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Brief vom 24. Juni 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


652.


[399]
Marly den sontag 24 Juni 1714.
Hertzallerliebe Louisse, weillen ich auß einem schreiben von Hannover, worinen leyder der verlauff von unßern, leyder allzu großen unglück,[1] ersehen, daß man Eüch zurückgeruffen undt [400] ich also nicht zweyfflen kan, daß Ihr jetzt wider zu Hannover [401] seydt, drumb schreibe ich Eüch, nicht, umb mich mitt Eüch zu trösten, sondern umb meine threnen, so mir heüffig jetzt auß den augen rinen, mitt den Ewern zu mischen. Unßer verlust ist [402] unendtlich, mein weinen kan auffhören, aber nie meine trawerigkeit nicht. Dieße liebe churfürstin s. war all mein trost in allen widerwertigkeitten, so mir hir so heüffig zugestoßen sein; wen ich es I. L. s. geklagt undt schreiben wider von sie entpfangen, war ich wider gantz getröst. Nun bin ich, alß wen ich gantz allein auff der weldt were. Ich glaube, daß mir unßer herr-gott diß unglück zugeschickt, umb mir die angst deß sterben zu benehmen; den es woll gewiß ist, daß ich nun ohne leydt mein leben enden werde undt ohne nichts in dießer welt zu regrettiren. Meine kinder seindt versorgt, haben auch trost genung in dießer weldt, umb mich baldt zu vergeßen können; also helt mich nichts mehr auff, wen es gottes will wirdt sein, mich abzufordern. Wen es baldt geschehen könte, were es eine große gnade vor mir, den so kämme ich meiner qual ab. Ich wäre willens, heütte auff Ewer liebes schreiben vom 4 dießes monts zu andtwortten, daß ich zu Rambouillet entpfangen hatte undt worauff ich nicht eher geandtwortet habe, weillen ich gefürcht, daß mein brieff verlohrn würde werden, weillen Ihr auff der reiße wahret. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, last Eüch alle meine paquetten geben, zieht, [was] vor Eüch ist, herauß! undt wolt Ihr leßen, waß ich geschrieben habe oder nicht, daß stehet bey Eüch, brendt es nur hernach! undt solte monsieur de Wersebé mitt meinem paquet ahnkommen, so bitte ich Eüch, es zu leßen undt auch zu brenen, den Ihr werdt drauß ersehen viel sachen, so Ihr vielleicht nicht wist. Ich glaube, unßer herr-gott wirdt Eüch haben weg gehen machen, umb Eüch den abscheülichen schrecken zu ersparen; den waß man hört, ist nicht so abscheülich, alß waß man sicht, aber die betrübtnuß ich[2] eben gleich. Ich wolte von hertzen gern noch lenger sprechen, den es erleichtert daß hertz, mitt denen zu reden, welche in selbigen standt sein, wie wir; allein, hertzliebe Louisse, mein kopff undt augen thun mir so erschrecklich wehe von viellen weinen, daß ich kaum weiß, waß ich sage; muß wider willen enden undt nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, so lang mein ellendes leben dauern wirdt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. Juni 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 399–402
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0652.html
Änderungsstand:
Tintenfass