Seitenbanner

Brief vom 18. Januar 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


681.


[502]
Versaille den 18 Januari 1715.
Hertzallerliebe Louisse, dieße woche habe ich kein schreiben von Eüch entpfangen, also werde ich heütte auff daß vom 17 December andtwortten, worauff ich noch nicht geantwortet habe. Ihr habt groß unrecht, liebe Louise, gegen Eweren [stil] vor[1] dießem letzten brieff zu reden; den ob Ihr ihn zwar mitt großer eyll geschrieben hattet, so ware doch kein eintziger fehler drinen. [503]
Versaille den 22 Januari.
Hertzallerliebe Louisse, vor 4 tagen hatte ich schon ahngefangen, zu schreiben, wie Ihr da segt; aber es seindt mir so viel verhindernüßen zugestoßen, daß ich biß auff heütte habe verschieben müßen. Seyder dem habe ich noch 3 liebe brieff von Eüch entpfangen, einen durch monsieur Bennigsen vom neüjahrstag undt zwey auff einmahl, so ich selbigen morgen durch die post entpfangen, von 14 undt 7 dißes monts; werde aber vorher auff daß [antworten], so ich schon ahngefangen hatte; den ich pretendire, daß mein brieff heutte eine gar lange epistel werden solle. Ich sehe, daß Ihr nicht weniger verhinderungen in Londen habt, alß ich hir, liebe Louise! Nichts in der welt macht einem ungedultiger. Nimbt es Euch wunder, liebe Louise, daß ich in sorgen vor Eüch geweßen, so müst Ihr ja ahn meiner freündtschafft zweyfflen. Mich deücht doch, ich habe Eüch nie keine ursach geben, ahn meinen versicherungen zu zweyfflen. Ihr seydt ja, waß mir gantz nahe allein überig bleibt, undt wen Ihr mir gleich ein bludts-frembt mensch wehret, müste ich Eüch ja wegen Ewerer tugendt estimiren, will geschweygen den, da Ihr mir ja so gar nahe seydt; ja, wen Ihr auch nur so langen jahren bey ma tante s. gewest wehret, welche ich so über alles in der welt geliebet undt gerespectiret habe, so müste ich viel von Eüch halten. Woher kompt dan der zweyffel, liebe Louisse, daß ich mich nicht vor Eüch interissern[2] solte? Daß offendirt mich recht. Ich glaube, daß Ihr den halß von der seelufft versaltzen habt undt daß Eüch das so großen durst noch gibt. Ich fürchte, daß die londische lufft nichts beßer machen wirdt. Monsieur Bennigsen sagt, daß Ihr Eüern dieb zwar habt, aber nicht wolt hencken laßen. Wist Ihr aber woll, liebe Louisse, daß Ihr Eüch [schuldig] macht alles, waß er weitter stehlen wirdt? Aber ich glaub, Ihr verzeit ihm wegen der invention, so doch all artig ist, undt daß er Eweren laquayen witzig gemacht undt deniessirt[3] hatt; aber dieße lehrkunst ist Eüch zu thewer. Herr Max sohn ist glücklicher, alß Ihr, weillen er seine sachen wider funden. Es wundert mich nicht, daß Ihr den duc de Schonburg alt gefunden; er kan nicht jung sein, den er ist gar gewiß älter, alß ich, undt wie Ihr wist, so werde ich ja im Mayen 63 jahr alt werden; also kan er nicht jung sein. Ich kan leicht begreiffen, daß Eüch daß liebe vatterlandt lieber ist, alß Engellandt, [504] undt ich finde, daß Ewer schwager undt niepcen Eüch sehr verobligirt sein solten, über daß meer ihrendtwegen gefahren zu sein. Daß were woll die gröste freündtschafft, so ich jemandts erweißen könte, ihm eine vissitte über die see zu geben. Ich bin allezeit verwundert, wen ich jemandts sehe, so ohne widerwillen zu see gehet; finde also, daß Ihr Ewere niepcen eine große freündtschafft erwießen, nach Londen zu reißen. Alles, waß ich von der printzes von Wallis höre, macht, daß ich sie woll recht estimire undt lieb bekomme; sie hatt rechte noble undt schönne sentiementen, ich fühle eine rechte inclination vor sie. Daß sie Eüch woll entpfangen, wundert mich nicht; den sie ist gegen jederman höfflich, undt wie solte sie es nicht gegen Eüch sein? Sie hatt Eüch ja allezeit lieb gehabt, also nimbt mich dieß gar kein wunder. Wen man in ein frembt landt ist, so hatt man die personen, so man in seinem landt lieb gehabt hatt, noch 10 mahl lieber. Aber waß mich wunder nimbt, ist, daß der printz von Wallis so hofflich gegen Eüch geweßen; daß macht mich hoffen, daß er sich beßert. Die armen leütte von Hannover kommen mir vor, wie die schaffe, so keinen hirtten mehr haben. Allein eßen ist eine verdrießliche sach, daß ist eines von den stücken, so mich ahm schwehrsten hir vorkommen; den wen ich spüre, daß die umbstehenden mich so ins maul sehen, benimbt es mir allen lust zum eßen.[4] Die kleinen printzessinen sollen artig undt woll erzogen sein. Wer ist ihre hoffmeisterin? Unßer herr vatter s., der churfürst, pflegt alß zu sagen, daß das geschlecht von den gutten hoffmeister undt hoffmeisterinen gantz außgestorben sey; aber die printzes von Wallis muß noch jemandts gefunden haben von dießem geschlecht, weillen I. L. kinder so woll erzogen sein. Mylord Petterbouroug[5] ist nicht von denen, so den itzigen könig in Engellandt adoriren; den er hatt hir außgebreydt, daß zu Bristol könig Jacob der tritte were proclamirt worden, daß, wie könig Görgen hette hingeschickt, den auffruhr zu stillen, so wehren die, so man hingeschickt, wehren so übel entpfangen worden, daß man nicht weitter hette hinschicken dörffen. Er hatt auch hundert impertinante[6] vom könig verzelt, von seinem geitz, daß er nichts geben woll undt die printzes von geben abhalte. Er verzehlt, daß I. M. mitt einer damen gespilt hetten, die wehre ihm 18 francken [505] schuldig geblieben; andern tags hette dieße dame dem könig viel bouteillen wein geschickt, da hette der könig zum knecht gesagt: Sagt ahn Ewere dame, sie solle Eüch meinetwegen 8 francken geben! so bleibt sie mir nicht mehr, alß noch 10 francken, schuldig. Er hatt noch etwaß schlimmers hir offendtlich verzehlt, nehmblich daß der könig in die commedie hette gehen wollen, da hetten die commedianten von nichts, alß hanereyen, gesprochen undt hetten der printzes von Allen[7] historie vor dem könig gespilt. Hundert solche schöne historien verzehlt dießer erbare gesell, es hatt mich recht gegen ihm piquirt. Er kompt nie zu mir; were er kommen, hette ich ihm meine meinung dichte gesagt. Man muß die warheit sagen, Englander seindt wunderliche köpffe undt insonderheit dießer, vom welchen wir sprechen. Wie Ihr mir von die artzeney sprecht, so ein stein ist, den man schabt, so muß es ein bezouar[8] sein, aber daß Melady-Kent-pulver thut alles, waß der bezouar thut, undt erhitzt nicht so sehr. Es ist noch ein anderer stein, so in einem schwein gefunden wirdt undt la piere de porc[9] heist; dieß ist gar waß rares. Piere de porc habe ich nicht, aber bezouar habe [ich] von zweyerley art; bin I. L. der printzes von Wallis doch über die [506] maßen verobligirt, erstlich vor I. L. so güttiges ahndencken, hernach auch, vor meine gesundtheit zu sorgen.[10] Liebe Louisse, macht den meine demütige dancksagung auffs aller-schönst! Warhafftig, die printzes hatt mir daß hertz gantz gewohnen. Von monsieur Stors[11] habe ich noch nichts gehört, muß noch nicht ahnkommen sein. Es macht mich recht ungedultig, daß Ihr den könig Gorgen von Englandt noch nicht gesehen habt; er thut sich selber mehr tord damitt ahn, alß Eüch. Unßer könig ist nicht so; wen er damen weiß, so ahn die königin, seine fraw mutter, geweßen, so tractirt er sie mitt der grösten höfflichkeit von der weldt. Höfflich sein stehet großen herrn gar woll ahn.[12] Himitt ist Ewer erstes schreiben von 22 December vollig beantwort. Ich komme jetzt auff Ewer schreiben vom 14 dießes monts, die andere zwey aber, alß daß vom 1 undt 7, werde ich vor ein andermahl sparen. Ich beklage Eüch woll, liebe Louisse, kranckewartterin zu sein von einer so abscheülichen kranckheit; in der welt ist nichts argers, alß die kinderblattern, undt woll zu bedauern, daß es auff die hübschte von Ewern niepcen[13] gefahlen ist. Ihr thut mir einen großen gefahlen, liebe Louise, die posten nicht zu verseümen; den ich freüe mich alß recht auff Ewere liebe schreiben. Die kinderblattern seindt den augen abscheü[lich] gefahrlich. Ohne ein docktor, so auch ein occulist undt Gendron[14] heist, hette ich meine augen verlohren, hatte zwey grain[15] in einem undt 3 im andern aug. Die blattern seindt mir in den augen kommen, ob man mir zwar saffran umb die augen geschmirt hatte. Daß Ewere niepce so gedultig in ihrer kranckheit ist, erweist ein samfftes gemühte undt daß sie nicht viel nach ihrer schönheit fragt. Wen man geheüraht ist, ist die schönheit nicht nöhtig; aber umb verkaufft zu werden, muß man doch gefahlen. Offt ist man mehr gezeignet von den kinderblattern undt mehr verendert, alß die so gezeichnet sein. Man weiß hir schon der [507] contesse de Roy[16] ihren todt; ich habe gleich mademoiselle de Malauze deßwegen geschrieben; glaube, daß sie leicht wirdt zu trösten sein. Sie hatt mir seyder dem nicht geschrieben. Die comtesse de Roy war auffs [wenigst] 81 jahr, schin schon eine fraw von 40 jahren, wie ich in Franckreich kommen, undt es ist nun 43 jahr, daß ich hir bey hoff bin. Ewer Schwager halt ich vor jünger; glaube nicht, daß er noch[17] 80 jahr alt ist.[18] Wie kompt es, daß Ihr nicht in Ewers schwagers hauß logirt? Liebe Louisse, Ihr thut woll, nicht zu den königlichen kindern zu gehen, biß die 40 tag herumb sein; den solten ihnen dieße kranckheit zukommen, würde man Eüch die schuldt geben.[19] Der printz von Darmstat ist zu Paris, hatt sich aber noch nicht bey hoff gewießen. Den printzen von Ahnhalt habe ich gesehen; er hatt mir aber kein brieff von mademoiselle de Malausse gebracht. Er gleicht sehr ahn den gutten hertzog Anthon Ulrich, wie er noch jung war. Fürchten den die damen undt ladis in Engellandt die kinderblattern nicht? Es ist doch gar eine gefahrliche kranckheit. Hir scheüdt man die kranckheit abscheülich. Wen man nur a Madame setzt, bekomme ich die briff gar woll. Dancke sehr vor alle gutte wünsche, wünsche Eüch negst gutter gesundtheit alles, waß Ewer hertz begehrt, undt bitte, zu glauben, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Januar 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 502–507
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0681.html
Änderungsstand:
Tintenfass