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Brief vom 25. Januar 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


682.


[507]
Versaille den 25 Januari 1715.
Hertzallerliebe Louisse, hirmitt komme ich, mein wort halten undt auff Ewer liebes schreiben, so ich letztmahl biß her verspart, zu antworten; fange bey dem vom 1 Januari ahn undt werde bey daß vom 7 enden. Sorgt gar nicht, daß ich Ewerer schreiben müht werde werden! Ich kan Eüch mitt warheit versichern, daß alle [508] Ewere schreiben mir recht lieb undt ahngenehm sein, wie ich Eüch, liebe Louise, schon offt gesagt habe; den erstlich so schreibt Ihr recht schon undt woll, zum andern so seydt Ihr mir ja lieb undt nahe genung, umb gern viel von Eüch zu hören, undt zum 3ten so erhelt es mir mein Teütsch, welches ich in den 43 jahren all lengst vergeßen hette, wen ich es nicht durch leßen undt schreiben unterhalten hette. Auß dießen 3 ursachen segt Ihr woll hell undt clar, daß ich Ewere lieben schreiben nie mühdt kan werden. Ich habe Eüch schon bericht, wie monsieur Bennigsen undt monsieur Erff zu mir kommen sein; scheinen mir gar feine leütte zu sein. Ich erinere mich noch, einen zu meiner zeit zu Zel undt zu Hannover gesehen zu haben. Der von Zelle gar[1] mir eine uhr, so er selber gemacht hatte undt die erste war, so ich mein leben gehabt habe; der ander war verliebt von der cammerjungfer Gibson; den zu der zeit hießen die hoffjungfern noch nicht freüllen;[2] man wuste von keine freüllen, alß gräffliche, ja gar fürstliche freüllen; den ich erinere mich noch, daß man meine tante, printz[essin] Lisbeth von Hessen Cassel, nicht anderst, alß freüllen Lisgen, geheyßen hatt. Aber wovon [ich] rede, ist lenger gelitten, alß Ihr selber seydt; den es ist nun woll 66 jahr. Damitt ich wider auff die schloßhaubtmäner komme, deren nahmen mir entfahlen sein, so spilte der von Hannover den gantzen tag piquet mit Gibson. Die war eine Engländerin undt sprach gar übel Teütsch; wir lieffen alle hin, sie spiellen zu sehen, welches recht possirlich war. Wen Gibson zehlen wolte undt 3 knechte hatte, sagte sie alß: Ich habe 3 knoachte; den andtworttete der schloßhaubtman gantz ernstlich: 3 achten gelten nicht im piquet, undt daß fing alle mahl wider ahn, so offt sie 3 knechte hatte. Aber ich weiß nicht, wie ich auff die alte geschichte komme. Nun es frieden ist undt madame Bennigsen keine refugirte, zweyffle ich nicht, daß monsieur Bennigsen contentement wirdt haben. Der nahm von Erff ist mir bekandt, aber ich habe keinen von den nahmen gesehen, alß dießer, so gutt façon hatt undt ein feiner mensch scheindt zu sein. Monsieur Bennigsen hatt mir deß könig in Engellandt compliment gemacht, welches mir eine ahngenehme surprisse geweßen; den ich habe nicht gedacht, daß I. M. weder ahn mich, noch ahn [509] meinen sohn gedächten. Ob ich zwar dieselbe medaille in golt von monsieur Botmar[3] habe, so Ihr, liebe Louisse, mir geschickt, so ist mir doch die Ewere auch gar ahngenehm geweßen; den ich hatte sie nicht in silber undt war mir nohtig wegen der suitten von der englischen historie, so ich in silber habe. Hiemitt ist daß erste schreiben vollig beantwortet, ich komme jetzt auff daß vom 7 Januari. Dieße woche habe ich kein schreiben von Eüch entpfangen, liebe Louise! Hir kommen sie auch den freytag ahn. Weillen Ewere briffe, so ich Eüch schreibe, eher durch monsieur Botmar überkommen, alß durch die post, werde ich fortfahren, meine paquetten ahn monsieur Martine zu schicken; er ist gar sorgfaltig vor die brieffe. Ich werde heütte auch ahn mademoiselle de Malause schreiben; also werdet Ihr leicht sehen, welches von beyden ahm ersten überkommen wirdt. Kan Eüch daß wunder nehmen, daß ich vor Eüch in sorgen geweßen? Liebe Louise, ich habe Eüch schon letztmahl explicirt, wie es nicht anderst sein kan; ich müste woll ein böß naturel haben, wen ich anderst vor [Euch] were, den erstlich so meritirt Ihr durch Ewere tugendt (welches itzige zeitten etwaß gar rares ist), daß sich jederman vor Eüch interissirt. Ich muste auch falsch wie der teüffel sein, wen ich Eüch so offt gesagt undt noch sage, daß ich Eüch lieb habe, wen es nicht war were; aber es ist mir von hertzen lieb, daß es Eüch touchirt hatt, den daß erweist, daß es Eüch ahngenehm geweßen. Ich wolte, daß Ihr schon wider zu Franckfort wehret; den der see traue ich kein haar. Aber man rufft mich, ich muß in kirch. Nach dem eßen werde ich dießen brieff außschreiben; den nach der kirch werde ich zu madame d’Orleans, den ihr kindtbett gehet erst sontag zum endt.
Freytag, den 25 Januari, umb 3 viertel auff 4 abendts.
Gleich nach dem eßen ist mein enckel, der duc de Chartre, kommen, welches gar ein artig kindt ist; ich habe es hertzlich lieb.[4] Hernach habe ich müßen ein wenig in mein garderobe gehen, da ist es gar warm; den es ist ein gar klein cammergen, zimblich dunckel. Ich habe mich nicht so baldt niedergesetzt, so bin ich endtschlaffen undt werde nun erst wider wacker; drumb fange ich [510] so spat wider ahn, zu schreiben. Ich war heütte morgen geblieben, wo ich Eüch sage, daß ich wolte, daß Ihr wider zu hauß wehret, weyllen ich der see gar nicht trawe, undt daß geringste, so einem widerfahren kan, ist, eine reiße nach Indien zu thun,[5] welches nicht artig ist, aber versauffen ist noch ärger. Mich verlangt sehr, zu vernehmen, ob Ewere niece, so man in Engellandt lady Marie heist, sich gantz von den heßlichen blattern salvirt hatt; den es ist eine gar gefährliche kranckheit. Den 17ten tag were ich schir dran gestorben. Ich kan nicht begreiffen, wie man in Engellandt kein Meledy-pulver[6] in den hitzigen kranckheitten braucht. Mich hats hir zweymahl daß leben errett, einmahl, wie ich rodtlen mitt dem fleckfieber hatte undt auff den todt lag, undt daß andermahl in den kinderblattern, so ich vor 22 jahren hatte. Meinen kindern habe ich auch mitt courirt, zweymahl, undt mehr, alß 50 andere personnen, halte also [dafür, daß] nichts beßers ist. Die Frantzoßen wißen die ahnsteckende kranckheitten gar nicht zu heyllen. Zum exempel, die letzte Dauphine hatte daß fleckfieber, man solte ihr waß zu schwitzen eingeben haben; den sie fing ahn, von natur zu schwitzen, war roht wie ein scharlach von haubt biß zu füßen, da nehmen die dockter sie in vollem schweiß auß dem bett undt laßen ihr ahm faß zur ader. Da wurdt sie gleich weiß wie dieß papir undt throhte auff einmahl, gantz zu sterben, starb auch den andern tag. Hette man ihr Meledy-Kent-pulver eingeben undt braff schwitzen machen, hette man sie [gerettet]. Ich sagte es woll, aber man hörte mich aber nicht ahn, wie es allezeit hir gehet. Also umb die warheit zu sagen, so fürchte ich, daß Ewere niepce nicht in gar gutten handen ist. Nichts in der welt ist schlimmer in den gifftigen kranckheitten, alß clistier; mich wundert, daß die blattern damitt haben außschlagen können; sie muß eine gar starcke natur haben. Worumb solte es sich nicht schicken, daß Ewere niepcen mir nicht ihr ahndencken erweyßen? Wen sie auch nur deß duc de Schomburgs dochter wehren, so allezeit mein gutter freündt undt landtsman geweßen, auch insonderheit ihr gutter, ehrlicher groß herr vatter, so were es schon genung, will geschweygen den, da sie Carolinen kinder undt Ewere niepcen sein. Also nehme ich dero compliment gar woll auff undt bitte Eüch, sie meinetwegen zu [511] ambrassiren, doch die jüngste nur, wen ihr die krusten von den blattern werden abgefahlen sein. Dem duc de Schonberg bitte ich sehr zu dancken vor seine so gar höfliche andtwort. Mich wundert, liebe Louise, daß, nachdem Ihr Eüch so sehr vor alle seine affairen bemühet habt, er Eüch nicht part von alles gibt undt noch waß in seinen sachen geheim helt. Ich muß gestehen, daß gefiehl mir nicht, wen ich in Ewerm platz were. Der duc de Schonburg thut gar woll, alle tag in die lufft [zu gehen]; daß ist daß eintzige rechte remeden gegen die vapeurs. Wir haben hir 14 tag lang eine grimige kalte außgestanden, seyder gestern aber ist daß wetter auffgangen. Es war zeit, den sonsten were gantz Paris verfrohren; den wie die Seine zugefrohren war, hatt man kein holtz bekommen; man hatt sich drumb geschlagen. Waß aber ahm possirlichsten war, ist, daß man einander stocker holtz undt scheydt wie ein bijou zum neüen jahr mitt großem danck geschenckt hatt. Die londrische lufft hatt allezeit vor gar böß passirt. Viel leütte wollen die Parisser lufft vor gutt passiren machen, allein vor mich ist keine schlimmere in der welt; ich kan nicht 2 stundt in Paris [sein], ohne die boße lufft zu spüren.[7] Ich habe allezeit woll gedacht, daß Ihr Englisch [verstehet]. Wie habt Ihr es zu [Hannover] negligirt? Den zu Hanover wahren doch allezeit Englander, mitt welchem[8] Ihr Eüch in dießer sprach exerciren können.[9] Es ist gar gewiß, daß sprachen exercirt sein wollen, sonsten hette ich, glaube ich, lengst mein Teütsch vergeßen. Caroline hatt zeit genung gehabt, ihr Englisch woll zu lehrnen. Wen man eine sprache ein wenig kan undt lang ahn einem ort ist undt a tord et traver[10] drein spricht, lernt man die sprach, ohne daß mans schir selber gewahr wirdt. Ich habe Eüch letztmahl geschrieben, liebe Louisse, wer alle die dollen historien gegen könig Jörgen von Engellandt außgebreydt hatt; der Petterbouruck[11] ist ein wunderlicher heyliger, wie I. G. unßer herr vatter s. alß pflegt zu sagen. Daß Ihr den könig nun nicht segt,[12] da Ihr die kinderblattern im hauß habt, ist gar kein wunder; aber daß Ihr ihn biß ahn den blattern nicht gesehen, ist gar zu wunderlich, macht mich ungedultig, wen ich dran gedencke; will derowegen weitter nichts davon sagen. Madame d’Orleans [512] ist nicht in der gewohnheit, pupen zu bekommen; sie hatt 6 medger gegen einen einzichen buben bekommen. Daß arme kindt, ob er schon ins 12 jahr geht, ist er doch gar delicat, nicht starcker, alß ein kindt von 9 jahren.[13] Ich befinde mich all zimblich woll, aber ich kan gar wenig gehen, habe große schmertzen in den knien; daß ist gar langweillig undt hindert mich offt ahm schlaff. Es geht mir wie mutter Anecken,[14] daß alter kompt mir mitt manche gebrechen; sage doch großen [dank] vor alle Ewere gutte wünsche. Wir haben nichts neües. Der printzes des Ursain[15] ihr disgrace werdet Ihr schon auß den gazetten gesehen haben. Mir ist es leydt, daß sie herkompt; den sie ist meine[s] sohns gröste feindin von der welt, thut sachen gegen ihm, so die haar zu berg stehen machen.[16] Ein andermahl will ich Eüch von ihre streich verzehlen, aber heütte kan ichs ohnmoglich; nur sagen, daß ich Eüch all mein leben lieb behalten werde, liebe Louise!
P. S.
Entschuldiget die fehler dießes brieffs! Ich kan ihn ohnmoglich überleßen,[17] den ich habe sonst noch gar viel zu schreiben. Ich schicke Eüch hirbey eine relation von einem ambassadeur vom könig von Persien, so wir erster tag hir haben werden;[18] daß wirdt vielleicht Ewere krancke divertiren, wen mans ihr vorleßen wirdt. Dießer ambassadeur hatt zu Marseillen mitt seiner gallanterie die pocken bekommen, ist also gar frantzösch in Franckreich worden.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Januar 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 507–512
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0682.html
Änderungsstand:
Tintenfass