zu Franckfort zu bleiben. Ihr segt jetzt, daß
ich recht gehabt habe; den Ihr segt ja nun woll, daß Ihr Ewern
niepcen nicht habt dinnen können; den man hatte mir Ewers
schwagers humor gar zu woll beschrieben gehabt, umb nicht zu rahten,
wie Ewere reiße ablauffen wirdt. Wen ich Eüch meine meinung
sagen solte, so wolte ich Eüch nicht rahten, Ewere jüngste niepce
nach Teütschlandt zu führen, Ihr hettet den gleich einen heüraht
fertig; den glaubt mir, liebe Louisse! ein jung artig mensch in
itzigen zeitten ist eine gar zu schwere last undt man erlebt hundert
hertzenleydt dran, die nicht zu erdencken sein. Ich glaube undt
zweyffle nicht, daß Ewer niepcen woll gebohren sein undt große
tugendten haben; aber, liebe Louisse, die welt ist jetzunder so
schlim undt corompirt, daß die, so nichts deügen, den grosten fleiß
ahnwenden, junge tugendtsame gemühter zu verderben. Lest mans
gehen, hatt man schande davon; will mans wehren, machte man
sich hundert feinde, so einem allerhandt leydt ahnthun. Ewer
compliment, so Ihr mir macht, von Ewern niepcen gesprochen zu haben,
ist gantz ungereimbt; den wer ist Eüch naher, alß ich, umb part zu
nehmen in alles, waß Eüch ahngeht? Also hettet Ihr woll Ewer
compliment sparen können. Es ist ein großer unterschiedt zwischen
mademoiselle de Malauze undt mademoiselle de Roussi;
[4] die erste
ist allezeit tugendtsam undt gutt geweßen, die ander aber coquet
undt ein böß maul, thut also woll, Eüch in dießen handtlen nicht
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zu mischen. Ich darff nicht alles sagen, waß ich vom könig Jörgen
dencke. Aber da schlegt es 10, ich muß wider willen schließen.
Freytag den 8 Mertz, umb halb 12 abendts.
In dießem augenblick kommen wir auß deß königs cabinet
nach dem eßen. Ich kan mich nicht resolviren, zu bett zu gehen,
biß ich erst gantz auff Ewer liebes schreiben werde geandtwortet
haben. Wie ist es möglich, das ein mensch von condition sich
resolviren kan, ein caplan zu heürahten? Ich nehme eher den
schlegten
[5] mousquetirer, alß einen so schwartz gekleytten menschen; seinen
man predigen zu hören, were auch mein sach nicht. Die historie
ist doch possirlich. Ich habe kein wordt ahn mylord Stairs hirvon
gesagt. Es ist eine dolle sach, wen ein weibsmensch sich im kopff
steckt, daß sie einen man haben muß. Lahm ein
[6] einer handt zu
[sein], ist ein unglück, aber einen man zu haben, ist woll ein
zweyttes. So baldt ich wider zu Marly sein werde, will ich daß
kupfferstück von Londen besehen undt Ewere gaß suchen, den mein
bücher von Engellandt sein dort. Meine gesundtheit ist, gott lob,
woll gutt, aber die knie werden alle tag schlimmer, mogte woll
einmahl gantz lahm werden. Man muß sich woll in gottes willen
geben. Daß hertz ist gesundt. Ich schicke Eüch hirbey, wie man
die entrée von persianischen abgesanten
[7] au pont neuff verkaufft;
daß gesicht gleicht nicht gar übel. Dancke Eüch schließlich sehr
vor Ewere gutte wünsche undt wünsche alles, waß Ihr Eüch selber
wünscht. Gutte nacht, schlafft woll, hertzliebe Louisse! Seydt
versichert, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalten
werde!