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Brief vom 10. Mai 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


704.


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Versaille den 10 May 1715.
Hertzallerliebe Louise, hirmitt komme ich, mein wordt halten [557] undt follendts auff Ewer liebes schreiben, so ich vergangen dinstag nicht habe völlig beantwortten können, ferner zu andtwortten. Ich bin nunmehr, gott seye danck, in gar gutter gesundtheit; der husten undt schnupen seindt gantz vorbey. Wie könt Ihr Eüch, liebe Louisse, verwundern, daß ich etlichmahl ursach habe, unlustig zu sein, nachdem Ihr meinen großen brieff geleßen, den ich ahn ma tante s., unßer liebe churfürstin, durch monsieur de Wersebé geschrieben hatte? Der alte groll wirdt nur mitt dem leben enden undt alles, waß die zot[1] nur wirdt erdencken können, mir böß office zu leysten undt mich zu chagrinniren, daß wirdt sie thun. Es findt sich eine neüe ursach, nehmblich weillen ich ihre hertzensfreündin,[2] die die itzige königin in Spanien weggejagt hatt, nicht habe sehen wollen. Die ursach, warumb ich diß weib nicht hatt sehen wollen, ist, daß mein sohn mich drumb gebetten; den sie ist seine ärgste feindin undt hatt ihn wollen offendtlich vor einen vergiffter[3] passiren machen.[4] Mein sohn hatt sich nicht contentirt, seine unschuldt zu beweißen, sondern er hatt alle informationen ins parlement tragen laßen, daß sie da mögen verwahret werden. Daß kan die ander mir nicht verzeyen, daß ich ein solch weib nicht sehen will, aber, wie daß teütsche Sprichwort sagt: Gleich undt gleich geselt sich gern, sprach der teüffel zum kollenbrener. Ich muß mich auff alles bößes gefast halten undt gedult nehmen. Mein sohn, so mich in dieß labirint geführt, wirdt mich nicht herauß [führen], auß forcht, seine dochter in ungenadt bey der dame zu bringen. Aber hiemitt genung von dießen verdrießlichen sachen! Es ist mir von hertzen leydt, daß Ewer chagrin auch continuirt undt Ewere reiße umbsonst geschehen wirdt sein. Es ist ein ellendt, wen die leütte, mitt welchen man zu thun muß haben, wie Ihr mitt Ewerm schwager, keine raison begreiffen wollen. Wen man durch trübsall seelig wirdt, habe ich ahn meine seeligkeit gar nicht zu zweyffelen; den deren habe ich viel mehr hir im landt außgestanden, alß lust, noch freüden, daß weiß gott. Wen es ein zeichen ist, daß man von gott geliebt ist, wen man der welt überdrüßig ist, so hatt mich gott der allmächtige gewiß sehr lieb; den man kan der welt nicht [558] überdrüßiger sein, alß ichs bin. Die so große gewahlt hir hatt,[5] ist piquirt gegen die königin in Spanien, weillen sie nur ahm könig undt nicht ahn sie geschrieben hatt; drumb waß sie ihr wirdt zu leydt ahnthun können, wirdt sie gewiß thun. Aber die königin in Spanien ist weit davon, fragt also nichts darnach. Ihr könt woll gedencken, daß ich Eüch die 40 m. gülten viel lieber gönnen mögte, alß dießem bößem weib[6]; aber der könig gibt keinen menschen nichts von waß man im krieg verlohren hatt, sagt: Ce sont les malheurs de la guerre. Aber es wirdt jetzt gleich zwölffen schlagen, ich muß in kirch; nach der kirch werde ich der princes de Conti eine vissitte geben, also erst nach dem eßen wider ahns schreiben kommen können.
Da bin ich wider in meinem cabinet. Ich habe nicht zu der printzes de Conti gekönt; den ihre hoffmeisterin, die marquise d’Urfé, hatt mir gesagt, ihre stige were schwer zu steygen, undt ich kan keine leichte stige steygen, will geschweygen eine ungemächliche, habe also meine entschuldigung machen laßen undt bin wider herkommen undt kan nichts beßers thun, alß Eüch noch zu entreteniren, liebe Louisse, biß mein eßen kompt. Freylich muß man hir gedult haben, undt wie daß teütsche Sprichwort sagt: Gedult überwindt buttermilch. Wen mich waß chagrinirt, suche ich hundert sachen hervor, so mir distractionen geben können, undt überwinde es so in wenig tagen, gehe meinen gerahten weg fort undt laß gott walten, rede so wenig davon, alß mir immer möglich ist. Aber in dießem augenblick rufft man mich zur taffel, muß also noch eine pausse machen.
Freytag umb halb 4 nachmittags.
Ich habe ohnmöglich eher, alß nun, zum schreiben gelangen können nach dem eßen; den umb die warheit zu bekennen, so habe ich ein wenig wegen der digestion ruhen undt nicht so baldt schreiben wollen; allein die lange weille, zu bleiben, ohne nichts zu thun, hatt mich eingeschläffert, habe mehr, alß eine gutte halbe stundt, geschlaffen; hernach habe ich eine andere arbeit, die nicht sauber zu sagen ist, gethan. Aber nun hoffe ich, ohne interuption zu schreiben können. Wie man mich zur taffel geruffen hatt, so war ich ahn Ewer gutte wünsche geblieben, liebe Louisse, wovor ich [559] Eüch woll hoch verobligirt bin; den nichts ist mir nöhtiger, alß das mir gott der herr beystehet; außer ihn habe ich weder hülff noch raht. Ich habe Eüch schon vergangen dinstag gesagt, wie offencent es ist, daß Ihr Eüch scheütt, mir von Eüern affairen zu sagen; den das kan mir ja nie beschwerlich sein, das Ihr, liebe Louise, vertrawen zu mir habt undt Ewer hertz eröffnet undt auff gutt Teütsch mir Ewern verdruß klagt, welchen [ich], wie Ihr wist, lengst vorgesehen habe undt nicht anderst hatt sein können, wie man mir hir Ewers schwagers humor beschrieben hatt. Es wirdt mir angst sein, biß ich Eüch wider zu Franckfort werde wißen, wegen der see, dern ich nie trawe. Ich glaube, daß es Ewern niepcen nicht weniger schmertzen wirdt, alß Eüch, wen Ihr verreyßen werdet; sie können wenig trost von ihrem vatter erwartten. Ich glaube, daß Ewere jüngste niepce mehr zu weinen hatt, alß die eltste, in fall der herr von Degenfelt wider mitt Eüch in Teütschlandt geht. Ich habe Eüch schon letztmahl vor Ewer artiges kupfferstück gedanckt undt gesagt, waß ich gefunden. Aber waß ist die dolle coeffure, so man den printzesger auffgesetzt hatt? Es sicht eben auß, wie gefaltene servietten, wie man sie ahn den teütschen höffen macht, wan frembde kommen.[7] Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben vollig beantwortet. Ich komme auff daß vom 18/8 April. Von printzen von Schwartzenburg werde ich nichts sagen, alß daß ich gehört, daß es schir noch verdrießlicher vor teütsche fürsten in Engellandt zu bleiben ist, alß hir; den man ihnen gar keinen rang accordiren will. Es ist gar gewiß, daß mylord Petterbouroug[8] wider in Engellandt ist. Wie er hir von seinem könig undt printzen gesprochen, hatt er woll meritirt, daß man ihm den hoff verbiet.[9] In Engellandt ist es genung, ihr könig zu sein, umb gehast zu werden. Daß lob hatt der könig Jörgen allezeit gehabt, recht gerecht zu regiren; aber mich deücht, wen man so gar gerecht ist, muß man es in alles sein, undt mich deücht, Ihr, liebe Louisse, habt Eüch seiner gerechtigkeit eben nicht sehr zu rühmen. Roht heist man hir kein schminck, nur daß weiß. Ich finde daß schmincken auch abscheülich; es ist sehr gemein jetzt hir.[10] Die duchesse de Porthmuth[11] [560] ist eine rechte gutte fraw, wen man sie kent; macht nie keine tracasserien. Ich glaube nicht, daß sie nun zu gefallen denckt; sie hatt lengst niemandts mehr hir gehabt, so verliebt von ihr wahr, führt nun ein regullirt leben. Hiemitt seindt Ewere beyde liebe schreiben völlig beantwort, bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch von hertzen zu ambrassiren undt zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte undt biß ahn mein endt behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Mai 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 556–560
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0704.html
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