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Brief vom 4. Januar 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


679.


[495]
Versaille den freytag, 4 Januari 1715.
Hertzallerliebe Louisse, seyder etliche tagen habe ich 2 von Ewern lieben schreiben entpfangen, eines vom 17, daß ander von 24 December 1714. Daß frischte kam ahm ersten; daß 3, so mir durch einen Engländer kommen soll, so mylord Stors[1] heist, daß habe ich noch nicht entpfangen. Ich werde heütte nur auff daß vom 24 antwortten undt daß vom 17 vor ein ander mahl sparen. Ich habe heüte außer dießen noch 4 brieff zu schreiben, 2 in Lotheringen ahn mein dochter undt printz Francois, ahn mademoiselle de Malauze undt ahn eine dame zu Paris, so la marquise Daluy[2] heist; muß mich also sehr eyllen; sage dießes, damitt meine fehler zu entschuldigen, so Ihr, liebe Louisse, in dießem brieff finden werdet; den ich habe ohnmöglich der zeit, zu überleßen, waß ich werde geschrieben haben.[3] Ich habe viel Engelander mein leben gesehen, sie wahren aber nicht alle gleich; etliche wahren über die maßen hofflich, andere über die maßen plump undt unhöfflich. Es ist mir doch lieb, daß man so höfflich gegen Eüch ist. Die duchesse de Schrosburig,[4] wie man sie hir heist, macht gar leicht kundtschafft, ich aber nicht so leicht; derowegen hatt sie mehr kundtschafft mitt die printzes de Conti undt andern damens gemacht, alß [496] mitt mir; mitt leütten, die ich nicht kene, bin ich sehr kaltsinig. Es ist kein wunder, daß die comtesse de Roy[5] alt außsicht; sie ist über die 70 jahr alt. Die mademoiselle de Malause ist jünger, aber daß gutte mensch hatt daß pottegram abscheülich, sie jammert mich recht; ich habe sie lieber, alß daß gantze royische hauß mitt einander. Ich bin ebenso verwundert, alß Ihr, liebe Louisse, daß monsieur d’Iberville[6] nicht viel spricht; ich habe ihn nur 2 mahl in meinem leben gesehen, aber er plauderte ohne aufhören. Wie kompt es aber, daß er Eüch nicht gekandt hatt? Ich finde es gar nicht schön ahm könig von Engellandt, Eüch zu Londen zu wißen undt Eüch nichts sagen zu laßen; den wen Ihr gleich nicht leiblich geschwisterkindt mitt ihm wehret undt nur seiner fraw mutter hoffmeisterin, so were er doch auß respect von seiner fraw mutter schuldig, Eüch hofflichkeit zu erweißen undt Eüch zu sehen suchen. Mich deücht aber, der gutte könig fragt wenig nach denen, so sein fraw mutter geliebt hatt. Waß will man sagen? Ein jeder hatt seinen humor undt nach den 54 jahren corigirt man sich nicht mehr. Wie ist daß opera zu London? Ist es auff Englisch, Ittalliensch oder Frantzösch? Waß mich glauben macht, daß es eine ander sprach, alß Frantzösch, muß geweßen sein, ist, daß kein frantzösch opera Armenius heist. Daß hendtklopffen, wen waß im opera gefahlt, ist hir im parterre bräuchlich, aber nicht in den logen. Hette ich die gemächlichkeit nicht, daß das opera in meinem[7] apartement zu Paris ist, sonsten würde ich nicht hinnein gehen. Wie man mir die lufft von Londen beschreibt, glaube ich nicht, daß ich 24 stunden drin bleiben könte, ohne kranck zu werden; den man sagt, daß es allezeit nach kohlen dort richt, daß könte ich gar nicht außstehen; die lufft solle auch gar dick dort sein, welches auch meine sach gar nicht ist. Ich wünsche von hertzen, daß Ihr Ewere niepçen baldt nach vergnügen versorgen möget, damitt Ihr baldt wider in die gutte lufft von unßer liebes undt gelobtes vatterlandt kommen möget. Wie gern wolte ich, daß [497] es bey mir stünde, auch dort bey Euch zu sein können! Liebe Louisse, Ewer schwager wolte gern seine dochter verheü[ra]tten, wie der seigneur Harpagon, sans dot;[8] aber daß geht nirgendts woll ahn. Die freyher[9] seindt woll so verliebt des beau yeux de la cassette, alß von der damen schönheit. Es verdriest mich auff Ewere niepcen, daß sie nichts von unßer lieb vatterlandt halten. Ein rechter auffrichter Teütscher ist beßer, alß alle Engländer mitt einander. Wie Ihr mir die jüngste von Eweren niepcen beschreibt, so bilde ich mir ein, daß sie Caroline s. gleicht. Wen daß ist, glaube ich, daß dieße die liebste bey Eüch sein wirdt. Man sagt, daß es ein mariage de conscience ist, waß der duc de Schomberg gethan hatt. Waß mich glauben macht, daß es war ist, daß er kinder von dießem heüraht hatt, ist, daß er nicht selber sucht, seine töchter zu verheürahten. Waß er gesagt, mag woll nur sein, umb zu sehen, waß man ihm andtwortten wirdt undt ob Ihr von der sach gehört habt. Daß erste mahl ist mir daß Ipsomer[10] saltz beßer bekommen, alß dieß letzte mahl, hatt mir aber doch nicht geschatt. Adieu, hertzallerliebe Louisse! Ewer brieff ist vollig beantwortet. Wir haben gar nichts neües hir undt es ist spät, muß schließen undt vor dißmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte undt Eüch eine gutte undt ruhige nacht wünsche ohne husten.
Ich weiß nicht, ob ich Eüch in meinem letztem ein glückseeliges, friedt- undt freüdenreiches neües jahr gewünscht habe sambt gesundtheit undt langes leben. Allein Ihr wist doch woll, daß ich Eüch von grundt meiner seelen alles glück undt segen wünsche vor dießes leben undt vor die ewigkeit. Ich bitte, macht meine entschuldigung ahn mademoiselle de Malausse, daß ich ihr dieße post nicht schreibe! Es seindt mir viel hinternuße zugestoßen, werde andtwortten, so baldt mir möglich sein wirdt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Januar 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 495–497
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0679.html
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