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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Londre.
Versaille den 30 April, umb 9 abendts, 1715.
Hertzallerliebe Louise, ich dachte, Eüch vergangen freytag zu
schreiben, allein unßere jagt dauerte von 12 biß umb 6 abendts,
kam erst umb 7 wider hir ahn, muste mich von haubt zu füßen
anderst ahnthun undt [eßen], den ich hatte seyder 24 stunden nur
ein butteram
[1] geßen; es bliebe mir nur ein stündtgen überig, so
ich employirte, umb ahn mein dochter zu schreiben. Der tag von
der jagt war geendert, den der könig hatte den donnerstag, so wir
hetten jagen sollen, medecin genohmen. Gestern haben wir die letzte
jagt [gehabt]; seyder dem ist mir ein abscheüllicher husten ahnkomen,
auch so, daß ich förchte, daß ich morgen nicht mitt nach Marly
werde können. So baldt ich wider ein wenig beßer sein werde,
werde ich folgen. Daß gantze hauß ist schir kranck, auß[er] mein
sohn; seine gemahlin hatt daß fieber alle tag, seine dochter, die
duchesse de Bery, hatt grimmen undt durchlauff undt ich, wie schon
gesagt, hab einen gar verfluchten husten. Heütte habe ich Eüch
schreiben wollen, allein den gantzen morgen habe ich alle
ambassadeurs undt envoyes gehabt, wie auch den churprintz von
Saxsen. Dem habe ich vorgetragen, ob er auff die artig printzes
von Engellandt wartten wolle; so hatt er mir geantwort, er hoffe,
ihr baldt selber seine andtwort in Engellandt zu bringen. Ich wolte
gern weytter fortblauttern, allein es ist mir ohnmöglich; den ich
habe da mein sohn, mylord Stairs undt etlich damen undt leütte
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von hoff, daran habe ich braff kopffwehe, kan also ohnmoglich auff
Ewere liebe schreiben andtwortten. Es verdriest mich recht, aber
es kan vor dießmahl leyder nicht anderst sein. Biß freytag, wo
mir gott daß leben lest, hoffe ich mehr zeit zu haben, mehr zu
sagen, alß daß ich, in welchem standt ich auch sein mag, Eüch biß
ahn mein endt von hertzen lieb behalte.