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Brief vom 1. September 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


661.


[433]
Fontainebleau den 1 September 1714.
Hertzallerliebe Louise, gestern habe ich 2 von Ewern lieben schreiben entpfangen vom 18 undt 21 Augusti. Ich werde auff daß frischte ahnfangen, bin fro, daß meine schreiben nun richtig ahnkommen; hoffe, daß unßer commerce nun richtig ist undt woll gehen wirdt. Wir seindt hir seyder vorgestern, haben unterwegen in deß duc Dantins[1] hauß geschlaffen, so Petitbourg[2] heist; ist gar ein schönner ort, insonderheit der gartten, so magnifiq. Ich habe ohnmöglich mitt dem könig weder dorthin, noch hieher gekont;[3] den ein par tag, ehe wir von Versaille, habe ich einen gar starcken husten undt schnupen bekommen, habe gefürcht, den könig eckelen zu machen undt die junge bursch durch meinen husten zu viel zu lachen geben, bin also in mein kutsch mitt meinen damen undt hundtger her. Gestern hatt man gejagt, ich bin aber nicht mitt geweßen wegen meines husten. Vor dießem were es mir eine große qual geweßen, eine schönne jagt zu verliehren, nun frag ich kein haar mehr darnach, gehe nur vor meine gesundtheit auff die jagt; also kan ichs mich leicht getrösten, wen ich nicht auff die jagt gehe. Ich bin viel beßer, alß ich geweßen, hoffe also, dieße sach baldt wider zu ersetzen. Ich weiß nicht, ob Ihr den jungen duc de Duras nicht in Engellandt gesehen; es ist ihm vor etlichen tagen ein groß unglück begegnet; er hatt auß einen nachen steigen [434] wollen, der fuß hatt im geklitscht, er ist auff steine gefahlen undt hatt einen arm gebrochen. Dießes ist alles, waß ich Eüch von hir auß sagen kan. Ich komme jetzt auff Ewer liebes schreiben. Hir geht die post erst umb mitternacht, also kan man hir die post selten verliehrn. Den vermeinten marquis de Thessut,[4] so Ihr bey der Wilhelmen von Rotzenhaussen gesehen, muß nicht viel besunders sein undt nur ein avanturier; den es ist gar gewiß, daß obgemelter abbé keinen geheürahten bruder sein leben gehabt, undt noch weniger ein neveu. Sagt daß der Wilhelmen von meinetwegen, wie auch, daß ich ihren brieff entpfangen, aber nicht andtwortten darff! Ich sehe woll auß ihrem schreiben, daß sie noch nicht begreifft, welch ein unglück sie ihrer mutter über den halß gezogen. Ja, wen ich nicht geweßen were undt bey dem könig der freüllen von Rotzenhaussen confiscation vor ihre mutter außgebetten hette, were mutter undt beyde döchter ruinirt geweßen; den es wahren schon viel leütte, so drauff pasten undt es dem könig abforderten[5] wolten; were es in andere händen kommen, were sie alle ruinirt geweßen.[6] Also wen ihre mutter ihr waß geben solte, wirdt es von ihr eygen gutt sein, weillen die Wilhelmina ahn nichts zu pretendiren kan haben, indem durch die confiscation nichts mehr ihrer ist, undt were[7] es in frembden händen kommen were, hette sie weder heller noch pfening bekommen können. Also weitt gesetzt daß ihre mutter hart gegen sie ist, so thut sie mehr, alß sie schuldig ist, indem sie nur ein wenig gedult fordert, umb ihr desto sicherer waß zu geben können. Sie würde auch woll thun, ihre niepce dem herrn von Bernholt wider zu schicken; den sonsten, wirdt sie dießen ihren schwager in unglück stecken; den man wirdt hir ahm hoff glauben, daß es[8] ihr davon geholffen hatt.[9] Aber man rufft mich, ich muß nüber zum könig, kan also vor dißmahl dießen brieff nicht außschreiben. Adieu biß morgen! Wo mir gott daß leben verleyet, werde ich außschreiben.
Sontag, den 2 September, umb ein viertel auff 11 morgendts.
Ich bin ahngethan undt mein erste arbeyt soll sein, liebe Louisse, ferner auff Ewer liebes schreiben zu andtwortten, wo ich [435] gestern geblieben war. Ich habe, gott lob, dieße nacht recht woll geschlaffen undt gar nicht gehust; hoffe also, daß mein husten vorbey sein wirdt. Ich habe brieff von monsieur de Wersebé bekommen. Der schreibt, man hette ihm von Hannover auß befohlen, mein paquet ahn madame Beningsen zu schicken. Ich kan nicht begreiffen, weßwegen; denn ich kene ja dieße dame gar nicht. Waß will sie denn mitt meinem brieff machen? Es stehen sachen drin, so ich nicht gern hette, daß andere, alß Ihr, liebe Louisse, leßen solte, undt ich hatte es ahn ma tante durch dieße gutte gelegenheit von monsieur de Wersebé geschrieben, weillen ich dachte, daß es sicher undt in der lieben churfürstin s. eygenen henden kommen würden. Aber vor die madame de Benigsen war es gar nicht geschrieben undt ich bin angst, daß sie es andern Frantzoßen weist, die nicht manquiren werden, es wider her ahn monsieur de Torcy zu schreiben, welches mir abscheüliche händel wirdt machen; den die minister wünschen nichts mehres, meinen, dadurch ahn andere, so ich nicht nenen will, ihren cour zu machen; undt zu Hannover kan der churfürst, itziger könig in Engellandt, kein fuß verthrehen, daß es nicht gleich her berichtet wirdt, undt ahn allen höffen, wo Frantzosen sein, geht es so zu[10]; bin also nicht in geringen sorgen wegen meines brieff, wie Ihr, liebe Louisse, leicht werdet erachten können. Hir im landt ist man nicht zufrieden, wen man nicht gar starck purgirt wirdt. Ahm magen hatt mir daß saltz von Ipson[11] nichts geschadt, gott lob! Meine kräfften seindt auch, gott lob, wider kommen. Zu medecinen laß ich mich in allem nicht offt bereden, nehme keine, alß wen ich fühle, daß mir die lincke seytte zu starck geschwilt undt den ahtem benimbt, daß ich offt nachts bin, alß wen ich ersticken solte. Die aderlaße brauche ich auch nicht, alß in solchen gelegenheitten. Man setzt nicht alles in den zeittungen, waß vorgeht; sonst würde man offt dolle sachen sehen. Madame de Vandosme[12] befindt sich wider beßer. Weillen wir deß duc du Maine undt conte de Thouloussen schwester im hauß haben, ist es mir lieber, daß man sie erhohet, alß erniderigt.[13] Alle prince undt princessinen du sang haben sie auch alle vor onclen, also leichter zu verschmertzen die gnade, [436] so ihnen der könig gethan. Widerruft der könig in Spanien seine renonciation, so gilt meine[s] sohns seine auff die cron Spanien auch nichts.[14] Die zeit wirdt lehren, wie alles hergehen wirdt. Ihr könt es noch sehen, aber ich bin zu alt dazu, bekümere mich wenig umb, waß in dießer welt geschehen wirdt, wen ich nicht mehr sein werde. Die princes von Parme kan nicht unfruchtbar sein; den es seindt nicht die ittallienische, sondern die portogaisische weiber, so so früh auffhören, kinder zu bekommen; den die seindt in 9ten jahr alle manbar, aber die ittallienische damen nicht; zu dem so ist ja ihre fraw mutter eine pfaltzgräffin, die selten fehlen, schwanger zu werden. Man hatt mir eine relation von Parme geschickt, so ich heütte entpfangen, worin stehet, der[15] der hertzog von Parme seiner niepce undt stiefftochter (den sie ist beydes) 2 ohrring sambt einem demanten creütz verehrt von 150 m. livres. Es solle auch gar ein schön opera undt feüerwerck dort gehalten werden, ehe die königin in Spanien dort weg wirdt. Es deücht mir, weillen h. Max sohn kein oberstleüttenampt hatt sein wollen, daß der casselische hoff ihm vielleicht nicht gefelt undt sich frey will halten, undt[16] desto leichter abzukommen können. Ich fürchte alß, es wirdt nicht lang mitt dem frieden dawern. Gott gebe, daß ich mich betriege! Man hatt woll groß recht, mühte vom krieg zu sein. Milord Séekercke,[17] mylord Harangs,[18] so [437] hernach duc d’Hamilton geheyßen, hatt mir verzehlt, wie es in Engellandt zugangen undt wie unßer churfürst von Braunsweig[19] mitt so gar großen freüden ist proclamirt worden. Mein gott, liebe Louise, ich kan mich nicht drüber erfreüen; den ich fürchte, es wirdt nur lautter unglück nach sich ziehen, weillen es ja einen rechten erben[20] entzogen wirdt, so ein frommer, gutter, tugendtsammer herr ist; zum andern so seindt die Engländer dolle köpffe, mitt welchen schwer zu leben ist undt welche alle ihre könig haßen.[21] Den[22] milord Peterbouroug,[23] wie er hir war, lobte unßern könig über die maßen. Jemandts sagte: Wie lobt Ihr die könige nun? Er andtwortete: J’aime tout les roys hors les nostres. Waß ist vor eine hoffnung undt vertrawen auff solche leütte zu setzen? Also gibt mir unßer churfürstens erhöhung mehr sorgen, alß freüde; den ich fürchte, daß es ein schlim endt wirdt nehmen, welches mich doch hertzlich leydt sein solte. Ich bin Eüch sehr verobligirt, liebe Louisse, vor alle Ewere gutte wünsche. Unruhig bin ich nicht in meinem gemühte, aber etlich mahl traweriger, alß es nöhtig were vor meine gesundtheit. Hiemitt ist Ewer letztes schreiben völlig beantwortet; ich komme auff daß von 18. Ich wuste meines vetter, deß erbprintz von Cassel, reiß woll. Ein raht vom casselischen hoff, so zu Paris geweßen, hatt es mir gesagt. Gott gebe, daß es woll ablauffen möge! Dießer vetter ist mir auch lieb, ob ich ihn zwar nie gesehen; ich bin ihm verobligirt, den in allen occasionen hatt er mir viel freündtschafft erwießen undt sich meiner erinert, welches mich recht touchirt hatt. Ich habe der Rotzenheusserin brieff gar woll entpfangen; allein, wie ich schon gestern gesagt, sie begreifft die sach noch nicht; sie hatt gemeint, [438] sie habe noch waß zu Strasburg, aber außer ihrer mutter schuldt hatt sie gar nichts; den alles, waß sie in der wert hatt, ist ihr confisquirt worden, also nicht mehr ihr, sondern ihrer mutter, weillen ich ihr durch deß königs gnadt die confiscation zu wegen gebracht habe. Also weit darvon, daß sie sich über ihre arme mutter, die sie durch ihre flucht schir umbs leben gebracht vor betrübtnuß, beschwehren solle, so solte sie ihr vielmehr großen danck wißen, daß die arme fraw nur auff gelegenheit past, ihr guts zu thun; aber solte sie die sach mitt precipi[ta]tion ahnfangen, so würde sie sich in einem standt setzen, daß sie ihr leben ihr kein guts mehr würde thun können; den der könig würde sie nicht allein von Strasburg weg jagen laßen, sondern sie würde ihr leben nicht mehr herkomen können.[24] Schreibt man einander den, umb artige sachen zu leßen? Man schreibt einander, wen man sich lieb hatt, umb zeittung von einander zu erfahren, wie man sich befindt, wie man lebt, wie einem geht; wen man daß nur findt, ist man schon zufrieden.[25] Meiner docktoren raht ist mir nicht gar übel zugeschlagen. Ich befinde mich viel beßer, alß vergangen jahr, kan jetzt, ohne gar zu sehr zu schnauffen, gehen. Es solte Eüch kein wunder nehmen, daß unßer churfürst könig in Engellandt geworden; den Ihr wist ja lengst, daß, wen die[26] die prodestante linie auff den thron haben will, konte es niemandt sein, alß er.[27] Man sagt hir, die Engellander wolten den churprintz von der succesion außschließen undt konten ihn nicht leyden. Ob es war ist oder nicht, wirdt sich baldt außweißen; den ist es war, so wirdt er nicht mitt nach Engellandt dörffen. Ich finde die zeittungen, so Ihr mir schickt, liebe Louise, nicht so gar abgeschmackt, sie leügen possirlich; dancke Eüch sehr davor. Hiemitt ist Ewer zweytter brieff auch vollig beantwortet. Wir haben gantz undt gar nichts neües hir, werde also dieß gar lange epistel enden undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich jetzt gleich ahn mein dochter schreiben [439] werde, undt so lang ich lebe, werde ich Eüch allezeit lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. September 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 433–439
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0661.html
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Tintenfass