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Brief vom 3. Mai 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


702.


[551]
Versaille den 3 May 1715.
Hertzallerliebe Louise, ich bin expresse ein wenig früher auffgestanden, alß ordinarie, in hoffnung, Eüch dießen morgen einen raisonable langen brieff zu schreiben können; den weillen der hoff seyder vorgestern zu Marly ist, seindt nicht mehr so viel leütte hir, so interompiren kommen. Wie ich aber eben herein wolte, kam man, mir sagen, ich solte doch nur in der gallerie die sonnenfinsternuß sehen mitt dazu prepari[r]ten gläßern.[1] Daß hatt mich gantz unvermuhtner weiß eine gantze stundt aufgehalten. Aber ich werde doch heütte eine gutte taille von brieff schreiben, wils gott; den daß man in meiner cammer spilt, hintert mich nicht ahn schreiben. Gestern hatten wir 3 taffeln in meinem cabinet, 2 vom lombre undt eine vom berlan.[2] Waß wir dießen nachmittag haben werden, weiß ich noch nicht; den es ist noch nicht halb 12 itzunder. Umb 12 werde ich in kirch in chaisse, so kan ich nicht die kälte fühlen; den es ist heütte gar kein Maywetter, sondern so kalt, alß wie im Mertzen; es geht eben so ein rauer undt scharpffer windt. Nach der meß werde ich zu madame la duchesse, so auch nicht nach Marly ist. Sie hatt eine schlimmere kranckheit, alß ich, so sie hir auffhelt; den sie hatt feygwartten,[3] so ihr den affter [552] fingers lang auß den hindern gehen macht, met verloff, met verlöff, wie die fraw Woltzogin alß pflegt zu sagen; zudem hatt sie stein undt grieß undt mühe, zu pißen, daß hatt sie so geendert, daß man sie kaum kenen kan. Ich habe, gott lob, nur einen gutten husten undt schnupen, habe dieße nacht beßer geschlaffen undt nicht so starck gehust, alß die vorige nächte; aber seyder ich auffgestanden, huste ich erschrecklich, werde nicht nach Marly, biß mein husten ein wenig leydtlicher undt nicht so eckelhafft sein wirdt, wie nun; den daß ewige husten undt speyen ist sehr eckelhafft undt man kans doch nicht einhalten. Aber da rufft man mich, umb in kirch zu gehen, muß also wider meinen willen eine pausse machen; den wen ich nach der kirch meine zwey vissitten werde abgelegt haben, so wirdt mein eßen auff der taffel stehen, so heütte in wenig schüßeln bestehet; den wegen meines abscheülichen husten eße ich kein fisch. Daß ist auch eine von den ursachen, warumb ich nicht nach Marly bin; den ich könte weder heütte noch morgen mitt dem könig eßen, den I. M. ärgern sich abscheülich, wen sie wißen, daß jemandts fleisch ist, wen man daß fieber nicht hatt, undt wie ich gar persuadirt bin, [daß] argernüß geben eine gar große sünde ist, so hütte ich mich dafür, so viel mir möglich ist.
Freytag nachmittags umb 5 abendts.
Gleich nach dem eßen, eine gutte halbe stundt hernach, wie mein enckel zu mir kommen, der duc de Chartre, habe ich ihm ein spectacle geben, so seinem alter gemäß. Drey hundt, 3 dauben undt eine katz, ein triomphwagen, darin sitzt eine hündin, so Andriene heist; eine große katz führt den wagen, eine daub ist der kutzscher, 2 seindt die pagen undt ein hundt ist der laquay, der sitzt hinden auff. Der hundt heist Piquart, undt wen die dame auß der kutsch steicht, so treg[t] ihr Piquart den schlep. Andrien, wen sie gekleydt ist, geht sie nur auff die hinderfüße. Die katz heist Castille, sie springt durch reiffen. Picard thut auch, wie die pferdt auff der reydtschul; man satelt ihn undt setzt ihm eine pupe auff den rücken, wie einen reütter. Der hundt, undt dißes finde ich ahm artigsten, dantzen durch 3 reiffen les olivette[4] gar geschickt. Dießer kerl hatt noch eine hündin, so Badine heist; die kendt alle [553] die kartten undt bringt, welche man will. Aber hiemitt genung von dießer badinerie.[5] So baldt ich wider in mein cabinet kommen, bin ich entschlaffen; den mein husten lest mich nachts nicht woll ruhen, bin erst umb 5 wider wacker worden, drumb schreibe ich so spät. Ich habe noch 2 bogen zu andtwortten auff einen von Ewern ersten schreiben. Liebe Louisse, ist es möglich, daß Ihr daß verdrincken nicht scheü[et]? Dießer todt kompt mir abscheülich vor; die ängsten seindt groß, wen man verdrinckt; es ist nur zu sehen, wie die, so verdrincken, fest halten, waß sie in den handen bekommen, umb ihre angst zu begreiffen. Also kan es kein süßer, noch samffter todt sein. Ihr müst mir berichten, wen Ihr wider auß Engellandt werdt, damitt ich meine brieffe nicht mehr dorthin adressiren mag. Ich meße der printzes von Wallis übermäßige politesse meinem hohen alter zu, so hetten I. L. woll gar keine ursach, mir von respect zu sprechen, alß ahn eine alte tante; bin I. L. woll über die maßen verobligirt vor alle dero gütte, kan aber keine wortte finden, meine rechte erkandtlichkeit zu bezeügen. Sagt alles, waß Ihr ahm besten erdencken könt! Engellandt ist der duchesse de Porsthmuth[6] gar gewiß viel schuldig. Von der gattung ist es woll die beste fraw, so ich mein leben gesehen; sie hatt ein gutt gemühte undt [ist] von gutten commerse.[7] Zu Monsieur s. lebenszeit hatten wir sie gar offt zu St Clou, kene sie also gar sehr.[8] Soltet Ihr sie sehen, bitte ich, ihr mein compliment zu [554] machen, liebe Louisse! Deß metzgers historie ist woll englisch auff allen seytten.[9] Die damen hir im landt haben keine staadtsjungfern mehr, sehe, daß es die in Engellandt auch so machen, Hiemitt ist Ewer altes schreiben durchauß beantwortet. Ich komme auff das frischte vom 11/21 April. Monsieur Einhaußen[10] hatt mir dießen brieff nicht geben, er kam aber ein par tag hernach. Waß er begehrt, ob es zwar nur eine bagatellen ist, so finden sich jetzt viel verdrießliche umbständen, so die sach schwer machen, alß nehmblich daß der monsieur le comte de Thoulousse, so oberjagermeister [555] ist, der ist ins badt vereyst.[11] Er hatt zwar monsieur Einhaussen erlaubt, mitt deß königs hunden zu jagen; allein man hatt deß könig hunde auffs landt geschickt undt deß königs pferde seindt alle hir. Man[12] man hir jagt, lent man sie woll, aber nicht, wen l’esquipage nicht hir ist, undt monsieur Einhaussen hatt keine pferde. Seyder ich selber nicht mehr reytte, habe ich auch keine mehr, sonst wolte ich ihm von den meinen offriren; also ist er sehr ambarassirt undt ich sehe kein mittel, ihm zu helffen. Ewer compliment war ohnnöhtig, spart daß vor frembte, liebe Louisse! aber ich bin Eüch zu nahe, umb daß Ihr mitt mir complimentiren sollet. Es ist mir recht von hertzen leydt, daß ich dießem edelman nicht helffen kan; den es ist war, daß alles, waß von Hannover, ist mir lieb. Nun komme ich auf Ewer liebes schreiben vom 18/7 April. Es verdrist, daß meine schreiben alß zwey undt zwey auff einmahl gegeben werden. Die schönne precautionen, so man genohmen, mich mitt aderlaße undt sel d’Ipson[13] zu plagen, damitt ich diß jahr keinen starcken husten bekommen möge, hatt abscheülich gefehlt; den in langer zeit habe ich keinen argern gehabt, alß nun, habe derowegen den könig noch nicht nach Marly gefolgt. Ich weiß noch nicht, welchen tag ich hin werde können; den daß stehet bey meinem husten. Daß sel d’Ipson ist dermaßen a la mode hir, daß alle menschen es brauchen, jung, alt, allerley leütte; hatt doch noch niemandts nicht geschadt. Mitt den precaution ertapt man mich nicht mehr. Ich habe, gott lob, einen gar gutten magen, hatt mir also weniger geschatt, alß ein anders. Warumb ich es lieber nehme, alß eine andere medecin, ist, weillen es nur einen bittern undt sonst keinen bößen medecinischen geschmack hatt. Vor alle gutte wünsche dancke ich von hertzen. Ich habe aber noch 3 brieff zu schreiben, muß also dießen enden. Ich bin gar offt interompirt worden von viel leütte, so von Marly kommen sein, ein flotte damens, wie auch der printz de Veaudemont[14]; daß hatt mir viel zeit benohmen, es ist schon nahe bey 9 uhr. Adieu, hertzliebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte, so lang ich leben werde!
[556] P. S.
Ich glaube, daß viel fehler in dießem brieff sein werden; den ich kan ihn ohnmoglich überleßen.[15] Aber, liebe Louisse, ich flattire mich, daß Ihr so ahn mein gekritzel gewohnt seydt, daß Ihr woll die helffte errahten werdet von waß ich habe sagen wollen. Ich schicke hirbey die beschreibung von der heütigen sonnenfinsternuß, wie sie hir gesehen worden.[16]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Mai 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 551–556
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0702.html
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Tintenfass