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Marly den 2 Julli 1715.
Hertzallerliebe Louisse, ich habe so viel zu sagen, daß ich
nicht mehr weiß, womitt ich ahnfangen solle. Ich will aber bey
ma tante s. ring
[1] ahnfangen, weillen mir mein hertz so schwer
drüber war, daß ich den gantzen morgen geflent; war mir bang,
ich würde nicht fest halten können; aber daß ist mir doch nicht
widerfahren; ich habe, gott lob, nicht geweint, aber innerlich habe
ich es so entpfunden, daß es mich so abscheülich hatt schwitzen
machen, daß, wie mylord Stairs weg, habe ich mich von kopff biß zu
füßen endern undt anderst ahnthun müßen; daß hertz ist mir noch
schwer drüber. Dießen ring werde ich all mein leben behalten; er
ist mir so gerecht, alß wen er vor mich gemacht were worden,
habe also nichts dran zu endern. Daß bückßgen, worinen man mirs
geschickt, ist eben daßelbige, worinen ich einmahl ein ringelgen
ahn unßere liebe churfürstin s. geschickt hatte; daß wirdt mir nie
auß den sack kommen. Aber hiemitt genung von dießer trawerigen
materie. Wie ich von Versaille kam, fandt ich die fraw von
Ratzamshaussen hir undt erfuhr, daß die duchesse de Berry, mein enckel,
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vor ein klein halßwehe. so der staub ihr den vorigen tag auff der
jagt verursacht, hatt sich 3 oncen, daß macht zwey pfundt, bludt
zur ader gelaßen. Ich glaub, daß mensch wirdt sich noch endtlich
mitt ihren aderlaßen undt remedien umbs leben bringen. Ah, ich
habe Eüch vergeßen zu sagen, daß mir die printzes von Wallis
hatt mir eine überauß schönne goltene medaille geschickt, aber
auff ein gar trawerig sujet, nehmblich unßer lieben tanten leyder
geschwinden todt. Im rever
[2] ist der ort im gartten zu
Herrnhaussen, wo I. L. gestorben sein; es ist mir durchs hertz gangen,
wie ich es gesehen undt betracht habe, wie Ihr leicht erachten
könt, liebe Louisse! Es ist aber einmahl zeit, daß ich auff Ewere
liebe schreiben komme; will bey dem frischten ahnfangen, so vom
13/24 Juni, no 15, ist. So offt es mir möglich, schreibe ich Eüch,
liebe Louisse! Aber da schlegt es 12, ich muß in kirch, also eine
pausse machen.
In dießem augenblick komme ich wider auß der kirch, liebe
Louise, undt weillen ich noch ein halb stündtgen in mein cabinet
zu sein habe, so will ich es ahnwenden, umb auffs wenigst noch
dießen bogen außzuschreiben; aber da sehe ich mein eßen
vorbeytragen, muß also noch eine pausse machen biß nach dem eßen.
Dinstag, den 2 Julli, umb 4 nachmittags.
Gott weiß, ob ich heütte dießen brieff werde außschreiben
können. Ich hatte gehofft, gleich nach dem eßen, nehmblich um 2;
allein gleich nach dem eßen ist ein kauffman kommen, dem ich
schultig bin, mitt dem habe ich abrechnen müßen. Daß hatt biß
auff 3 viertel auff 3 gewehrt; da ist die junge printzes de Conti
zu mir kommen, die ist eine gutte stundt bey mir geblieben, drumb
habe ich nicht eher, alß nun, zum schreiben gelangen können. Gott
weiß, wie lang man mich nun wirdt in ruhen schreiben laßen. Ob ich
zwar nicht so ordendtlich andtworte, alß ich es gern wünschen
mögte, so last es Eüch doch nicht verhindern, liebe Louise, mir
fleißig zu schreiben! den Ewere liebe brieff seindt mir ein rechter
trost. Aber, liebe Louise, Ihr hettet der printzes von Wallis nicht
sagen [sollen], daß ich ihr gern waß schicken wolte; den es
woll sicher war, daß I. L. nicht anderst würden andtwortten, alß
sie gethan. Ihr hettet nur durch umbschweiff erkundigen sollen,
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waß ihr von frantzoschen sachen gefehlt undt ahnstehet, undt mir
es hernach berichten, so were die sach woll ahngangen; aber nun
weiß ich ebensowenig, alß vorhin. Die goltene medaille ist magnifiq
undt schön undt woll geprägt; aber sie macht einen gantz
schaudern, wen man den ort vom gartten von Herrnhaußen sicht, wie
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unßere liebe churfürstin leyder ihr edles leben geendet hatt.
[4] Die
printzes von Wallis hatt groß recht, zu sagen, daß, ob mich der
ring zwar recht touchirt hatt, daß ich ihn doch gern habe. Ich
dencke wie Ihr, liebe Louisse, daß es nicht möglich sein kan, daß
Eüch printzes Caroline hatt kenen können: jedoch seindt offt
kinder, die ein unbeschreiblich gedächtnuß haben. Mein sohn hatt
mir versprochen, mir noch mehr medaillen zu schaffen. Die
hertzogin von Hannover hatt mir auch 5 geschickt; es war aber nur
eins dabey, so ich nicht habe, die andere 4 wahren auch unter den
17, so mir mein sohn geben hatte. Da bin ich woll gutt vor, daß
Ihr Eüch eine rechte freüde machen würdt, viel zu geben; es ist
auch keine großere lust, alß seine gutte freünde mitt etwaß zu
erfrewen. Ich bin versichert, daß Ewer niepce gern wirdt bey Eüch
geßen haben. Ihr hettet nur die liste von Marly in mademoiselle
de Malause hauß laßen können. Ich schicke Eüch keine, weillen
Ihr die leütte nicht kendt, so hir sein, aber sie kent sie fast alle.
Ewere elste niepce hatt nun genung mitt ihrem man zu thun undt
Ihr werdet desto getröster wider nach hauß können, liebe Louisse!
Ich wünsche von hertzen, daß die zweytte auch baldt nach Ewerm
sin möge verheüraht werden undt Ihr also alle zwey sa[c]hen gantz
mögt außrichten, so Eüch nach Engellandt geführt haben. Der
donner hatt mich heütte morgen umb 4 auffgeweckt, jetzt schlafferts
mich recht, drumb habe ich zuletzt deß bogens so übel geschrieben.
Vergeht dem herr von Degenfelt die lieb, daß er so auß Engellandt
wegeylt? Ma tante s. hatt mir offt vom freüllen von Dieffenbrück
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gesprochen undt sie gelobt. Der monsieur Pallant
[6] wirdt gewiß
gar betrübt sein, sie verlohren zu haben. Im kindtbett ist ja nichts
zu brauchen. Hir seindt noch viel damen, so demandten creütz
tragen
[7], vielleicht auß Ewerer ursach; den sie seindt mager. Ich
finde es ein groß glück, wen man mager sein kan; fette leütte, wie
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ich bin, seindt in allem gar unbeholfen undt nicht gesunder, alß
magere. Mylord Stairs sagte mir letztmahl, daß die sachen in
Engellandt nun ruhig wehren undt daß alles nicht so übel gehe,
alß es die gassetten sagen. Ich darff nicht sagen, waß ich hirauff
gedencke. Ich wolte, daß der könig in Engellandt teütscher keyßer
were undt der junge könig in Engellandt in seine 3 königreiche,
undt die printzes von Wallis mögte ich romische königin wißen, so
were alles nach meinem sin.
[8] Hirmitt ist Ewer letztes liebes
schreiben vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß vom 20/9 Juni.
Ich kan leicht begreiffen, wie man gern auß Londen auff daß landt
geht, da die lufft so schlim zu Londen ist. Die lufft von Paris steht
mir auch gar nicht ahn.
[9] Ich glaube, daß es Ewerer jüngster
niepcen ungewohnt thun muß, nicht mehr bey ihrer schwester undt
allein bey ihrem herrn vatter zu sein. Letztmahl habe ich Eüch
schon gebetten, dem duc de Schomburg vor sein compliment zu
dancken; derowegen sage ich heütte nichts weytters drauff. Ich
muß mich eyllen, es wirdt spät undt ich muß noch 3 brieff vorm
nachteßen schreiben. Der duc de Schomburg undt ich, fürchte ich,
werden einander nicht eher, alß im thal Josaphat, zu sehen
bekommen;
[10] den wir seindt ja alle beyde die jüngsten nicht mehr. Ich
bin abscheüllich veralt seyder 2 oder … jahren; ich sehe es selber,
also müßen [es] andere auch woll sehen. Aber waß will man thun,
liebe Louisse? Jedes muß seine zeit erfüllen. Ich bin fro, daß
Ewer schwager so gutt
[11] humor ist. Gott erhalte ihn dabey zu
aller seiner verwanten vergnügen undt seiner eygenen gesundtheit!
den nichts ist gesundter, alß der gutte humor. Es muß ihn doch
freüen, seine älste dochter so vergnügt zu sehen; daß solte ihn
encouragiren, der jüngsten undt Eüch auch so viel vergnügen zu
schaffen. Ahn der Engellander maniren kan ich mich nicht
gewohnen. Ein geschlegt von den königen von Ciperen ist weit gezogen.
Mich deücht, daß hauß d’Anjou hatt lang in Sicillien regirt. Ich
weiß nicht, ob Ewer neüer neveu davon ist; wo daß ist, so ist er
vom hauß Franckreich. Wen die Engellander daß Frantzosch nicht
recht können, sprechen sie gar possirlich. Ich weiß nicht, ob daß
Englisch, übel gesprochen, so doll lautt. Wie ich sehe, so ist der
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sambstag der tag, da Ihr alß nach hoff geht. Mich wundert, daß
man die gräffin von Bückeburg bey der princes von Wallis lest.
Vergangenen sambstag habe ich zu Versaillen deß konigs in Preussen
kupfferstück in mein buch gethan; ich finde, daß er ahn oncle s.,
dem churfürsten von Braunsweig, gleicht. Ihr werdet auß meinen
andtwortten ersehen haben, daß ich alle Ewere liebe schreiben woll
entpfangen habe. Da schlegt es ein viertel auff 8, muß vor
dießmahl dieße lange epistel enden undt nur sagen, daß ich Eüch von
hertzen lieb behalte.