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Marly den sontag 24 Juni 1714.
Hertzallerliebe Louisse, weillen ich auß einem schreiben von
Hannover, worinen leyder der verlauff von unßern, leyder allzu
großen unglück,
[1] ersehen, daß man Eüch zurückgeruffen undt
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ich also nicht zweyfflen kan, daß Ihr jetzt wider zu Hannover
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seydt, drumb schreibe ich Eüch, nicht, umb mich mitt Eüch zu
trösten, sondern umb meine threnen, so mir heüffig jetzt auß den
augen rinen, mitt den Ewern zu mischen. Unßer verlust ist
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unendtlich, mein weinen kan auffhören, aber nie meine trawerigkeit
nicht. Dieße liebe churfürstin s. war all mein trost in allen
widerwertigkeitten, so mir hir so heüffig zugestoßen sein; wen ich es
I. L. s. geklagt undt schreiben wider von sie entpfangen, war ich
wider gantz getröst. Nun bin ich, alß wen ich gantz allein auff
der weldt were. Ich glaube, daß mir unßer herr-gott diß unglück
zugeschickt, umb mir die angst deß sterben zu benehmen; den es
woll gewiß ist, daß ich nun ohne leydt mein leben enden werde
undt ohne nichts in dießer welt zu regrettiren. Meine kinder
seindt versorgt, haben auch trost genung in dießer weldt, umb
mich baldt zu vergeßen können; also helt mich nichts mehr auff,
wen es gottes will wirdt sein, mich abzufordern. Wen es baldt
geschehen könte, were es eine große gnade vor mir, den so kämme
ich meiner qual ab. Ich wäre willens, heütte auff Ewer liebes
schreiben vom 4 dießes monts zu andtwortten, daß ich zu
Rambouillet entpfangen hatte undt worauff ich nicht eher geandtwortet
habe, weillen ich gefürcht, daß mein brieff verlohrn würde werden,
weillen Ihr auff der reiße wahret. Ich bitte Eüch, liebe Louisse,
last Eüch alle meine paquetten geben, zieht, [was] vor Eüch ist,
herauß! undt wolt Ihr leßen, waß ich geschrieben habe oder nicht,
daß stehet bey Eüch, brendt es nur hernach! undt solte monsieur
de Wersebé mitt meinem paquet ahnkommen, so bitte ich Eüch, es
zu leßen undt auch zu brenen, den Ihr werdt drauß ersehen viel
sachen, so Ihr vielleicht nicht wist. Ich glaube, unßer herr-gott
wirdt Eüch haben weg gehen machen, umb Eüch den abscheülichen
schrecken zu ersparen; den waß man hört, ist nicht so abscheülich,
alß waß man sicht, aber die betrübtnuß ich
[2] eben gleich. Ich
wolte von hertzen gern noch lenger sprechen, den es erleichtert
daß hertz, mitt denen zu reden, welche in selbigen standt sein, wie
wir; allein, hertzliebe Louisse, mein kopff undt augen thun mir so
erschrecklich wehe von viellen weinen, daß ich kaum weiß, waß
ich sage; muß wider willen enden undt nichts mehr sagen, alß daß
ich Eüch von hertzen lieb behalte, so lang mein ellendes leben
dauern wirdt.