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Brief vom 27. Dezember 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


678.


[490]
Versaille den 27 December 1714.
Hertzallerliebe Louise, vergangenen Christag hab ich zwar Ewer liebes schreiben von Londen vom 13 December entpfangen, aber wegen der festtagen nicht drauff andtwortten können, habe es biß auff heütte verschieben müßen. Gott gebe nur, daß mir heütte keine neüe verhindernuß zustoßen mögen! Dießen morgen wirdt schon eine verhindernuß kommen; den ich habe audientzen von envoyes. Der eine ist ein envoyes von Gene,[1] der nimbt sein abschidtsaudientz; der zweyte envoyes, so kommen wirdt, glaube ich, daß er von Ewerer kundtschafft sein wirdt, weillen er vom casselischen hoff ist, nehmblich der herr Dalwig. Es [ist] aber auch einmahl zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme. Ewer brieff, liebe Louisse, ist mir 6 tag spatter kommen, alß daß von mademoiselle de Malausen,[2] so doch von selbigen datum ist. Ich glaube, daß, wen Ihr Ewere schreiben nur geradt auff die post thut, wie mademoiselle de Malauze, würde ich sie eher entpfangen. Ich aber werde die meinigen alß ahn monsieur de Martine schicken; den wen ich sie nur bloß auff die post thet, würde der facteur[3] von Londen Eüch vielleicht nicht finden können, undt es ahn den duc de Schomberg zu adressiren, mögt er vielleicht den unkosten scheüen ; also billiger, daß es auffs königs beüttel außgehet durch seine ressidenten. Ihr verzehlt mir woll Ewere reiße, sagt mir aber nicht, wie Ihr von Ewerm dolmetsger seydt bestollen worden. Ich bin [491] verwundert gewest, zu hören, daß Ihr einen dolmetsger von nöhten habt; den ich meinte, daß Ihr perfect Englisch könt, welches mir kein wunder genohmen; den ein wenig vorher, wie man von meinem heüraht gesprochen, wolten I. G. der churfürst, unßer herr vatter, mitt aller gewalt, daß ich Englisch lernen solte, habe also gemeindt, daß I. G. s. es Eüch undt Ewern schwestern auch würde haben lernen laßen. Ich bitte, bericht mich doch, liebe Louisse, wie es mitt dem stehlen zugangen ist![4] In dießem augenblick bringt mir monsieur Martine Ewer liebes schreiben vom 17 dießes monts, werde aber die andtwort auff einen[5] andermahl versparen. O, da kommen schon hindernüße, der abgesante von Hollandt, monsieur de Büis,[6] undt noch andere mehr! muß derowegen eine pausse machen. Da seindt sie wider nauß, gott lob, undt bewahr unß ferner vor hinternuß! O, da kommen gar zu viel leütte! Ich muß auffhören biß dießen nachmittag.
Donnerstag, den 27 December, umb 3/4 auff 3 nachmitags.
Bißher hab ich ohnmöglich wider zum schreiben gelangen können, hab erstlich die audientzen gehabt, wovon ich schon gesprochen; hernach habe ich in [kirch] gemüst, den es ist heütte das 3te Christfest undt deß evangelisten sanct Johanes tag. Nach der kirch bin ich zu madame d’Orleans, hernach ahn taffel. Nach dem eßen habe ich eine halbe stundt in meine cammer spatzirt, umb die digestion zu thun, habe mich mitt meine thierger amussiert (den ich habe in mein cabinet 2 papegayen, ein Cannarievögelgen undt 8 hündtger) undt jetzt entre[te]nire ich Eüch. So baldt ich Ewern brieff werde außgeschrieben haben, werde ich ahn meine dochter schreiben; den morgen, da es ihr posttag ist, werde ich es unmoglich können, den ich werde umb 10 hir weg. Umb 12 werden wir erst zu Paris sein, werde der princes de Conti eine vissitte geben, hernach au palais royal, wo ich mitt meinen damens undt die duchesse de Tallars[7] zu mittag eßen werden; nachmittags werden viel leütte zu mir kommen, werde auch mein neügebohrn enckelgen sehen, so im palais royal. Man hatt es gleich, so baldt es eingewickelt, [492] nach Paris. Daß demoisselgen de Beaujoloy[8] hatt mich schon 2 mahl verhindert, nach Paris zu gehen; den vor 14 tagen solte ich auch nach Paris, aber wie ich eben auß dem bett, kam mein sohn undt sagte, seine gemahlin finge ahn, in kindtsnöhten zu kommen undt daß daß gewäßer schon durchgebrochen were. Ich that mich geschwindt ahn, ging nüber, da hörtten die schmertzen auff, andern morgen fing es wider ahn. Daß hatt so gewehrt von freytag umb 5 morgendts ahn biß dinstag umb halb 5 abendts, da daß arme unglückliche printzesgen ist ahngestogen[9] kommen. Daß arme kindt jammert mich; niemandts hats ahnsehen wollen, alß ich. Es ist aber auch zeit, daß ich wieder ahn Ewer liebes schreiben komme. Ich bitt Euch, hertzliebe Louise, danckt doch monsieur Botmer[10] vor die schönne goltene medaille, so er mir durch seinem neveu, monsieur von Hoym,[11] geschickt hatt! Monsieur Martines muß mein brieff vom 2 ahn monsieur Botmer geschickt haben; den Ihr hattet mir ja von Franckfort auß geschrieben, daß [ich] meine brieff vor Eüch hinfüro ahn monsieur de Martine schicken solte, welches ich auch gleich gethan. Wie kan es Eüch den wunder nehmen, das monsieur Botmer Eüch meinen briff geschickt hatt? Mein sohn ist, gott sey danck, in gar volkommener gesundtheit. Ich dancke Eüch sehr, liebe Louise, Eüch über sein wollsein zu erfrewen. Es war nichts, alß daß er nach dem abscheülichen freßen sich zu baldt in einem wahrm[12] ort eingespert undt endtschlaffen, mitt einem starcken husten undt schnupen dabey; davon wurde er übel undt hernach ohnmächtig. Aber es war gar kein schlag, gott lob! Es ist mir lieber, den abscheülichen schrecken umbsonst gehabt zu haben, alß wen es wie bey seinem herrn vattern s.[13] So lang ich [493] die augen offen haben werde, werde ich mich dießes abscheülichen abendts erinern. In den frantzoschen apotecken ist nichts in der weldt, alß clistirmedecinen undt rossenwaßer, sonst gar nichts.[14] Sie wißen nicht, waß andere waßer sein; clisterium donare, posta seygnare.[15] Man hatt mir nichts anders eingeben, alß daß man mich mitt dem saltz von Ipson[16] purgirt hatt. Ich bin nicht kranck, aber wie alle alte weiber, so allezeit, wen sie wolten, waß zu klagen könten haben. Aber klagen ist mein sach gar nicht,[17] bin auch nicht gar[18] beklagt; wen also waß fühle, so eben nichts gefahrliches ist, so schweig ich maußstill. Ewer schiff, liebe Louisse, muß ein jagt[19] geweßen sein. Seydt versichert, daß Ihr mich manche nacht geweckt! Den wen ich den abscheülichen windt braußen hörte undt dachte, daß Ihr, liebe Louise, bey dem wetter auff der see wehret, wurde mir recht bang vor Eüch. Wie ist die graffin von Wittgenstein Ewers schwagers niepce? Den graff Carl ist ja nie geheüraht geweßen; sein elster bruder hatte sich mißheüraht undt eine frantzosche singerin genohmen, so wir ja einmahl zu Heydelberg gesehen haben. Waß große geschäfften konte der herr von Degenfelt zu Coln haben, umb sich nicht in Eüern rendevous einzufinden? Ich habe offt gedacht, daß Ihr vielleicht in Indien kommen würdet.[20] Allerhandt forchtliche sachen seindt mir in den sin kommen. Gott seye danck, daß alles so woll abgeloffen, undt erhalte Eüch ferner gnädiglich undt bring Eüch wider gesundt ins liebe Teütschlandt, wen Ihr nichts mehr in Engellandt werdet zu thun haben! Ich kan nicht begreiffen, wie man sich resolviren kan, zu see zu gehen. Daß ist ein schlechter dantz im schiff, daß were meine sach auch nicht; Ihr must groß courage haben, daß [494] Eüch bey dießem dantz nicht bang geworden. Mein gott, wer solte nicht kranck werden, sich so zu schüttlen? Alles, waß man im magen [hat], muß herrauß. Daß war ein narischer einfall von Ewerm haußhalter, Eüch ein todtenliedt vorzusingen. Ihr habt Ewern schwager alt gefunden, weillen er in der that nun gar nicht mehr jung ist; er findet wider meinen gruß hirin. Hirmitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwordet. Erster tagen werde ich das andere beantworten. Adieu, hertzallerliebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
P. S.
Ich hette schir vergeßen, zu sagen, daß madame de Lussan, madame la princesse ihre hoffmeisterin,[21] hatt mich gar sehr gebetten, mich zu erkundigen, ob es war ist, daß der duc de Schomberg in intention ist, Coubert[22] zu verkaufen, undt ihn zu bitten, ihr den vorzug von dießem kauf zu geben. Sie will aber nicht, daß man sie ahn dem duc de Chomberg nent, biß ihr kauff kan ins werck [gesetzt werden]. Weillen ich aber nicht so umb den pot herumb gehen kan, sage ich blat herauß, wie die sach ist. Ihr werdt es vielleicht noch beßer begreifen auß ihrem brieff ahn meine dame d’atour, madame de Chasteautier.[23] Schreibt mir, liebe Louisse, waß drauff zu antwortten ist! Man sagt hir, der peupel hette sich zu Londen gegen ihren könig revoltirt undt koht undt stein in sein kutsch geworffen. Sagt mir, liebe Louisse, ob es war ist! Den weillen es in voller gaß solle geschehen [sein], so kan es ja kein secret sein.[24] [495]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Dezember 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 490–495
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0678.html
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