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Brief vom 30. September 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


667.


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Fontainebleau den 30 September 1714.
Hertzallerliebe Louise, vergangen donnerstag, wie ich eben auff die jagt fahren solte, wurde ich mitt Ewer liebes schreiben vom 18 September erfrewet. Die jagt wehrte biß umb 7 abendts, muste mich von haupt zu füßen anderst ahnthun undt wardt also erst nach 8ten fertig. Da kammen mir etliche vissitten undt nach 9 uhr kam der churprintz von Saxsen, welchen ich nach dem nachteßen dem könig pressentirte. Er machte dem könig ein groß compliment ohne ambaras recht mitt gutter manir, recht woll. Es ist ein schönner herr, groß vor sein alter; er ist woll einen halben kopff lenger, alß sein herr vatter, hatt gutte minen; er gefelt alle menschen woll hir, er ist gar nicht affectirt. Gestern jagte er mitt solchen freüden, daß es eine rechte lust zu sehen war. Die jagt war recht schön, wir fungen 2 hirsch, einen nach dem andern; es war nicht mitt deß königs, sondern mitt monsieur le ducs hunden, morgen wirdt man mitt deß königs hunden jagen. Unter unß gerett, ich glaube nicht, daß er catholisch geworden ist; den warumb solte man es hir im landt verhehlen, wen er es were? Wen man seine leütte fragt, sagen sie alle, sie wüsten nicht, waß er were. Der envoyes monsieur Suhm hatt mir noch possirlicher davon gesprochen; er sagte: Der printz thut woll, sich nicht zu erklären, so lang sein herr vatter lebt; den solte er könig in Poln [werden], müste er catholisch sein, sonst kan er es nicht sein. Solte er aber churfürst von Saxsen bleiben, wer er seinen unterthanen lieber lutherisch, alß catholisch; also thut er gar woll, sich nicht zu erklären. Ich glaube nicht, daß dießer discours Eüch sonderlich gefahlen, sage also nichts mehr hirvon, sondern nur, daß freytags, so baldt ich ahngethan war, kammen I. L. der churprintz von Saxsen zu mir; hernach ging [er] zu madame de Bery undt ich in [458] kirch. Hernach spatzirte ich bey dem gar schönnen wetter ein halb stündtgen im garten, gab meines sohns gemahlin vissitte, hernach kamme ich wider her, aß zu mittags undt schrieb hernach 14 bogen ahn mein tochter. Wie ich im follen schreiben war, kam Chur-Bayern gantz unverhoffter weiß zu mir: diß ist daß zweytte mahl in 5 jahren,[1] es ist nicht zu viel; aber dieß alles zusamen hatt mich den tag ahn schreiben gehindert. Gestern haben wir den gantzen tag gejagt, also habe ichs auff heütte versparen müßen. Ich zweyffle aber, daß ich heütte noch werde recht andtwortten können; den alle augenblick kommen mir verhinderungen, in 2 stunden habe ich nicht mehr, alß dieße 4 bogen, schreiben können; komme nun auff Ewer liebes schreiben vom 18ten, bin fro, darauß zu sehen, daß unßer comerse nun gantz eingericht ist. Es ist war, daß Galle undt Wallis all eins ist. Freylich können I. L. mir nun schreiben, glaube, daß ihr ceremonial kein anderer sein kan, alß der von duc de Jorck, wie er heritier pressumptif war; also kan es kein ambaras geben. Ich habe noch in mein protocol, wie ich ahn jene geschrieben habe. Die falsche histori von der printzes von Allen[2] ihren abschlag[3] ist, kompt von niemandts, alß ihrer fraw mutter her, rechte frantzösche pößelger.[4] Ich habe es kein augenblick geglaubt; den ich kene die hießigen maniren zu woll, umb nicht gleich zu sehen, woran es ligt; ich habe es auch hart widerstritten. Ich mag nichts von der hertzogin von Zel sagen; den es verdrist mich recht, daß sie unßere liebe churfürstin s. überlebt hatt,[5] daß kan ich nicht verdauen. Ich glaube, daß der könig in Engellandt nun zu Londen wirdt ahngelangt sein.[6] Ich kan nicht begreiffen, wie es möglich sein konte, die, so man lieb hatt, ohne threnen wegreißen zu sehen, daß konte ich nicht außstehen. Die printzes jammert mich recht; ich kan leicht dencken, [459] wie es ihr schmertzen muß, ihren eintzigen sohn[7] allein zu Hannover zu laßen. Ma tante s. [hat] daß printzgen sehr geliebt. In seinem contrefait gleicht er sehr hertzog Gorg Wilhelm s. Ihr habt beßere opinion von den Engländern, alß ich, den ich trawe ihnen kein haar. Daß ist nicht genung, daß man ihnen nichts leyds thut; wen man nur ihr könig ist, haßen sie die leütte.[8] So lang die verwittibte königin, so wir hir haben, nur duchesse de Jorck war, wurde sie geliebt undt ihr herr auch;[9] so baldt sie königin war undt er könig, haben sie sie gehast undt verfolgt undt verjagt. Der churprintz von Saxsen ist nun seyder donn[e]rstag hir, habe I. L. nur zweymahl gesprochen, kan mich also noch nicht berühmen, daß ich ihn kene. Ich zwing mich selten, wen ich schreibe, alß wen etwaß ist, daß ich nicht will, daß man hir wißen soll. Ob der Thesseut[10] zwar kein avanturier, sondern von gar weittem deß abbé de Thessut vetter ist, so deücht er doch nicht viel beßer. Weder er noch sein vatter haben ihr leben kein gutt thun wollen, seindt offt schon in gefängnuß geweßen; es ist ein kerl, dem gantz undt gar nicht zu trawen ist. Ich kene ihn nicht undt habe ihn mein leben nicht [gesehen], so kleine officier kommen selten zu mir; auch hatt er sein leben in arest oder gefangnuß zugebracht, den er deücht nichts. Ich sehe, daß wir hirin simpatissiren. daß Ihr nicht gern seydt, wo viel leütte, lieber in Ewer kammer bleibt; so mach ichs auch. Weillen nichts von ring in testament stehet, ist nichts weytter davon zu sagen.[11] Ihr hettet daß gelt nehmen sollen, so ma tante Eüch einmahl geben wolte. Ich meine, die churprintzes were schwanger geweßen, wie ma taute s. leyder starb. Ist sie seyder ins kindtbett kommen? Ich schicke hirbey die andtwort ahn die freüllen von Rathsamhaussen. Sie beklagt sich; ich haße sie gar nicht, aber ich kan mir keine hendel umb ihretwegen ahnmachen bey dem könig. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt werde Eüch all mein leben lieb behalten. [460] Ich kan dießen brieff nicht leßen noch corigiren, habe zu große eyll.[12]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. September 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 457–460
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0667.html
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