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Brief vom 14. Mai 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


705.


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Marly den 14 May 1715.
Hertzallerliebe Louise, ich kan nicht begreifen, warumb man Eüch immer eine post von meinen brieffen auffhelt. Daß seindt aber maniren von den hanoverschen secretarien; die haben gar lang ma tante, unßerer lieben churfürstin s., schreiben mir alß zwey undt zwey auff einmahl geschickt undt hernach haben sie bey mir auffgehört, aber ma tante die meinige, wie Eüch jetzt, alß zwey undt zwey geben. Worin dieße lust bestehet, kan ich nicht begreiffen; den es kan ja niemandts zu nichts dinnen. Ich will aber weitter nichts davon sagen, den es ist doch gantz unnöhtig. Vergangen sambstag abendts habe ich Ewer liebes schreiben vom 6 May / 26 April, no 7, entpfangen, liebe Louisse! hoffe, heütte völlig drauff zu antwortten können. Ich habe Eüch, wie ich glaube, schon die ursach von meinem dollen chiffriren geschrieben undt wie ich daß zettelgen verlohren, worauff ich es gesetzt hatte, also gar nicht mehr wuste, woran ich war;[1] habe ein neües gemacht, werde nun nicht mehr fehlen. Ich dachte, heütte gar keine interuption zu bekommen; aber da kompt monsieur Martine herrein undt gibt mir part, daß mein vetter, der erbprintz von Heßen Cassel, seinen heüraht undt beylager zu Stockholm den 4 vergangen mont volzogen. Weillen daß ceremonial verhindert, daß wir einander nicht schreiben können, so habe ich ein par wordt geschrieben, alß wen ich ahn monsieur Martine schriebe, vor den landtgraffen, den regirenden [561] herrn. Also hatt doch le diable au contretemps sein spiel gewonnen; den daß hatt mir doch eine gutte stundt zeit genohmen. Monsieur Martine hatt mir ein paquet von Eüch gebracht mitt allen effect von der sonnenfinsternuß.[2] Ob ich zwar kein Englisch verstehe, so begreife ich doch viel davon, weillen ich die planetten undt constelationen kene. Ich werde es einem von meinen leütten geben, so zu St Germain wohnt; den er wirdt woll von den Engländern dort einige finden, so Frantzösch genung können, umb dießes zu übersetzen; finde es sehr curieux, dancke Eüch gar sehr davor, liebe Louisse! Es ist viel exacter undt curieusser, alß waß ich Eüch geschickt hatte.[3] So sachen divertiren mich mehr, alß wie wen ich im salon landtsknecht spiellen müste. Daß spiellen lieb ich gar nicht,[4] bin also nie im salon, sondern bleib in mein cabinet. Weillen Ewer letztes liebes schreiben vom 29 April / 9ten May daß kürtze ich,[5] will ich es gleich beantworten, daß lengere vor dießen nachmittag sparen. Ich hoffe, zeit genung dazu [zu finden], den es ist heütte gar ein heßlich wetter. Ich glaube nicht, daß man spatziren geht, oder fährt. Fährt man spatzirn, muß ich mitt; den der könig hatt mir vergangen sambstag gar einen gnädigen filtz geben, daß ich nicht letztmahl mitt geweßen bin, habe versprochen, nicht mehr zu fehlen. Ich kan nicht begreiffen, warumb die brieffe etlich mahl so geschwindt undt andere mahl so gar langsam gehen.
Dinstag, den 14 May, umb 3 viertel auff 1 nachmittag.
Wie ich den ersten bogen von dießem brieff geendet, hatt man mich geruffen, umb in kirch zu gehen, den es war schon 12 geschlagen. Ich habe noch ein viertelstündtgen zeit, biß meine speißen ahngericht werden, werde Eüch also noch entreteniren, biß man mich zur taffel rufft. Ihr werdet auß meinen schreiben von hir auß ersehen haben, daß ich, gott lob, wider gantz gesundt bin. Da kompt madame Dangeau herein, muß also wider eine pausse machen biß nach dem eßen.
Dinstag umb ein virtel auff 4 abendts.
Gleich nach dem eßen hatt man mir bücher zu kauffen [562] gebracht, daß hatt mich eine zeit lang amussirt. Hernach habe ich eine gutte halbe stundt undt mehr berlan spillen sehen, madame Dangeau, die mit unß geßen hatt, madame la duchesse de Brancas, meine damme d’honneur, undt die marechalle de Clerembeault, von welcher Ihr woll werdt vielleicht gehört haben; sie ist hoffmeisterin von Monsieur s. kinder geweßen, also auch von den meinen, undt ist jetzt von meinen damen; sie spillen da noch bey meiner taffel. Ich komme jetz[t] wider, wo ich vor dem eßen geblieben war, nehmblich ahn meiner, gott sey danck, gutte gesundtheit. Ich glaube, wie Ihr, liebe Louisse, daß mir der husten undt schnupen beßer bekommen, alß meine aderläß undt saltz von Ipson. Unßer krancken hir seindt alle wider viel beßer. Madame la duchesse solle heütte herkommen undt meines sohns gemahlin morgen. Wie ich von der duchess de Malbouroug[6] gehört, so wirdt kein großer verlust ahn ihr sein. Solte sie baldt sterben, wirdt sie ihrer königin,[7] die sie so übel tractirt hatt, kein jahr überlebt haben. Die gemeine leütte meinen, daß die todten die, die überleben, so sie übel tractirt haben, die lebendige zu gericht ruffen undt daß sie deßwegen vor dem jahr sterben. In herrn Max sohns alter seindt wenig kranckheiten, so ihnen schaden, insonderheit in dießer jahrszeit; hoffe also, daß er baldt wider von seinem fieber courirt wirdt sein. Dieße verdrießliche englische reiße hettet Ihr Eüch woll ersparen können, liebe Louise! Waß Ihr mir von der sonnenfinsternuß geschickt, ist viel curieusser, alß waß ich Euch geschickt hatte. Es seindt vor ein par monat auch envoyes von Tripoli hir geweßen,[8] ich habe sie aber nicht gesehen. Ich kan nicht begreiffen, wie die Affricaner jetzt so ingnorent sein, da sie doch vor dießem so gelehrt in der astronomie geweßen. Alle die Affricaner sehen woll auß. Von monsieur Einhaußen sage ich nichts mehr. Es ist ein unglück, daß er so zu unrechter zeit kommen ist.[9] Ich beschwere mich gar nicht, daß Ihr mir zu geschwindt wider geschrieben habt; contraire, Ihr habt mir einen rechten gefahlen dran gethan. Aber wo ist Ewer brieff mitt dem agsteinen fläschgen [563] hinkommen?[10] Da höre undt sehe ich nichts von, liebe Louisse! Nun komme ich wider auff Ewer liebes schreiben vom 25 April / 6 May, so ich heütte morgen ahngefangen hatte zu beantwortten. Es ist kein wunder, daß man bey so unbeständigen wetter, alß dießer frühling ist, kranck wirdt. Ich wünsche, liebe Louisse, daß Ihr noch vor Ewerer abreiße den trost haben möget, auff wenigst Ewere elste niepce verheüraht undt woll establirt zu sehen; daß were noch woll der mühe wehrt, zu wartten. Mich verlangt, zu vernehmen, wie der duc de Schomburg die sach ahnnehmen wirdt. Alle leütte, so auß betrübtnuß sterben, jamern mich, ob ich sie zwar nicht kenne; den es ist etwaß abscheüliches; also beklage ich den mylord Wharton[11] sehr. In alle calender setzt man ordinarie alle sichtbare undt unsichtbare finsternüße. Hir ist sie nicht so total geweßen, alß in Engellandt. Vor 9 jahren war auch eine hir, selbige aber hatt zwar nicht so lang gewehrt, war doch dunckeller, alß dieße letzte; sie war damahls in Spanien so total, alß sie dieß jahr in Engellandt geweßen.[12] Es ist war, daß viel curieussen von hir nach Engellandt sein, die esclipse zu sehen. Ich bin auch zimblich curieux, allein nichts konte mich auß curiositet über die see führen. Sonnen- undt montsfinsternüße seindt nichts sonderliches; es geschehen alle jahr, aber sie seindt nicht allezeit ahn Einem ort sichtbar. Waß zu admiriren ist, ist die rechenkunst, wodurch man so gewiß aller planetten lauff wißen kan, die die sonnen- undt montsfinsternuß auff eine minutten hundert jahr, ehe sie geschicht, vorhersehn können undt just prophezeyen. Viel leütte, so es geradt in die sonn haben sehen wollen, den hatt es wehe ahn den augen gethan; man macht aber gläßer mitt dem rauch drüb, dadurch [564] sehen wir hir, so kan es nicht wehe ahn den augen thun.[13] Der metzger muß woll ein narr gewest sein, so nicht auß seinem hauß gewolt, da man ihn doch gewahrnt, daß es einfallen würde.[14] Gott verzey mirs! ich hette schir gesagt: Es ist ihm recht geschehen. Man leügt ahn allen ortten woll abscheülich; unßer könig ist woll gantz undt gar nicht kindisch, sondern hatt noch, gott lob, seinen gutten verstandt. Ich rattotire mehr, alß I. M., den ich verliehre gantz daß gedächtnuß;[15] glaube, daß ich erster tagen mitt pupen spillen werde. Schreibt mir, waß die printzes Anne Eüch sagen wirdt! Ich höre so gern der kinder raisonnementen, finde artig, wen sie raisoniren. Wir haben vor dießmahl gantz undt gar nichts neües hir undt Ewere beyde schreiben seindt vollig beantwortet, bleibt mir also nichts mehr überig, alß Eüch, liebe Louisse, zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Mai 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 560–564
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0705.html
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