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Brief vom 12. März 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


691.


[527]
Versaille den 12 Mertz 1715.
Hertzallerliebe Louise, vorgestern bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 21 Februari / 4 Mertz erfrewet worden. Aber wie ich darauß sehe, so schlegt Eüch leyder die londische lufft gar übel [528] zu, weillen Ihr wider kranck geweßen. Die nierenschmertzen mogen woll von ein wenig sandt kommen. Wen ich es habe, macht man mich aber leinsamen drincken etlich tage. Man knüpfft dießen samen, ein ducatten schwer, in ein tuch undt lest es 24 stunden in waßer hencken, darnach zieht man es herauß undt man drinckt daß waßer, es seye ahn taffel unter den wein, oder wie man will; es lindert gar gewiß die schmertzen undt macht pißen. Vor die miltzschmertzen ist nichts zu brauchen, alß lufft undt bewegung undt suchen, distractionen zu finden, die trawerige gedancken auffzuhalten; den gantz verjagen kan man nicht. Mich deücht, daß verkälten keine schmertzen weder in der miltz, noch in den lenden geben kan, aber woll husten undt schnupen. Thut Ihr, liebe Louise, keine wattene scharpe ahn? Ohne die gehe ich nie in kirch in dießer jahrszeit; den nichts ist mehr capabel, husten, schnupen, flüße undt rhumatisme zu geben, alß die feüchtigkeitten, so man in den kirchen spürt. Dieße kält[e] dringt mehr durch, alß der frost, wen man in örter geht, wens kalt ist. Wo man gar heiß bekompt undt schwitzt, solte[t] Ihr Ewern leütten befehlen, Eüch eine scharpe fertig zu halten, umb gleich ahnzuthun, wen man auß den warmen cammern geht; den daß gibt nicht allein husten undt schnupen, sondern auch gar seyttenstechen undt pleuresien. A propo von dießer kranckheit; der cardinal von Bouillon ist vergangene woche zu Rom dran gestorben; ist woll gar kein schadt; den er war falsch, wie der teüffel, undt recht boßhafft, auch abscheülich desbeauchirt mitt buben, war hoffartig, mitt Einem wordt, nichts nutz, daß ist die beste leichtpredig, so er wehrt ist.[1] Ich komme aber wider auff Ewer schreiben, wovon mich dießer cardinal abgehalten. Ich bin [529] fro, daß Ihr ursach habt, content zu sein von den königlichen personnen. Aber da kommen greüliche interuptionen. Der ambassadeur von Sicillen ist nicht so baldt weg geweßen, so ist der printz von Darmstat kommen, nach dießem baron Spar,[2] mylord Stairs, monsieur Benigsen, so morgen wider nach Engellandt geht. Ihr[3] wirdt Eüch ein gruß von mir bringen undt alles von hir verzehlen können. Alle menschen wißen, war[4] vor einen incompatiblen humor Ewer schwager hatt; aber man solte sich nicht drumb quellen. Es ist aber schwer, nicht böß zu werden, wen die, womitt man umbzugehen hatt, gar nicht raisonabel sein. Eben deßwegen hatt ich Eüch so sehr gerahten, nicht nach Engellandt zu reißen. Ich finde nicht genung, daß Ewer schwager nur nach Eüch fragen lest; er konte woll die mühe nehmen, Eüch selber zu besuchen. Es ist doch viel von ihm, der, wie man sagt, karg genung ist, daß er Eüch von seinem Rheinwein schickt. Wen nur die partien nicht drauff folgen undt er Eüchs nicht bezahlen macht! Man ruft mich, umb in kirch zu gehen, muß eine pausse machen. Gott gebe, daß ich dießen nachmittag ruhiger schreiben mag, alß ich dießen morgen gethan! In ein par stunden werden wir es sehen.
Dinstag, den 12 Mertz, umb 3 uhr nachmittags.
Es ist eine gutte stundt, liebe Louise, daß ich von taffel bin; aber wie der diable au contretemps heütte in seiner rasserey ist, so hatt [er] erstlich einen schreiner hergeführt, mitt welchem ich in ein klein cabinet gemüst, umb die maß von einem bücherschranck zu nehmen; darnach hatt einer von meinen aumonier de quartier audientz gefordert undt hatt mich eine gutte halbe stundt auffgehalten. Hernach habe ich mir einen sack, worinen ich viel locher gefunden, zunehen laßen, umb mein sackzeüg nicht zu verliehren; den ich habe allezeit viel sachen im sack. So ist die stundt unvermerckter weiß fortgeschlichen. Ich habe auch eine bottschafft von monsieur le Dauphin bekommen, der ladt mich zu seinen marionetten ein, so umb 5 uhr spillen sollen. Daß habe ich nicht abschlagen dorffen, hoffe doch, noch biß dahin dießen brieff vollig zu beantworten können. Wen es so fortfahrt, wie es nun geht, so werde ich gewiß dießen brieff vor den marionetten nicht fertig [530] kriegen. Alleweill habe ich einen brieff ahn mein dochter schreiben müßen durch einen graveur, der sie, ihren herrn undt gantze famille gern in waxs possiren wolte, habe deßwegen schreiben müßen. Ich komme jetzt auff waß Ihr mir wegen Ewers[5] niepce undt vettern von Degenfelt meldet, muß aber noch vorher sagen, daß Ewer vertrawen, liebe Louisse, mir recht daß hertz gerührt hatt, undt, wens möglich sein könte, Eüch lieber zu haben, so würde diß vertrawen zu mir dießes zu wegen gebracht haben. Ich finde den heüraht, den Ihr gern sehen wolt, sortable genung, wen nur der freyer reich genung ist, daß sie gemachlich nach ihrem standt werden leben können; den, wie unßere liebe s. churfürstin alß pflegt zu sagen: Liefften ist liefften, maer kacken gaet vor all.[6] Den solten durch dießen heüraht die zwey junge leütte, so einander lieben, content sein, der karche vatter aber würde sich über Eüch zu beschweren haben, alß wen Ihr Ewere leibliche niepce Ewern vettern sacrifirt hettet. Hatt er aber mittel genung, nach seinem standt zu leben, so ist nichts dargegen zu sagen. Daß ist meine meinung, liebe Louisse! Den die liebe vergeht mitt der zeit, undt wen es hernach schmahle bißger gibt undt viel kinder kommen, die nicht nach ihrem standt können erzogen werden, wirdt man denen bitter feindt, so den heüraht gemacht haben, undt ahnstadt freünde bekompt man ertzfeinde. Ich habe dergleichen exempel mehr gesehen, liebe Louisse! drumb warne Eüch darvor. Es ist schadt, wen reichtumb sich nicht bey tugendt findt. Der cavalier ist der damen oncle a la mode de Bretagne.[7] Alle karge leütte wollen ihre dochter nie verheürahten auß forcht, ein heürahtsgutt zu geben müßen; fürchte, daß Ihr große mühe mitt Ewerem schwager haben werdet, ehe er sich wirdt resolviren können, zu geben, damitt sie woll zu leben haben mögte. Ich versichere undt gebe Eüch meine parolle, daß ich ahn keinen seelen-menschen davon reden werde, weder Teütsche noch Frantzosen; Ewern brieff werde ich auch gleich verbrenen. Wie ich von den Engländern habe reden horen, so ist ihr adel ebenso doll, alß hir; daß kan ich nicht [531] gewohnen. Hatt Ewer schwager ein fehler in seinem hauß, so muß es von der englischen seytten her sein, den von der teütschen seytten seindt sie gutt. Der wunderliche humor von Ewerem schwager mag auch woll von der englischen großmutter kommen. Dem seye, wie ihm wolle, so wünsche ich, daß alles zu Ewerm vergnügen außschlagen möge. Mylord Pettersbouroug[8] pretendirt, noch capitaine des gardes vom könig in Engellandt zu sein. Er könte sich unterschreiben alß wie die nonen hir, die alß nach ihrem nahmen setzen: Religieusse indigne; also könte mylord Petterbouroug woll unterschreiben: Capitaine des gardes indigne. Aber es schlegt 5, ich muß zu monsieur le Dauphin.
Dinstag umb ein viertel auff 7 abendts.
In dießem augenblick komme ich von den marionetten, will noch auff etwaß von Ewern ersten schreiben antworten von 11/31 Mertz, von waß wir heütte noch nicht gesprochen haben. Ich kan Eüch … Ich bin wider auffs neü interompirt worden, man hatt mir eine boße zeittung gesagt; ein gar ehrlicher man ist gestorben, er war aber 89 jahr alt. Darnach habe ich etwaß suchen müßen, daß hatt mich 3 viertel [st]undt verliehren machen, kan also ohnmoglich heütt meine intention fortführen, noch waß auff Ewere überige brieffe zu sagen; den ich muß gleich ahn mein dochter schreiben, den die englische posttagen seindt eben dießelben von Lothringen, ich habe auch noch den sontag vor Lotteringen. Adieu, hertzallerliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch undt behalte Eüch all mein leben von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. März 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 527–531
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0691.html
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