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Brief vom 19. März 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


693.


[533]
Versaille den 19 Mertz 1715.
Hertzallerliebe Louise, vorgestern habe ich Ewer liebes schreiben vom 11 Mertz / 28 Februari zu recht entpfangen. Ich kan nicht begreiffen, wie es kommen, daß Ihr 14 tagen gewesen, ohne meine brieffe zu entpfangen, indem ich nur eine eintzige post verfehlt habe. Drumb will ich hinfüro alle meine brieff chiffriren[1], so werdet Ihr sicher sehen können, in welcher zeit meine brieffe fehlen oder nicht; den ich schreibe es in meinem calender auff. Macht es auch so! so werdet Ihr sicher erfahrn, ob Eüch von meinen brieffen fehlet oder nicht. Aber es ist gewiß, daß ich keine 14 tag geweßen, ohne ahn Eüch, liebe Louisse, zu schreiben, undt habe eher 2- alß einmahl die woch geschrieben. Es frewet mich recht, liebe Louise, zu sehen, das Ihr von meiner affection persuadirt seydt; den es ist gar war, daß ich Eüch von hertzen lieb habe. 8 tag bin ich woll durch interuptionen [verhindert] geweßen, ohne Eüch zu schreiben, aber 14 tag gar gewiß nicht; auch habe ich, wen ich kein[e] große brieffe habe schreiben können, habe ich kleine geschrieben, umb keine post mehr zu verseümen. Ich finde daß meer eine abscheülich sache, ich habe einen rechten widerwillen davor undt finde, daß die man über see besuchen kompt, wie Ihr vor Ewern niepcen gethan, einem woll doppelt verobligirt sein sollen; den auff der see ist man allen ellementen unterworffen ohne rettung; stöst man ahn die erde, so bricht daß schiff undt man vergeht mitt; kompt ein eintziger funcken ins pulver, so springt man in die lufft; die windt, so lufft sein, machen schiffbruch leyden undt versauffen im waßer; alles leydt noht auff dem meer undt, wie schon gesagt, man ist allen ellementen unterworffen, kan also nicht begreiffen, wie man sich resolviren kan, nach Engellandt zu reißen. Es ist ja billig, liebe Louisse, daß, weillen ich wider meinen willen abgehalten bin, zu schreiben, daß ich Eüch die ursachen sage, undt daß dint Eüch auch zur gazette; den dadurch segt Ihr schir mein gantzes leben, liebe Louisse! So viel es mir möglich wirdt sein, werdet Ihr mehr große, alß kleine, schreiben von mir entpfangen. Wolte gott, hertzliebe Louisse, daß ich Eüch zu einigem trost dinnen könte! aber ich sehe leyder [nicht], wie es möglich sein kan; [534] den ich habe ja das glück leyder nicht, Eüch auch im geringsten zu dinnen können, welches mir leydt genung ist. Aber waß ich Eüch sage, geht gar gewiß vom hertzen; den anderst, alß ich gedencke, kan ich ohnmöglich reden, undt daß zeügnuß gibt mir gantz Franckreich. Ich bin recht froh, hertzliebe Louisse, daß der cammerpreßident Görtz sich meiner noch erinert; er hatt hir sehr meine estime gewöhnen undt halte viel auff ihn. Daß erste mahl [war er hier] alß hoffmeister vom printzen von Eissenach, den er über die maßen woll erzogen hatt; daß zweytte kamme er alß envoyes, ich weiß nicht mehr, ob es vom holsteinsche oder eissenachischen hoff war. Eine von meinen besten freündinen, so leyder schon vor etlichen jahren gestorben ist, die contesse de Beuveron,[2] die war gar seine gutte freündin; aber dießes seindt alte geschichten. Baron Görtz sohn kompt mir gar fein vor. Wen ich einmahl freündt von den leütten bin, so bin ichs vor mein leben; also solte es baron Görtz nicht wunder nehmen, daß ich ihn durch graff Holm[3] habe grüßen laßen. Durch alle die, so nach Hannover gangen sein, habe ich ihn allezeit grüßen laßen. Ich meine nicht, daß er viel älter ist, alß ich; allein so gern ich ihn auch noch sehen mögte, so were es mir leydt, daß er die [mühe] nehmen solte, eine so ungemächliche reiß zu thun. Den[4] ring, so ich von ma tante bekommen werde,[5] wirdt woll sein leben nicht von mir kommen; werde ich ihn nicht ahm finger haben, so werde ich ihn doch im sack tragen; außer nachts wirdt er nimer von mir kommen. Wie er auch sein mag, so wirdt er mir lieb [sein]; wens auch nur ein ring von 2 pistollen werdt were, so werde ich ihn mehr estimiren undt lieber haben, alß einen von taußendt pistollen, undt würde ihn nicht davor vertauschen. Ich hoffe, daß, weillen man daß gantze testament halten wirdt, hoffe ich, daß man Eüch auch nicht vergeßen wirdt; daß wirdt Eüch, hoffe ich, Ewern unkosten ersetzen, so Eüch Ewere englische reiße wirdt gekost haben. Ihr thut woll, Ewer cour bey hoff zu machen, den könig Jörgen im gutten laun zu halten, damitt Ihr bekommen mögt, waß Eüch leyder unßere liebe churfürstin vermacht hatt. Wen unßere liebe printzes von Galle alles widerfahren konte, waß ich I. L. zu [535] dero gebuhrtstag wünsche, würden sie nicht allein eine perfecte gesundtheit undt langes leben bekommen, sondern auch die glückseeligste printzes von der welt werden, wie sie es merittiren, zu sein. Ich dacht nicht, daß die östereichische gallekleyder auch in Engellandt der brauch wehren. Mich deücht, Ewer niepcen seindt jung genung, umb allezeit bundt zu gehen. Es ist eine schandte, daß der duc de Schomberg so karg ist. Vor wem will er den sparen, wen er ahn seinen kindern spart? Mich wundert, daß, da der könig in Englandt nun resolvirt ist, seiner fraw mutter testament zu halten, undt weiß, wie thewer es zu Londen zu leben ist, wie er Eüch so ohne gelt lest. Ich förcht, daß er in dem spital kranck ist, wo Ewer schwager in steckt, Ihr verstehet mich woll. Es frewet mich, daß Ihr bey der gar lieben printzes so in gnaden seydt undt bey dem printzen, ihrem herrn; aber ich glaube, daß, waß die printzes gesagt, ist nur, ihres herrn bizarerie zu entschuldigen; den waß hette man ihm von Eüch sagen können? Ewer letztes schreiben habe ich gar ortendtlich vergangen freytag beantwortet undt alles gesagt, waß ich von der sache gedencke. Waß nicht in ein jahr geschicht, kan nach deß vatters todt geschehen, der doch schon alt ist. Wie Ihr mir Ewern schwager beschreibt, glaube ich nicht, daß er sein leben in einigen heüraht seiner kinder einwilligt; er ist, wie der arme duc de Crequi[6] alß pflegt zu sagen, comme l’arbalistre de Cognac, dur a la dessire. Aber alle heürahten seindt im himmel gemacht;[7] wen daß ist, konnens menschen nicht wehren, drumb muß man nur gedult haben. Ich bin nur gar zu ein gutter prophet geweßen undt habe Eüch deßwegen die reiße widerrahten; den ich hatte vorhergesehen, wie es ablaufen würde undt wie wenig erkandtnuß der wunderliche mensch Eüch erweißen würde. Umb gottes willen, liebe Louise, macht mir nicht so viel complimenten! die seindt ja unter unß beyden gar ohnnöhtig. Ich habe mein leben kein schönn[e]r sandt gesehen, alß auff Ewern brieffen ist; ich habe es abgeschabt, umb meine brieff auch blinckendt zu machen, wie Ihr segt. Hiemitt ist Ewer schreiben vollig beantwortet, bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch, hertzliebe Louisse, zu versichern, daß ich Eüch all mein leben von [536] hertzen lieb behalte.
P. S.
Ich bitte, entschuldigt alle fehler dießes brieffs! Ich kan ihn nicht überleßen undt bin sehr interompirt worden.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. März 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 533–536
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0693.html
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