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Brief vom 22. September 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


665.


[452]
Fontainebleau den 22 September 1714.
Hertzallerliebe Louisse, hirmitt komme ich mein versprechen halten. Dießen brieff, wie ich in meinem letztem gesagt, werde ich ahn monsieur de Miville über Strasburg schicken. Examinirt den datum undt segt[1], ob er lenger oder weniger unterwegen geweßen, alß der, so ich Eüch vorgestern geschrieben undt nur bloß auff Ewer adresse auff die post geschickt habe! undt so baldt ich wißen werde, welches ahm geschwinsten überkommen, werde ich dieße routte immer folgen hinfüro. Ich komme nun wider auff Ewer liebes schreiben, wo ich vorgestern geblieben; aber ich will lieber daß vom 11 unterfangen, umb nicht eine sach doppelt zu schreiben; bin fro, daß unßer commers nun woll eingericht ist undt Ihr meine schreiben richtig entpfangt. Also werdet Ihr, liebe Louisse, nunmehr schon wißen durch meine andtwort, daß ich Ewer schreiben vom 25 Augusti gar woll entpfangen. Es hatt mich in große ruhe gesetzt; den, wie Ihr woll selber gesehen, so war mein brieff nicht geschriben, daß es jemandts leßen solte, alß unßere liebe churfürstin s. undt Ihr, liebe Louisse! Es seye gebrent oder nicht, so baldt es in Ewern händen ist, ist es sicher undt bin gar [453] nicht mehr in sorgen davor. Ewere brieff bren ich alle, so baldt sie beantwortet sein,[2] undt ehe ich sie beantworte, schließ ich sie in eine kist. Die liebe ma tante s. muß vergeßen haben, in ihr testament den rohten demanten ring vor mich gesetzt zu haben, wie I. L. s. mirs versprochen in 2 von ihren brieffen.[3] Ich habe es woll nicht von nöhten, umb ahn I. L. s. zu gedencken; ich dencke leyder zu viel dran undt mitt recht betrübten hertzen undt werde sie mein leben nicht vergeßen; ihr gedächtnuß wirdt allezeit in veneration bey mir sein, so lang ich werde dencken können. Es were eine schandt, wen der itzige könig in Engellandt Eüch die 1400 th. nicht geben solte, so ma tante Eüch hinderlest; den er ist ja nun reich genung. Mylord Seekercke,[4] deß duc d’Hamiltons bruder, hatt mir gesagt, daß man in Engellandt dießem könig mehr einkommens mache, alß einiger könig jemahls vor ihm gehabt hette; also hoffe ich, daß er seiner fraw mutter letzten willen nachkommen wirdt undt Eüch geben, waß Eüch gebührt von gott undt rechts wegen. Ich bin woll Ewerer meinung, daß es mehr ahngenehmer were, nur noch daß geringste von unßere hertzliebe churfürstin lebendig zu entpfangen, alß nach ihrem todt, so leyder gar zu baldt kommen. Die Stubenvollin[5] pflegt alß zu singen: Wexellen ist in allen sachen, trawern folgt auff frölligkeit. Daß ist die welt. Daß man einander in jener weldt kenen solte, liebe Louise, hirin seindt mir[6] woll differenter meinung; es müste ein gantz neü miracle geschehen, wen daß sein solte.[7] Wen wir nur 20 oder 30 jahr sein, ohne die besten freündt zu sehen, kenen wir sie kaum mehr, will geschweygen den, wen man so viel hundert jahr wirdt todt gewest sein. Daß ist meine meinung. Worumb solte unßer herrgott nichts volkommen machen können, außer waß auff unßern schlag ist? Waß seindt wir ellende menschen gegen gott zu rechnen, daß er sich nach unßerm schlag richten solte undt seine ewigkeit auff menschlicher weiß richten? Daß kan ich nicht glauben. Ist es nicht gnade genung, daß er unß seinen einigen sohn geschenckt, der unß von der ewigen verdamnuß erloßet hatt? Waß sollen wir weytters begehren? Haben allezeit ursach, gott zu [454] dancken. Aber wir thuns hir sehr unperfect, aber dort werdens[8] wirs perfect thun können, also gantz geendert sein; undt dieße enderung eben macht mich glauben, daß wir gantz anderst sein werden, alß hir, undt unß also gar nicht mehr kenen. Aber ich verspüre, daß ich von einem brieff auff den andern gesprungen bin; weiß nicht, wie es zugangen ist. Ich komme wider auff Ewer schreiben vom 11. Die fraw von Rathsamshaussen hette gern, daß ihre dochter ihre niepce wider ahn dem herrn von Bernholt schickt.[9] Den waß will sie mitt dem kindt ahn[fangen]? Daß macht ihr nur größere unkosten undt ist zu nichts nutz. Die fraw von Rotzenhaussen hette auch gern, daß ihre dochter auff ein teütsch lutherisch stifft komen könte, wen es möglich were. Die angen[10] werden ihr nicht fehlen undt sie hofft auch, daß es nicht gar zu viel kosten solte. Von hir auß kan sie ihrer dochter kein bett schicken, sie muß gedult haben, biß sie wider zu hauß sein wirdt; den ihr hauß ist zugeschloßen undt sie kan niemandts die schlüßel vertrawen, daß ist ja nicht rahtsam. Aber wen sie wider zu Strasburg sein wirdt, wirdt ihr dochter mitt ihr zufrieden sein. Wen man so große precautionen muß nehmen undt der armen frawen gantze wollfahrt drauff bestehet, kan man nicht thun, wie man gern wolte, insonderheit weillen sie so viel undt starcke feinde in Strasburg [hat]. Der Klingling, der Dubourg, die laueren nur, wie sie ihr handel ahnmachen können: drumb kan sie sich nicht genung vorsehen. Weillen ich auch in dießem brieff so gar frey von der sache spreche, will ich dießen brieff nicht über Strasburg schicken, sondern nur einen kleinen von selben datum ahn Meville schicken, wodurch Ihr eben so geschwindt werdet sehen können, welcher ahm geschwinsten überkommen wirdt. Mich deücht, liebe Louisse, daß Ewer schwager,[11] unter unß gerett, gar zu einen wunderlichen humor hatt, umb daß Ihr glücklich undt vergnügt bey ihm würdet leben können; den bey seiner metressen zu leben, were ja Ewer sach nicht. Segt Ihr sie nicht, wirdt sie Eweren schwager gegen Eüch verhetzen; also glaube ich nicht, daß Ihr woll thun würdet, nach Englandt zu gehen. Die zeit wirdt unß weißen, wie es unßerm könig in Englandt gehen [wird]. Mir were es von hertzen leydt, [455] wen es übel ablauffen solte: aber, aber ich [kann] den Engländern nicht trawen, es seindt gar zu dolle köpffe.[12] Man würde es hir machen, wen ein Dauphin reformirt were, wie man es schon mitt Henry 4 gemacht hatt.[13] Man würde suchen, ihn catholisch zu machen, aber man würde ihn nicht vor einen erbfeindt halten, noch nach seinem leben trachten, wie die Engländer thun. Also kan ich nicht leügnen, daß mir nicht woll bey der sach; den gesetzt, könig Jakob werde reformirt,[14] kan man ihm dan sein königreich absprechen? Waß solt alßden auß könig Gorgen werden? Ich werde es nicht erleben, aber Ihr seydt noch jung genung dazu. Freylich habe ich hir schon 2 mahl den Peterbourug[15] gesehen. Er hatt dolle discoursen hir geführt; verstandt hatt er wie der teüffel, aber gar einen dollen, wunderlichen kopff undt spricht wunderlich ins gelach nein.[16] Wie wirdts der könig in Engellandt nun machen, da er die ceremonien so sehr hast? Ein könig kan nicht ohne daß sein undt der freüllen Diffenbruck[17] heürahtsceremonien ist nicht die letzte, die der könig thun wirdt oder zu thun haben wirdt. Ich hette groß unrecht, wen ich mich über daß sa[l]tz von Ipson[18] undt meine aderlaß beschwerte; den ich habe mich in langer zeit nicht beßer befunden, alß nun, gott lob! Der husten ist längst [vorbei]. Ich glaube, daß, waß auch sehr zu meiner gesundtheit dint, ist die starcke bewegung, so ich hir habe; den 2 mahl die woch jagen wir, jedes mahl 2 hirsch, welches ordinari von 1 biß 6 wehrt; die andere tag gehe ich gar oft 2 mahl deß tags spatziren, den morgen nach der kirch im gartten undt nachmittags fahr ich im waldt undt spatzire dort zu fuß. Dießer ort ist in meinem sin der ahngenehmbste von gantz Franckreich. Es wirdt mir recht leydt thun, wen wir wider hir weg werden. Ich bin gar woll hir logirt, beßer alß nirgendts; daß macht die orter ahngenehm. Der landtgraff von Darmstat tröst sich villeicht über seine gräffin von Sintzendorf todt wie Orphée über seine Euridice, weillen er den printz Taxis so umbhalst. Der landtgraff hatt groß [456] recht, unßere liehe churfürstin s. zu beklagen; sie hilte viel von I. L. Ewere liebe brieffe, liebe Louisse, seindt mir gar nicht zu lang, leße sie recht mitt lust. Wir haben gar nichts neües hir. Muß noch ein par wordt durch den Miville, wie schon gesagt, schreiben, alßo hirmitt nur sagen, daß ich Eüch von hertzen ambrassire undt allezeit lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. September 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 452–456
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0665.html
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