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Brief vom 8. März 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


690.


[525]
Versaille den 8 Mertz 1715.
Hertzallerliebe Louise, ich weiß nicht, ob ich heütte entlich einmahl auff Ewer liebes schreiben werde antwortten können, allein ich will es versuchen; … hatte ich gehofft, ahnzufangen können, allein wir kammen so spatt von der jagt, daß ich nichts anderst thun konte, alß mitt[1] von haubt zu füßen anderst ahnthun undt zu nacht eßen; den ich hatte morgendts nur ein stück brodt undt käß geßen undt hatte großen hunger. Daß hatt mich zu weit geführt, habe nicht schreiben können. Ich weiß nicht, wie es kompt, daß Ihr zwey meiner schreiben auff einmahl entpfanget. Ich schicke sie doch ortendtlich, wen sie geschrieben sein, ahn monsieur Martine. Ich kan nicht begreiffen, wo daß erste muß liegen blieben sein, daß es erst mitt dem von 8 tagen hernach kommen ist. Die flecken, so Ihr, liebe Louise, auff der brust gehabt, mögen woll von der bößen lufft kommen, die Ihr bey Ewerer niepcen kinderblattern gehabt habt; daß geschicht gar offt, wen man sich bey dergleichen kranckheitten findt. Auff der printzes von Wallis billiet habe ich letzte post geantwortet, wie Ihr sehen werdet. Ich bekomme dieße liebe printzes je lenger, je lieber. Es ist war, daß sie nicht gar eine corecte ortograffe hatt; aber waß sie sagt, ist mitt solcher gütte, daß ich gantz charmirt davon bin. Die fraw von Rotzenhaussen hatt mich mitt ihren brieffen ahn die schwere schrifft undt boße ortograff so gewondt, daß mir keine schwere schrifft mehr ohnmöglich zu leßen vorkompt. Ich gestehe, daß ich verstanden hatte, daß mylord Stairs würde wider geruffen werden undt mylord Finche ahn seinem platz kommen; muß übel geleßen haben. Mylord Stairs hatt noch kein caractere ahngenohmen; man sagt hir aber, er werde gar ambassadeur werden. Dießer mylord gefalt mir woll; daß ist etwaß rares vor ein Engländer, den ordinarie gefallen sie mir nicht. Man sicht, daß dießer, ob er zwar wenig spricht,[2] [526] doch viel verstandt hatt. Ich habe ihm gesagt, daß Ihr bey seiner schwester in einer assamble geweßen seydt. Mein gott, liebe Louisse, ich forchte, Ihr artzeneydt Eüch zu viel, daß benimbt daß leben; daß habt Ihr zu Heydelberg nicht gelernt. Es ist gewiß, daß nichts ungesunders in der welt ist, alß betrübt sein;[3] den daß ist ein gifft, so kein contrepoison hatt. Ich weiß nicht mehr, wie man contrepoison auff Teütsch sagt. So ist die weldt, liebe Louise! ein jedes hatt seine ursach, betrübt zu sein; aber bedrübt sein hilfft doch leyder zu nichts; aber man kan nicht allein meister über seinem humor sein, undt waß geschehen soll, geschicht. Ich wolte, daß Ihr schon wider auß der boßen lufft von Londen undt in der gutten von Franckfort wider wehret. Ich habe Eüch, wie Ihr sehet, recht prophezeyet, wie es Eüch mitt Ewerem schwager gehen würde undt daß Ihr beßer thun würdet, zu Franckfort zu bleiben. Ihr segt jetzt, daß ich recht gehabt habe; den Ihr segt ja nun woll, daß Ihr Ewern niepcen nicht habt dinnen können; den man hatte mir Ewers schwagers humor gar zu woll beschrieben gehabt, umb nicht zu rahten, wie Ewere reiße ablauffen wirdt. Wen ich Eüch meine meinung sagen solte, so wolte ich Eüch nicht rahten, Ewere jüngste niepce nach Teütschlandt zu führen, Ihr hettet den gleich einen heüraht fertig; den glaubt mir, liebe Louisse! ein jung artig mensch in itzigen zeitten ist eine gar zu schwere last undt man erlebt hundert hertzenleydt dran, die nicht zu erdencken sein. Ich glaube undt zweyffle nicht, daß Ewer niepcen woll gebohren sein undt große tugendten haben; aber, liebe Louisse, die welt ist jetzunder so schlim undt corompirt, daß die, so nichts deügen, den grosten fleiß ahnwenden, junge tugendtsame gemühter zu verderben. Lest mans gehen, hatt man schande davon; will mans wehren, machte man sich hundert feinde, so einem allerhandt leydt ahnthun. Ewer compliment, so Ihr mir macht, von Ewern niepcen gesprochen zu haben, ist gantz ungereimbt; den wer ist Eüch naher, alß ich, umb part zu nehmen in alles, waß Eüch ahngeht? Also hettet Ihr woll Ewer compliment sparen können. Es ist ein großer unterschiedt zwischen mademoiselle de Malauze undt mademoiselle de Roussi; [4] die erste ist allezeit tugendtsam undt gutt geweßen, die ander aber coquet undt ein böß maul, thut also woll, Eüch in dießen handtlen nicht [527] zu mischen. Ich darff nicht alles sagen, waß ich vom könig Jörgen dencke. Aber da schlegt es 10, ich muß wider willen schließen.
Freytag den 8 Mertz, umb halb 12 abendts.
In dießem augenblick kommen wir auß deß königs cabinet nach dem eßen. Ich kan mich nicht resolviren, zu bett zu gehen, biß ich erst gantz auff Ewer liebes schreiben werde geandtwortet haben. Wie ist es möglich, das ein mensch von condition sich resolviren kan, ein caplan zu heürahten? Ich nehme eher den schlegten[5] mousquetirer, alß einen so schwartz gekleytten menschen; seinen man predigen zu hören, were auch mein sach nicht. Die historie ist doch possirlich. Ich habe kein wordt ahn mylord Stairs hirvon gesagt. Es ist eine dolle sach, wen ein weibsmensch sich im kopff steckt, daß sie einen man haben muß. Lahm ein[6] einer handt zu [sein], ist ein unglück, aber einen man zu haben, ist woll ein zweyttes. So baldt ich wider zu Marly sein werde, will ich daß kupfferstück von Londen besehen undt Ewere gaß suchen, den mein bücher von Engellandt sein dort. Meine gesundtheit ist, gott lob, woll gutt, aber die knie werden alle tag schlimmer, mogte woll einmahl gantz lahm werden. Man muß sich woll in gottes willen geben. Daß hertz ist gesundt. Ich schicke Eüch hirbey, wie man die entrée von persianischen abgesanten[7] au pont neuff verkaufft; daß gesicht gleicht nicht gar übel. Dancke Eüch schließlich sehr vor Ewere gutte wünsche undt wünsche alles, waß Ihr Eüch selber wünscht. Gutte nacht, schlafft woll, hertzliebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalten werde!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. März 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 525–527
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0690.html
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