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Brief vom 9. August 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


658.


[418]
Marly den 9 Augusti 1714.
Hertzallerliebe Louise, in dem augenblick, daß ich mich daher setzte, umb ahn Eüch zu schreiben, so werde ich just mitt Ewer liebes schreiben vom 27 Julli erfreüet. In der gantzen vergangen woch habe ich Eüch ohnmöglich schreiben können; den wie mir meine continuirliche betrübtnuß daß miltz gar starck geblähet hatt, so ist es so dick undt hart worden, daß mein docktor gefürcht, es [419] mögte sich ein despot[1] dort setzen, derowegen hatt er vor nöhtig eracht, mich zu ader zu laßen undt zu purgiren. Vergangen dinstag hatt man mir zu ader gelaßen undt donnerstag undt freytag purgirt; man hatt mich so starck purgirt die zwey tag, daß ich bin 30 mahl gangen. Ihr werdet, liebe Louisse, vielleicht woll wißen, waß mich so starck purgirt hatt; es ist eine neüe medecin, aber so a la mode, daß gantz Paris nichts anderst mehr brauchen will. Es ist ein saltz, so auß Engellandt kompt, man heist es hir du sel d’Ipsum,[2] solle auß einem sauerbrunen in Engellandt gezogen sein, man lest es in waßer schmelzen. Den ersten tag hatt man mir 3 große biergläßer davon zu drincken geben undt den andern tag 2. Es hatt keinen bößen geschmack, ist nur bitter; aber dieß alles mitt einander hatt mich so abgematt, daß ich ohnmöglich habe schreiben können. Wen ich in ahnfang nur eine ligne ahn mein dochter geschrieben hatte, muste ich ruhen, undt wie ich Eüch, liebe Louisse, gern lange brieffe schreibe, so habe ich lieber wartten wollen, daß ich wider bey kräfften sein mögte, habe also biß heütte verschoben. Wir haben wenig neües hir. Man hatt hoffnung, daß Barcelonne baldt übergehen wirdt, den man hatt le chemin couvert schon eingenohmen.[3] Aber etwaß, daß ich [420] possirlich finde, ist, daß der Villaroel[4] eine gasconade gemacht hatt. Alß man ihn gefragt, wen er sich den ergeben wolle, so hatt er geantwort, er woll daß signal selber geben; den wen er sich nicht mehr würde wehren können, wolle er sich auff eine tonne mitt pulffer setzen undt in die lufft sprengen laßen; hatt darauff einen gantz schwartzen fahnen mitt todtenköpff arborirt. Ich glaube, daß Ihr schon werdt in den gazetten gesehen haben, wie abscheülich die duchesse de Vandosme[5] ist umbgeworffen worden. Mitt ihrem gesicht hatt sie daß kutschenglaß gebrochen, ist gantz balaffrirt, hatt ahm backen eine wunde biß auff den knochen. Alle ihr leütte seindt auch blessirt, ein laquay hatt den schenckel entzwey, ein ander die axel, der 3te den fuß. Etliche damen, so bey ihr in der kutsch wahren, seindt blessirt nur ein wenig. Sie war ihr compliment ahn ihre schwester, die duchesse du Maine, kommen machen vor waß, so woll der mühe wehrt ist, aber ich glaube, Ihr werdt es schon in den gazetten gesehen haben, nehmblich daß der könig im parlement alle seine bastert vor prince du sang erklärt hatt undt deüchtig[6] zu erben, nachdem daß rechte ligne abgestorben [421] wirdt sein.[7] Die printzes de Veaudemon,[8] da ma tante s. so viel von gehalten, ist vergangen donnerstag ahm schlag gestorben. Daß ist alles, waß ich neües weiß, so sich schreiben lest. Es were noch gar viel zu sagen, aber weillen alle brieffe, so ich auff die post schicke, auffgemacht werden, darff ich es nicht wagen. Ich komme jetzt auff Eüer liebes schreiben. Es ist mir lieb, zu sehen, daß meine brieffe woll überkommen; ich hoffe, daß sich unßer commerse regulliren wirdt. Ey, liebe Louise, habt Ihr ein augenblick daran zweyfflen können, daß ich Eüch nicht all mein leben schreiben werde? Daß offendirt mich recht. Es geht mir wie Eüch, ich bin lieber auff dem landt, alß in stätten, die gefahlen mir gar nicht.[9] Man kan, deücht mich, ein landthauß ebenso warm machen, alß ein statthauß, mitt papirne fenster undt gutt feüer. Wie Ihr mir Ewere außsicht beschreibt, muß sie gar schön sein. Vissitten da halt ich wenig von, finde nichts langweilligers. Wen Ewer schwager es Eüch noch danck wüste alle mühe, so Ihr vor ihm nembt, so gings noch hin, aber ich finde, daß er nicht danckbar genung davor ist; drumb jamert Ihr mich, lieb Louise! Mich wundert, daß der duc de Schomberg seine döchter nicht verheüraht; sie seindt doch keine kinder mehr, es were zeit; Ewerthalben [422] mögt ich es wünschen. Daß Schlangenbaadt muß etwaß gantz absonderliches sein, daß manß zum rohtlauffen brauchen darff; den ich hatte auch allezeit gehört, daß sich daß rohtlauffen nicht netzen lest. Die fürstin von Nassau Ziegen[10] habe ich nicht gesehen, wie sie hir in Franckreich war; hir hatt sie vor artig, aber gar nicht vor schön passirt, wie die mir gesagt, so sie gesehen haben. Seindt die Berlips[11] jetzt graffen? Mich deücht, sie wahrens zu meiner zeit nicht. Der fürstin von Siegen ihr herr soll wunderlich sein, er hatt hir vor einen halben narren passirt undt sie vor sehr coquet; daß ist alles, waß ich von ihnen weiß. Die Stadion seindt auch neüe graffen, deücht mir. Ich kan leicht glauben, daß, so freündtlich die fürstin von Siegen auch sein mag, daß sie doch Ewer sach nicht ist, Were herr Max sohn so schön, alß sein vatter seelig, solte ich sagen: Man hatt bey Eüch den zaun umb den gartten gegrüst. Ahn der hertzogin von Weimar finde ich es löblich, daß sie nicht vor Eüch geendert, seyder sie noch ledig war. Von dem Cassel,[12] welches Ihr sehen gangen undt ahn Chur-Meintz gehört, habe ich nie nichts gehört, noch von dem schönnen garten. Seine verwandten, wan sie einem lieb haben, ist es eine große lust, bey ihnen zu sein, begreiffe also gar woll, wie Ihr wünscht, daß herr Max jüngster sohn wider zu Eüch mag kommen. Wo ist nun der elste bruder? Man hette hoch von nohten, etwaß zu hören, so einem eine ahngenehme distraction geben könte, aber hir hört man selten dergleichen, sonder viel offter widerliche undt unahnge[neh]me sachen. Wen Ihr meinen brieff, so Wersebé hatt, werdet geleßen habt,[13] so werdet Ihr beßer begreiffen, in welchem standt ich lebe. Große vergnügen kan ich ohnmöglich hir finden; wen ich auch noch hundertmahl so lang leben solte, alß ich gelebt habe, so konte doch nichts geschehen, worinen ich einig vergnügen finden könte. Ich kan nicht begreiffen, wo Wersebé muß hinkommen sein, daß er Eüch meinen brieff noch nicht geschickt hatt. Ich bin gar woll logirt nun, werde übermorgen Marly ungern quittiren. Heütte haben wir gejagt, aber wen ich es gestehen darff, so habe ich lang auff der jagt geschlaffen; nichts kan mich mehr divertiren, bin alles müht. Ich weiß, waß ma tante s. alß von großer [423] betrübtnuß gesagt hatt, ich sage mirs offt selber, allein es will nichts helffen. Ich mure nicht gegen gott, allein der allmächtige gibt mir nichts, so mich trösten könte, will also, daß ich trawerig sein solle, muß also woll trawerig sein, doch ohne verzweifflung, liebe Louisse, setze stehts mein vertrawen allein zu meinem gott. Ihr werdet mir einen gefahlen thun, die teütsche zeitungen von Franckfort zu schicken. Ahn Miville wehrde ich alle meine brieffe schicken vor Eüch. Wen Ihr mir offter, alß alle 8 tag, schreiben wolt, liebe Louisse, werde ich es mitt danck ahnnehmen. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt werde Eüch allezeit, so lang ich leben werde, von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. August 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 418–423
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0658.html
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