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Versaille den 9 April 1715.
Hertzallerliebe Louisse, ich weiß nicht, ob ich recht chiffrirt
habe;
[1] den man hatt mir meinen zettel, worauff ich es gesetzt
hatte, verlohren. Vergangenen freytag habe ich Eüch unmöglich
schreiben können, habe den gantzen tag vissitten zu thun gehabt
undt abendts müßen ahn mein tochter schreiben. Heütte schreibe
ich Eüch, ob ich zwar heütte morgen 4 paletten zur ader gelaßen
undt so viel vissitten [gehabt], daß mir der kopff davon threhet. Aber es
war mir bang, daß, wen Ihr von andern, alß mich selber, erfahren
soltet, daß man mich zur ader gelaßen undt purgirt (den freytag
undt sambstag wirdt man mich purgiren), daß es Eüch in sorgen
setzen würde. Drumb habe ichs Eüch lieber selber sagen wollen
undt dazu Eüch versichern, daß ich es nicht gethan wegen einiger
unpäßlichkeit, sondern nur, umb nicht geplagt zu werden; den wen
ich dem docktor eine aderläß oder medecin abschlage, plagt mich
der gantze hoff; also umb ruhe zu haben, thue ich alles, waß man
will, ohne starcken glauben, daß es mir gar woll bekommen mag.
Macht meine entschuldigung ahn mademoiselle de Malauze! Aber
vor heütte über 8 tage kan ich ihr ohnmöglich schreiben wegen
allen dießen hudtleyen.
[2] Ich habe Ewer liebes schreiben von
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1 April / 21 Mertz zwar zu recht vor ein par tagen entpfangen, kan
aber heütte ohnmoglich drauff andtwortten. Da kommen noch ein
halb dutzendt duchessen undt es hatt 10 geschlagen, muß zu nacht
eßen, über 8 tagen aber hoffe ich, ob gott will, einen größern brieff
zu schreiben, oder vielleicht gar biß donnerstag. Adieu, hertzliebe
Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen, undt in welchem standt
ich auch sein mag, so seydt versichert, daß ich Eüch recht von
hertzen lieb behalte!