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Brief vom 2. August 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


719.


[598]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Londre.

Marly den 2 Augusti 1715.
Hertzallerliebe Louise, ich habe waß auff dem hertzen, so mir von hertzen leydt ist. Vor 7 tagen ist der liebe printz Frantz von [599] Lotheringen[1] gestorben ahn den kinderblattern. Mein dochter hatt ihn geliebt, alß wens ihr eygen kint were; den er ist bey ihr erzogen worden, war nur 8 jahr alt, wie sie sich geheüraht hatt.[2] Er war all ihr trost undt hatt seinem herrn bruder allezeit vor mein dochter gesprochen, sie verliehrt nicht allein einen lieben schwager, sondern auch einen wahren freündt ahn dießem herrn; ist mir also recht von hertzen leydt. Die kinderblattern seyndt woll eine verfluchte kranckheit. Aber ich komme auch auff Ewer liebes schreiben, so ich vorgestern entpfangen, vom 14/29 Julli; aber ich werde ohnmoglich heütte ordendtlich drauff [ant]wortten können, den es ist schon 8 geschlagen; ich werde doch so viel schreiben, alß mir möglich sein wirdt. Ey, liebe Louisse, Ihr habt mir nicht zu dancken, daß ich Eüch schreibe; den daß thue ich von hertzen gern. Ich habe nichts wichtiges undt noch weniges[3] artiges vorzunehmen; ich lebe wie ein hermit mitten im hoff.[4] Abendts umb halb 10 kommen etliche damen, aber nicht alle tag. Mein gott, liebe Louisse, in dem bößen humor, wo ich nun bin, hette ich Eüch schir gefiltz[t], so zu complimentiren. Wozu ist daß gutt, daß Ihr sagt, ich werde Ewer brieff abgeschmackt [finden]? Ihr wist doch selber woll, daß es nicht wahr ist undt daß Ihr nicht allein woll schreibt, sondern auch, daß mir Ewere liebe brieff ahngenehm sein. Ich will also sagen, wie die fraw von Rotzenhaussen alß sagt: Ich bitte, man woll mich verschonnen undt nicht mehr dergleichen vorbringen, sonsten werde ich greülich zörnen. Hir thut man in den vissitten nichts, alß spiellen, auffs wenigst ombre, oder berlan; raisoniren, noch von stadssachen reden, oder raisoniren ist hir nicht erlaubt ahn keinen menschen, weder man-, noch weibspersonnen, würden übel ahnkommen. Wen englische catholische herkommen, stellen sie sich gar heyllig, alß wen sie alle heylligen freßen wolten[5], [600] aber wen mans beym licht besicht, steckt allezeit waß dahinder. Umb die warheit zu sagen, so habe ich so viel falsches von den Engländern erlebt, daß ich nicht gar viel von der nation halten kan. Wie ich sehe, so helt[6] Ihr auch nicht mehr davon, alß [ich]. Es können sich doch noch ehrliche leütte finden; ordinari, wen unter viel boßen sich waß gutts findt, ist es auß der maßen gutt. Aber da schlegt es 9, ich muß schließen wieder meinen willen; ein ander mahl ein mehrers, nun aber werde ich nur noch sagen, daß konig Jacob mir offt geschworen, er hette sein leben nicht gedacht, einig enderung zu machen, noch die religionen zu zwingen,[7] aber man hette es ihm auffgebracht, umb ihn wegzujagen. Ich dancke vor die nachricht vom mylord Stairs. Wen man meiner meinung were, würde man jederman glauben laßen, wie er es verstehet. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. August 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 598–600
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0719.html
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