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Fontainebleau den 14 October 1714.
Hertzallerliebe Louise, in dießer vergangenen woche habe ich
2 von Ewern lieben schreiben entpfangen, eines vom 29 September
undt eines vom 2 dießes monts. Wo mir möglich ist, werde ich
beyde beantwortten, wo nicht, so werde ich, waß überig bleibt, vor
einen andern tag sparen. Eüch zwey brieff in einem tag
geschrieben zu haben, da gehört keine gedult zu; ahn die zu schreiben, so
man lieb hatt, daß ist nur ein ahngenehm amussement undt
zeitvertreib. Aber waß ich geschrieben, war nöhtig; den ich wolte sehen,
welcher von beyden brieffen ahn geschwinsten gehen würde, dachte
nicht ahn den unkosten; den wie ich mein leben keine brieffe
bezahlt habe, so weiß ich gar nicht, waß sie ahn denen kosten, so sie
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nicht frey haben, wie ich. Der Miville muß ein Jude sein, seine
paquetten so thewer zu bezahlen machen; ich werde keine mehr
durch ihm schicken, weillen doch die, so ich geradt auff die post
gebe, ebenso geschwindt gehen. Waß dem auffthun ahnbelangt, so
ist es all eins; fischen oder nichts fischen, ist hir all eins, den wen
man schaden will, scheüt man sich gar nicht, braff zu lügen. Solte
daß freüllen von Rotzenhaussen zwar in Englandt gehen, glaube ich
nicht, daß sie ihr leben würde lehrnen können, gelt zu nutz zu
bringen. Ich glaube auch, daß in Englandt so woll, alß hir im
landt, man wenig trewe leutt findt. Die fraw von Rotzenhaussen
begehrt ihr enckel, die kleine Bernholt, gar nicht bey sich zu
haben; aber der herr Bernholt, deß kindts vatter, wolte gern sein
töchtergen wider haben, den er hats gar lieb.
[1] Auch solte die
freüllen Rotzenhaussen kranck werden oder gar sterben, müste ja
daß arme kindt verschmachten. Ich glaube, daß der herr
Bernholt, wen er wider zu Strasburg sein wirdt (den er ist nun zu
Paris), selber eine reiße nach Franckfort thun wirdt, sein kindt
abzuhollen. Vom stifft werde ich nichts mehr sagen. In den gazetten
habe ich schon den eintzug vom itzigen könig in Engellandt
gesehen.
[2] Dießer könig würde nur woll thun, wen er Eüch eine
gutte pension oder doch nur gebe, waß ma tante s. Eüch
hinterlaßen. Ich hoffe, daß es kommen wirdt; den es were dem könig
schimpfflich, wen ers nicht thet; Ihr seydt ja doch leiblich
geschwisterkindt mitt ihm. Aber mich deücht, er fragt nicht viel
nach denen, so ihm verwandt sein. Ich finde, daß Ihr nicht woll
gethan, nicht zu fordern, waß Eüch nohtig; den daß konte ja ma
tante nicht rahten undt ich bin gewiß, daß sie sich würde eine
freüde gemacht haben, Eüch waß zu geben. Habt Ihr den
niemandts bey dem könig in Engellandt, so ihm Ewere interesse
vorhalten könte? Ewer schreiben war gar nicht confuse, Ihr schreibt
gar woll, liebe Louisse! Ich wolte, daß ichs so woll könte.
Hiemitt ist Ewer letztes schreiben vollig [beantwortet]; ich komme
jetzt auff daß vom 29 September. Es ist mir lieb, daß meine
brieff so richtig gehen. Umb gottes willen, liebe, sucht distraction,
umb in keine melancoley zu fallen! Den nichts ist gefährlicher
vor die gesundtheit undt es ist auch gefahrlich vor den kopff. Ihr
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seydt nicht mehr allein in der weldt, alß ich; den wie Ihr auß den
brieffen werdet ersehen haben, so bin ich nicht allein in der frembte,
sondern gantz allein in der [weldt], habe mächtige feindte undt
nirgendts keinen trost; jedoch so bin ich nicht melancolisch, finde,
daß es genung ist, von andern gequellet zu werden, ohne mich
selbsten noch zu plagen. Ich vertrawe fest auff meinem gott; er
weiß, warumb er mich her berufen hatt undt waß er mitt mir
machen wirdt, habe offt seine hülffe gespürt, wen ich alles verlohren
geschetzt; also ergebe ich mich gantz seiner providentz undt baue
auff keine menschliche hülffe. Jedoch so lebe ich ruhig, nur ma
tante todt habe ich mühe zu verschmertzen. Aber es schlegt
zwolffen, ich muß in kirch; dießen nachmittag werde ich
außschreiben.
Sontag umb 3 viertel auff 3 nachmittags.
Es ist jetzt 3 viert[e]l-stundt, daß ich von taffel bin. Ich habe
die
3/
4 stundt geruhet, ohne schreiben; den man sagt, es were gar
ungesundt, wen man zu baldt nach dem eßen schreibt. Ich komme
wider, wo ich heütte morgen geblieben war, nehmblich da ich Eüch
sagte, daß ich noch mühe habe, unßerer lieben churfürstin todt zu
verschmertzen; daß liegt mir noch gar schwer auff dem hertzen
undt kan sie nicht nenen hören, ohne daß mir die threnen in den
augen kommen, undt ohne schmertzen kan ich nicht dran
gedencken. Aber weillen es leyder nicht zu helffen ist, so suche ich,
so viel mir möglich ist, nicht dran zu gedencken undt ahn waß
anderst zu gedencken, undt mache es wie Ihr, treibe die trauerige
gedancken mitt aller gewalt hinweg; kan mitt beßer recht
sagen, daß ich alt bin undt nicht mehr lang zu leben habe; den ich
bin viel alter, alß Ihr, liebe Louisse! Ich wolte, liebe Louisse, daß
meine freündtschafft zu waß nutzen könte; aber meine
freündtschafft ist eine unnutze wahr,
[3] leyder. Ich habe nur die erste jagt
hir verseümbt wegen husten undt schnupen, sonsten bin ich auff
alle hirschjagten gefahren, wo der könig hingangen. Die gutte lufft
hir, so mir gar gesundt ist, wie auch die starcke bewegungen
haben mir wieder eine volkommene gesundtheit geben. Wen mirs
schon gangen wer, wie madame la duchesse, were ich doch nicht
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sehr erschrocken. Ich bin nicht zum schrecken geneigt,
[4] liebe
Louise, undt vor 4 jahren wurde ich hir in meiner kutsch braff
umbgeworffen ohne den geringsten schrecken oder forcht. Eine von
meinen damen brach mitt ihrer axel eines von den gläßern von der
kutsch: daß gab ihr 2 schnit in der axel, sonsten that sich
niemandts wehe. Ich lachte von hertzen. Der fürst Ragotzi hatt
einen gutten teütschen docktor von Nurnberg. Er hatte vom fall
ein contrecoup,
[5] dicker alß ein ey, hinter dem kopff. Es ist
nichts gefahrlicher. Daß hatte er im in 3 tagen courirt, hatt ihn
erst 4 paletten zur ader gelaßen, hernach mitt einer essentz
geschmirt undt eingeben, den 4ten tag hatt er wider jagen können.
[6]
Aber man rufft mich abermahl, umb in kirch zu gehen; nach dem
salut werde ich, wils gott, dießen brieff außschreiben.
Sontag, den 14 October, umb halb 7 abendts.
In dießem augenblick komme ich auß der kirch. Es war eine
hitz drin, daß ich recht geschwitzt habe; es ist heütte so warm alß
wie im Juni. Aber ich komme, unter unß gerett, ich glaube, daß
der könig in Engellandt vergnügter in seiner Ghör sein würde,
alß in aller seiner pracht in Engellandt;
[7] den mein gutter vetter,
der herr könig, macht eben so wenig wercks von ceremonien, alß
seine alte baß, mein exellentz. Man sagt hir, dießer könig nur in
Engellandt seye gangen, seinen herrn sohn zu establiren, daß er
ihn auch werde suchen zu crönen laßen undt hernach wider nach
Hannover kommen undt nicht mehr in Engellandt gehen;
[8] drumb
hatt er gewiß seinen gantzen hoff zu Hannover behalten, wie er ist.
Ich könte ihn in dem stück nicht desaprobiren; den in seinem
platz würde ich es auch so machen. Hatt hertzog Ernst August
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einkommens genung, umb 12 m. thaller wegzugeben können? Daß
deücht mir viel vor einen cadetten undt noch dazu ein hauß in der
statt zu kaufen. Der churprintzes oder princes de Galle fraw mutter
hatt woll recht, von ihrer fraw dochter abschidt zu nehmen; den
wen sie einmahl in Engellandt sein wirdt, wirdt sie sie woll ihr
leben nicht wider zu sehen bekommen. Ich dancke Eüch, lieb
Louisse, mir der madame de Benigsen briff ges[ch]ickt zu haben.
Ich werde ohne ungedult erwarten, waß drauß werden wirdt. Schickt
man mir den ring, werde ich ihn mitt danck ahnnehmen undt all
mein leben behalten; schickt man mir ihn nicht, werde ich doch
all mein leben gedencken, daß meine hertzallerliebste tante mir ihn
auß freündtschafft destinirt hatte.
[9] Die Kielmanseck
[10] mein[t]
vielleicht, eine fortun in Engellandt zu machen undt damitt ihre
schulden in Teütschlandt zu zahlen. Daß hoffleben hatt daß undt
man hatt allezeit verspürt, daß, die dran gewont sein, kein ander
leben außstehen können, so übel man sich auch dabey befindt. Ihr
werdt nun woll wißen undt erfahren haben, liebe Louisse, daß
Barcelonne über ist.
[11] Ich aprobire, daß volck[e]r einem herrn
getreüe sein, wen er sie wider lieb hatt; aber wen man von einem
herren verlaßen wirdt, were es ja billig, nicht so viel bludt zu
vergießen undt sich hübsch zu ergeben. Aber die verfluchte mönchen,
so fürchten, daß sie unter den frantzoschen könig nicht so
desbauchiren konten, wie vorhin, undt nicht mehr so geehrt würden
werden, haben in allen ecken von den gassen gepredigt, daß man
sich nicht ergeben solte. Hette man meinen raht wollen haben, so
hette ich gerahten, daß man dieße schelmen alle in die galleren
schicken solte ahnstatt der armen unschuldigen Reformirten, so dort
noch stecken. Es ist mir leydt, liebe Louise, daß ich Eüch in den
itzigen jahren nicht wider sehen werde, da ich Eüch doch in Ewern
so gar jungen jahren gesehen habe. Wist Ihr noch, wie hertzlich
ich mitt Eüch weinte, wie ich Eüch nach closter Neüburg zu der
gräffin von Labach führte?
[12] Ich weiß nicht, ob Ihr lang dort
geblieben seydt. Die Lopes
[13] hatt dem könig eine pension
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gefordert, ist aber in gnaden abgeschlagen worden. Daß war woll
eine wunderliche quinte; ich habe es ihr woll vorher gesagt, daß
es nicht ahngehen würde. Ich finde es recht artig, daß Ihr 3
freüllen graffinen so Eüch auff Ewere handt mitt einander lustig
gemacht habt. Ich habe Eüch schon geschrieben, daß wir den
churprintzen von Saxsen hir haben undt welchen, daß ich ihn dem könig
pressentirt habe.
[14] Er reussirt gar woll hir, aber mitt mir ist er
gar scheü; ich glaube, daß mein altes gesicht ihm mißfehlt, aber
daß kan ich nicht endern. Er hatt recht feine leütte bey sich; der
polnische graff gefelt mir recht woll, wie auch monsieur Hagen, es
seindt artige, verstandige leütte. Hiemitt ist Ewer erstes liebes
schreiben gantz beantwortet. Wir haben nichts neües hir. Ich
werde Eüch noch einmahl von hir auß schreiben. Adieu, liebe
Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch,
daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalten werde.