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Brief vom 2. Juli 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


714.


[581]
Marly den 2 Julli 1715.
Hertzallerliebe Louisse, ich habe so viel zu sagen, daß ich nicht mehr weiß, womitt ich ahnfangen solle. Ich will aber bey ma tante s. ring[1] ahnfangen, weillen mir mein hertz so schwer drüber war, daß ich den gantzen morgen geflent; war mir bang, ich würde nicht fest halten können; aber daß ist mir doch nicht widerfahren; ich habe, gott lob, nicht geweint, aber innerlich habe ich es so entpfunden, daß es mich so abscheülich hatt schwitzen machen, daß, wie mylord Stairs weg, habe ich mich von kopff biß zu füßen endern undt anderst ahnthun müßen; daß hertz ist mir noch schwer drüber. Dießen ring werde ich all mein leben behalten; er ist mir so gerecht, alß wen er vor mich gemacht were worden, habe also nichts dran zu endern. Daß bückßgen, worinen man mirs geschickt, ist eben daßelbige, worinen ich einmahl ein ringelgen ahn unßere liebe churfürstin s. geschickt hatte; daß wirdt mir nie auß den sack kommen. Aber hiemitt genung von dießer trawerigen materie. Wie ich von Versaille kam, fandt ich die fraw von Ratzamshaussen hir undt erfuhr, daß die duchesse de Berry, mein enckel, [582] vor ein klein halßwehe. so der staub ihr den vorigen tag auff der jagt verursacht, hatt sich 3 oncen, daß macht zwey pfundt, bludt zur ader gelaßen. Ich glaub, daß mensch wirdt sich noch endtlich mitt ihren aderlaßen undt remedien umbs leben bringen. Ah, ich habe Eüch vergeßen zu sagen, daß mir die printzes von Wallis hatt mir eine überauß schönne goltene medaille geschickt, aber auff ein gar trawerig sujet, nehmblich unßer lieben tanten leyder geschwinden todt. Im rever[2] ist der ort im gartten zu Herrnhaussen, wo I. L. gestorben sein; es ist mir durchs hertz gangen, wie ich es gesehen undt betracht habe, wie Ihr leicht erachten könt, liebe Louisse! Es ist aber einmahl zeit, daß ich auff Ewere liebe schreiben komme; will bey dem frischten ahnfangen, so vom 13/24 Juni, no 15, ist. So offt es mir möglich, schreibe ich Eüch, liebe Louisse! Aber da schlegt es 12, ich muß in kirch, also eine pausse machen.
In dießem augenblick komme ich wider auß der kirch, liebe Louise, undt weillen ich noch ein halb stündtgen in mein cabinet zu sein habe, so will ich es ahnwenden, umb auffs wenigst noch dießen bogen außzuschreiben; aber da sehe ich mein eßen vorbeytragen, muß also noch eine pausse machen biß nach dem eßen.
Dinstag, den 2 Julli, umb 4 nachmittags.
Gott weiß, ob ich heütte dießen brieff werde außschreiben können. Ich hatte gehofft, gleich nach dem eßen, nehmblich um 2; allein gleich nach dem eßen ist ein kauffman kommen, dem ich schultig bin, mitt dem habe ich abrechnen müßen. Daß hatt biß auff 3 viertel auff 3 gewehrt; da ist die junge printzes de Conti zu mir kommen, die ist eine gutte stundt bey mir geblieben, drumb habe ich nicht eher, alß nun, zum schreiben gelangen können. Gott weiß, wie lang man mich nun wirdt in ruhen schreiben laßen. Ob ich zwar nicht so ordendtlich andtworte, alß ich es gern wünschen mögte, so last es Eüch doch nicht verhindern, liebe Louise, mir fleißig zu schreiben! den Ewere liebe brieff seindt mir ein rechter trost. Aber, liebe Louise, Ihr hettet der printzes von Wallis nicht sagen [sollen], daß ich ihr gern waß schicken wolte; den es woll sicher war, daß I. L. nicht anderst würden andtwortten, alß sie gethan. Ihr hettet nur durch umbschweiff erkundigen sollen, [583] waß ihr von frantzoschen sachen gefehlt undt ahnstehet, undt mir es hernach berichten, so were die sach woll ahngangen; aber nun weiß ich ebensowenig, alß vorhin. Die goltene medaille ist magnifiq undt schön undt woll geprägt; aber sie macht einen gantz schaudern, wen man den ort vom gartten von Herrnhaußen sicht, wie[3] unßere liebe churfürstin leyder ihr edles leben geendet hatt.[4] Die printzes von Wallis hatt groß recht, zu sagen, daß, ob mich der ring zwar recht touchirt hatt, daß ich ihn doch gern habe. Ich dencke wie Ihr, liebe Louisse, daß es nicht möglich sein kan, daß Eüch printzes Caroline hatt kenen können: jedoch seindt offt kinder, die ein unbeschreiblich gedächtnuß haben. Mein sohn hatt mir versprochen, mir noch mehr medaillen zu schaffen. Die hertzogin von Hannover hatt mir auch 5 geschickt; es war aber nur eins dabey, so ich nicht habe, die andere 4 wahren auch unter den 17, so mir mein sohn geben hatte. Da bin ich woll gutt vor, daß Ihr Eüch eine rechte freüde machen würdt, viel zu geben; es ist auch keine großere lust, alß seine gutte freünde mitt etwaß zu erfrewen. Ich bin versichert, daß Ewer niepce gern wirdt bey Eüch geßen haben. Ihr hettet nur die liste von Marly in mademoiselle de Malause hauß laßen können. Ich schicke Eüch keine, weillen Ihr die leütte nicht kendt, so hir sein, aber sie kent sie fast alle. Ewere elste niepce hatt nun genung mitt ihrem man zu thun undt Ihr werdet desto getröster wider nach hauß können, liebe Louisse! Ich wünsche von hertzen, daß die zweytte auch baldt nach Ewerm sin möge verheüraht werden undt Ihr also alle zwey sa[c]hen gantz mögt außrichten, so Eüch nach Engellandt geführt haben. Der donner hatt mich heütte morgen umb 4 auffgeweckt, jetzt schlafferts mich recht, drumb habe ich zuletzt deß bogens so übel geschrieben. Vergeht dem herr von Degenfelt die lieb, daß er so auß Engellandt wegeylt? Ma tante s. hatt mir offt vom freüllen von Dieffenbrück[5] gesprochen undt sie gelobt. Der monsieur Pallant[6] wirdt gewiß gar betrübt sein, sie verlohren zu haben. Im kindtbett ist ja nichts zu brauchen. Hir seindt noch viel damen, so demandten creütz tragen[7], vielleicht auß Ewerer ursach; den sie seindt mager. Ich finde es ein groß glück, wen man mager sein kan; fette leütte, wie [584] ich bin, seindt in allem gar unbeholfen undt nicht gesunder, alß magere. Mylord Stairs sagte mir letztmahl, daß die sachen in Engellandt nun ruhig wehren undt daß alles nicht so übel gehe, alß es die gassetten sagen. Ich darff nicht sagen, waß ich hirauff gedencke. Ich wolte, daß der könig in Engellandt teütscher keyßer were undt der junge könig in Engellandt in seine 3 königreiche, undt die printzes von Wallis mögte ich romische königin wißen, so were alles nach meinem sin.[8] Hirmitt ist Ewer letztes liebes schreiben vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß vom 20/9 Juni. Ich kan leicht begreiffen, wie man gern auß Londen auff daß landt geht, da die lufft so schlim zu Londen ist. Die lufft von Paris steht mir auch gar nicht ahn.[9] Ich glaube, daß es Ewerer jüngster niepcen ungewohnt thun muß, nicht mehr bey ihrer schwester undt allein bey ihrem herrn vatter zu sein. Letztmahl habe ich Eüch schon gebetten, dem duc de Schomburg vor sein compliment zu dancken; derowegen sage ich heütte nichts weytters drauff. Ich muß mich eyllen, es wirdt spät undt ich muß noch 3 brieff vorm nachteßen schreiben. Der duc de Schomburg undt ich, fürchte ich, werden einander nicht eher, alß im thal Josaphat, zu sehen bekommen;[10] den wir seindt ja alle beyde die jüngsten nicht mehr. Ich bin abscheüllich veralt seyder 2 oder … jahren; ich sehe es selber, also müßen [es] andere auch woll sehen. Aber waß will man thun, liebe Louisse? Jedes muß seine zeit erfüllen. Ich bin fro, daß Ewer schwager so gutt[11] humor ist. Gott erhalte ihn dabey zu aller seiner verwanten vergnügen undt seiner eygenen gesundtheit! den nichts ist gesundter, alß der gutte humor. Es muß ihn doch freüen, seine älste dochter so vergnügt zu sehen; daß solte ihn encouragiren, der jüngsten undt Eüch auch so viel vergnügen zu schaffen. Ahn der Engellander maniren kan ich mich nicht gewohnen. Ein geschlegt von den königen von Ciperen ist weit gezogen. Mich deücht, daß hauß d’Anjou hatt lang in Sicillien regirt. Ich weiß nicht, ob Ewer neüer neveu davon ist; wo daß ist, so ist er vom hauß Franckreich. Wen die Engellander daß Frantzosch nicht recht können, sprechen sie gar possirlich. Ich weiß nicht, ob daß Englisch, übel gesprochen, so doll lautt. Wie ich sehe, so ist der [585] sambstag der tag, da Ihr alß nach hoff geht. Mich wundert, daß man die gräffin von Bückeburg bey der princes von Wallis lest. Vergangenen sambstag habe ich zu Versaillen deß konigs in Preussen kupfferstück in mein buch gethan; ich finde, daß er ahn oncle s., dem churfürsten von Braunsweig, gleicht. Ihr werdet auß meinen andtwortten ersehen haben, daß ich alle Ewere liebe schreiben woll entpfangen habe. Da schlegt es ein viertel auff 8, muß vor dießmahl dieße lange epistel enden undt nur sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Juli 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 581–585
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0714.html
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