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Brief vom 1. Februar 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


683.


[512]
Versaille den 1 Februari 1715.
Hertzallerliebe Louise, vergangenen montag bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 21/10 Januari erfrewet worden. Ich bekamme selbigen morgen auch eines von mademoiselle de Malauze, von [513] selbigen tag datirt; also kam eines dießmahl so geschwindt, alß daß ander. Andern tags, alß dinstag, andtwortete ich ahn mademoiselle de Malause; den ich hatte ihr freytag nicht schreiben können, wie es mein intention geweßen ware undt ichs Eüch gesagt hatte, liebe Louisse! Also habe ich ihr dinstag geschrieben undt Eüch vor die freytagspost verspart. Ich weiß nicht, wie es kompt, daß Ihr meine zwey schreiben auff einmahl entpfangt; den es ist gar gewiß, daß von hir 2 posten nach Engellandt gehen, alß nehmblich alle mitwog undt sambstag umb 9 morgen; drumb schreibe ich immer den abendt vorher undt schicke es ahn monsieur Martine, der es, wie er mir versichert, es allezeit ahn monsieur Botmar schickt. Ich habe fortgefahren, Eüch durch dieße gelegenheit zu schreiben; den ich hoffte, dadurch Ewern beüttel zu sparen, weillen es ins königs paquet [kommt], wo man ohne zweyffel nichts zahlt. Die posten gehen doch hoch hir allezeit; aber wie hoch, kan ich nicht wißen, den ich habe meine paquetten frey, höre aber alle die, so die posten nicht frey haben, sehr drüber klagen; drumb auch, wen Lenor hir ist, habe ich ihr gerahten, alle ihr[e] corespondentzen unter meinen nahmen zu kommen laßen, welches allezeit geschicht, wen sie hir ist. Es ist mir recht leydt, daß Ihr Eüch so übereylt habt undt 2 gesunde zahn habt außziehen laßen. Daß ist daß rechte mittel, sie alle nach einander zu verliehren; den unfehlbarlich zicht man durch daß zähnaußziehen den flüß auf die überige zähn, undt es ist ein groß glück, wen man sie nicht alle verliehrt; unßer könig hatt sie auff dieße weiß alle verlohren.[1] Es fehlen mir nur zwey, die mir im mundt gebrochen sein; forn ist auch einer [514] gebrochen, die andern alle seindt gar heßlich graw undt gelb, sie thun mir aber bißher nie wehe. Ich wolt, daß Ihr schon wider zu Franckfort wehret, weillen Eüch die londische lufft so übel zuschlecht. Ich glaub, ich bin nicht gescheydt; ich habe Ewer schreiben letztmahl so geschwindt geleßen, daß ich nicht in acht genohmen, daß, waß Ihr, liebe Louisse, habt ziehen laßen, so zwey blaßen seindt undt keine zähn, worüber ich alleweill so lamantirt hatte; muß meiner thorheit jetzt selber lachen. Es ist kein urlaub zu sagen zu zähnen, den daß ist nichts unerliches. Wir haben hir auch gar unbeständig wetter; mir fallen die flüße in den schenckeln undt knien, daß ich schir wie lahm bin; sie wahren, insonderheit daß rechte knie, sehr geschwollen, auch so, daß ich keine reverentz machen konte. Einer von meinen leütten, deßen mutter einen köstlich pflaster vor die armen macht, hatt mir ein pflaster geben, so gar nicht stinckt, sondern wie falsch musq[2] richt; daß trag ich nacht undt tag. Seyder dem haben meine knie wieder abgenohmen, aber sie seindt noch schmertzhafft undt schwach. So gern ich auch von Ewern schreiben habe, so wolte ich mich doch lieber denselben entbeehrn, alß daß das schreiben Eüch wehe thun solte, liebe Louisse! Mich verlangt, zu vernehmen, wie es abgeloffen undt ob Eüch mein brieff nicht geschadt hatt. Es ist kein bößer weib in der welt, alß die princes des Ursin; wen Ihr wüstet alle boßheit, so sie gegen mein sohn geübt, die haar würden Eüch drüber zu berg stehen.[3] Die printzes von Wallis hatt die gutte vor mir gehabt undt mir den bezoar[4] durch mylordt Stairs geschickt. Er hatt mir zwar gesagt, daß er ihn hatt undt mir geben solle, er hatt mir ihn aber noch nicht geben. Er hatt mir brieff vom könig in Engellandt undt printz von Wallis bracht, welcher gar hofflich ist. Der könig schreibt nur durch secretaire undt einen gar gezwungen brieff; ist kein gutt Frantzösch, es muß ein englischer secretarie sein. Sein brieff ist so frembt, alß wen er mich nicht kente. Ich muß gestehen, daß es mich schmertzt, daß meiner so hertzlich undt biß in todt geliebte tanten sohn so wenig von mir helt; aber von der printzes von Wallis bin ich charmirt, habe sie, [515] unter unß, recht von hertzen lieb undt wünsche I. L. taußendt glück undt vergnügen. Es ist mir lieb, daß Ewere niepce salvirt ist. Man sicht erst nach 3 mont, ob man gezeichnet wirdt sein, wen die geschwulst undt röhte vorbey wirdt sein. Ihr thut gar woll, nicht vor der 40taine[5] bey hoff zu erscheinen; den wen über 10 jahren die kinderblattern nach hoff kämmen, würde man Eüch die schuldt geben. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet. Ich habe noch ahn mein dochter zu schreiben undt es ist schon 8ten geschlagen, werde also nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, liebe Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Februar 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 512–515
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0683.html
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