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Brief vom 8. August 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


720.


[600]
Marly den 8 Augusti 1715.
Hertzallerliebe Louise, ich fange heütte ahn, zu schreiben; den weillen wir morgen auff die jagt werden undt die jagten hir gar lang in dießer jahrszeit wehren, so deücht mir, daß es beßer ist, heütte ahnzufangen. Die letzte, so wir vergangen montag gethan, hatt von 2 biß 8ten abendts gedauert. Vorgestern wolte ich Eüch schreiben, aber es kammen mir so viel verhinderungen, daß ich ohnmöglich dazu gelangen konte. Nachmittags entpfinge ich Ewer liebes schreiben vom 1 Augusti / 21 Julli, no 22, werde bey dießem frischten ahnfangen. Unßere brieff kommen allezeit in 6 tagen ahn, welches geschwindt ist undt die helffte von der Hannover post. Wen ich nicht schreibe, ist es nicht der ungemachlichkeit schuldt, liebe Louise, sondern daß verhindernuß undt interuptionen kommen, den diß, den jennes; auch segt Ihr woll durch die lenge von meinen brieffen, daß ich die gemachlichkeit nicht in acht nehme. Wenig trost kan ich leyder geben, meine schreiben konnen auffs höchst nur ein wenig distractionen geben. Aber Ihr habt ein gutt [601] gemühte, liebe Louise, undt wen daß ist, hatt man gern brief von freündt undt verwanten; auch schreibe ich Eüch, so offt mir möglich ist. Ich glaube, daß man eine sprach woll verstehen muß, eine predig zu verstehen; den auff den cantzellen spricht man doch einen erhobern stiel, alß wen man ordinarie spricht. Ich leße mitt freüden alle gütte undt freündtschafft, so I. L. die princes von Wallis zu mir tregt, undt finde in meinem hertzen, daß ich es nicht unwürdig bin durch die sentiementen von admiration undt ware inigliche freündtschafft, so ich mitt viel erkandtlichkeit vor I. L. finde.[1] Es ist mir nur leydt, daß ichs nicht ahn tag geben kan, wie ich es fühle, undt mich gantz undüchtig finde, I. L. jemahlen einige ahngenehme dinst zu erweißen. Daß schmertzt mich recht, bitte Eüch aber, liebe Louisse, meine wahre sentiementen auffs best vorzubringen, wen Ihr dieße liebe printzes wieder sehen werdet. Sobaldt ich wider zu Versaille sein werde, werde ich daß brustbildt bestehlen undt es nach Rigeaut[2] copiren [laßen]; der hatt mich so perfect gleich gemahlt, daß es zu verwundern ist; da werdt Ihr sehen, liebe Louise, wie alt ich geworden bin. Schreibt mir auch, ob es in oval oder viereckt sein soll! den bruststück seindt offt beydes. Die medaille ist woll danckenswerdt, man kan nicht schönners sehen; sie ist auch magnifick, den sie ist gar schwer. Weillen I. L. die printzes so woll außsehen undt gesundt sein, werden sie woll nicht schwanger sein, wie man es gemeint hatte. Es were kein wunder, daß der pretendent[3] lust hatt, wider auff einen thron zu steygen, wovon ihm seine religion allein abhelt undt welcher ihm ja nach allen rechten gebührt. Ich weiß nicht, wie die Engländer dießen herrn haßen können; er ist einer von den frömbsten undt besten menschen, den unßer herrgott geschaffen hatt. Ich wolte, wie ich schon etlichmahl gesagt, daß unßer könig Jorgen romischer keyßer würde undt der pretendent könig in Engellandt.[4] Aber wünschen hilfft zu nichts; ich will derowegen von waß anderst reden. Ich bitte, macht doch auch mein compliment ahn die artige printzesger! Meines sohns gemahlin hatt einen grawen papagayen, der lernt alles, waß er hort, undt macht alle menschen nach; er weiß alle nahmen von die cammerdinner undt cammerknecht undt [602] rufft sie so perfect, wie ihre hertzogin, daß sie alle gelauffen kommen. Letztmahl saß er auff einem [platze], wo arbeitsleütte wahren, die etlichmahl nicht gar sauber reden. Wie seine hertzogin zu ihm kam, sagte er: Madame, baise mon cul! Ihr kent leicht dencken, wie daß diß ein gelächter gab. Ich habe auch 2 papagaien, sie seindt grün; einer hast mich, wie den teüffel, kan alle menschen leyden ohne mich, undt der ander hatt mich allein lieb undt beist alle menschen, reden beyde gar wenig. Es were beßer, wie die englische kopff sein, daß könig Jorgen anderstwo were; man hatt in Engellandt gar zu abscheüliche exempel, wie sie mitt ihren königen umbgehen, umb nichts[5] stehts in sorgen zu sein. Bullinbruck[6] ist zu Paris undt nicht bey dem jungen pretendenten; der ist ja zu Bar in Lotteringen undt seine fraw mutter auch; sie wirdt aber zu endt dießes mondt wider nach St Germain. Man sagt, der Oxfort[7] undt Boullinbruck hette nichts gethan, alß durch befehl der konigin Anne. Wen daß war ist, haben sie kein groß unrecht; den deß brodt man frist, deß liedt man singt, wie daß sprichwordt sagt. Ich glaube nicht, daß sein leben der interesse mehr regirt hatt, alß nun; daß corompirt undt verdirbt alles in der welt. Die troupen, so wir gesehen, seindt nichts neües; es ist deß königs regiement, so I. M. zu allen zeitten gehabt haben.[8] Vor 10 jahren haben sie hir gearbeydt, aber dießmahl seindt sie nur auff die schau kommen. Hir denckt man ahn keinem krig. Hirmitt ist Ewer letztes liebes schreiben völlich beantwortet. Ich komme jetzt auff Ewer liebes schreiben vom 14/25 Julli. Von allen meinen corespondentzen waren leyder nur eine, so mich erfreüen konte, undt die ist nicht mehr, nehmblich unßere liebe churfürstin s. Meiner dochtor brieff seindt mir ahngenehm, aber sie seindt nie lustig; den sie ist entwetter kranck, schwanger, oder hatt sonst zu klagen. Die königin in Sicillien, die mir auch lieb ist, alß wen sie mein eygen kindt were, die ist noch in voller betrübtnuß wegen den verlust ihres älsten printzen.[9] Der königin in Spanien zu Bajonne[10] brieff bestehen in nichts, alß complimenten undt commissionen, undt commissionen, so etlichmahl verdrießlich genung [603] sein, alß zum exempel etlichmahl will sie einen bischoff machen, den ein capitaine au garde, den will sie eine abtey vor jemandts haben, den eine pension. Aber wie ich daß böße sage, so maß ich auch daß gutte sagen. Ich bin der gutten königin doch sehr verobligirt, sie hatt viel zu meines sohns raccomodement geholffen durch die königin, ihre niepce, mitt dem könig in Spanien. Sie scheindt gar ein gutt mensch zu sein, aber ich wolte, daß sie nicht so kindische wörtter hette, da ich nicht ahn gewondt bin, alß hertzen-mamagen, undt daß schätzgen undt hertzgen kan ich mein leben nicht gewohnen; also konnen dieße brieff mich ja auch nicht erfreüen. Also kan ich Eüch, liebe Louisse, mitt warheit sagen, daß Ewere liebe schreiben von den ahngenehmbsten sein, so ich jetzt entpfangen kan. Mein dochter ist in einer großen betrübtnuß [wegen] printz Frantz, ihr herr schwager, der bey ihr erzogen worden, den er war nur 8 jahr alt, wie mein dochter in Lotteringen kommen; sie hatt ihn wie ihr eygen kindt geliebt. Der ist vor 14 tagen ahn den kindernblatter gestorben; mein dochter undt ihr herr seindt untrostbar; es jammert mich recht.[11] Weillen es dem duc de Schomburg ahngenehm geweßen, waß ich Eüch vor ihm geschriben, so bitte ich Eüch, liebe Louise, sagt ihm doch allezeit waß schöns von meinetwegen, wen Ihr von meinen brieffen entpfangt! Wen die englischen catholischen hir sein, stelleu sie sich gar gottsförchtig undt eyfferig ahn.[12] Es war einer vor etlichen jahren bey ma tante, die abtißin zu Maubisson[13], den sahe ich vor einen obersten ahn; er trug eine lange peruque undt eine cravatte, undt weillen er keinen degen ahn hatte, hilte ich ihn vor einen gefangenen; er hatte gutte minen, schon ein man bey jahren. Ich fragte: Wer ist der officir? Sie fing ahn, zu lachen undt sagte, es were ein Jacobiner-mönch, der käme eben auß Engelandt, der sagte mitt threnen, daß die catholisch religion so gehast were, daß die mönchen ihren rechten habit nicht tragen dörffen. Ich sagte: Wen daß nur ist, so ist nicht viel zu klagen, den die peruck steht beßer, alß ein geschorner kopff. Ich meinte, ma tante würde sie[14] über unßer dialogue zu bärsten lachen. Die Engelländer sollen alle abscheülich desbauchirt sein, insonderheit mitt mansleütten; es solle noch ärger sein, alß hir in Franckreich undt in Ittallien. [604] Met verlöff, met verlöff, bordels seindt gar viel zu Paris, wo offt große desordre vorgehen. Ich glaube, ich habe Eüch schon gesagt, daß könig Jacob gar nicht gestanden undt biß in sein todt geleügnet, daß er die freyheit von der religion hette ablegen wollen.[15] Dieße weldt ist nun so böß, daß ich nicht glaube, daß sie wirdt verschlimmern können. Ich dancke Eüch, mir mylord Stairs standt bericht zu haben; ich habe es mitt freüden nachgesagt, den ich bin nicht von denen hir, so dießen mylord haßen, mir gefehlt er woll. Waß Ihr von den Engländern sagt, werde ich ihm woll gar nicht zu wißen thun; aber alles, waß Ihr sagt, ist weldtkündig, alle menschen wißens. Es ist nichts ohne exception, überall gibt es gutte undt böße leütte, nur die [länder sind] die schlimbsten, wo mehr böße, alß gutte, gefunden werden. Madame d’Orleans ist gar nicht meines humors, sie wolte, daß alle ihre dochter nonen wehren. Sie ist nicht so einfaltig, daß sie meint, daß das ihre dochter eher im himmel [bringe]; es ist nur pure faulheit, den sie ist daß faulste mensch von der welt; sie fürcht, wen sie ihre dochter bey sich hette, müste sie vor ihre erziehen sorgen, undt die mühe mag sie sich nicht geben, sie hatt mirs selber gestanden.[16] Nichts in der weldt eckelt mich mehr, alß der schnu[p]fftapack; er macht heßliche naßen, durch die naß reden undt abscheülich stincken. Ich habe leütte hir gesehen, so den süßsten ahtem von der weldt gehabt haben, undt nachdem sie sich dem tapack ergeben, seindt sie in 6 monden stinckendt geworden wie böcke. Ich finde nichts heßlicher, alß tapack nehmen undt die naßen zu haben, alß wen sie, mitt verlaub, im dreck gefahlen wehren. Wie hatt der duc de Schomburg seiner elsten dochter erlaubt, schnupfftapack zu schnupffen? Es ist nichts heßlicher. Unßer könig liebt es ohne vergleichung ebensowenig, jedoch so nehmens alß seine kinder undt kindtskinder, ohnahngesehen, daß sie wißen, daß es dem könig [605] mißfelt.[17] Es ist beßer, gar keinen nehmen, alß wenig; den es ist gewiß, wer wenig nimbt, nimbt baldt viel, den drumb heist mans l’herbe enchantée, weill es, die es nehmen, so ahn sich zicht, daß sie nicht mehr, ohne es zu brauchen, dawern; drumb habt acht auff Eüch, liebe Louisse! Ich habe lang nichts von der gräffin von Warttenberg[18] gehort; aber man meint, daß es nicht richtig mitt ihr undt ihrem sohn geht. Es ist schon ein jung über 15 jahren undt sie will nicht leyden, daß er anderstwo, alß in ihrem bett schlaffen solle. Man hatt sie gewarnt, daß die leütte übel davon reden, aber sie fragt nichts darnach. Man sagt, sie werde baldt wider in Hollandt. Die madame de Bregie,[19] so so viel von dem desobligent gerett, war gar ein ehrliche dame undt die gar viel verstandt hatte; ihr einiger fehler war die karchheit. Hiemitt seindt Ewere beyde schreiben vollig beantwortet, will nun biß morgen eine pausse machen. Gutte nacht, hertzliebe Louisse! Dießes wirdt ein fein brieffgen werden. Wir haben gar nichts neües hir, werden übermorgen wider nach Versaille.
Marly, freytag, den 9 Augusti, umb 10 uhr morgendts.
Wir mogten heütte woll eine naße jagt haben, den es regnet; aber wie wir nicht von saltz sein, so werden wir nicht schmeltzen. Daß wetter kan doch in dießer jahrszeit woll wieder auffgehen, den es ist noch weit biß umb 2 uhr. Gegen 12 wirdt es decidirt werden; den regnets alßden, so wirdt es den gantzen tag dauern, clart es aber gegen 12 auß, werden wir einen schönnen tag haben. Gott gebe es! den ich halte nichts vom regen. Ihr hattet mir in Ewerem schreiben vom 18/7 Julli gesagt, daß könig Jorgen mir eygenhandig wider auff meine dancksagung vor ma tante s. ring andtwortten würde. Daß ist aber nicht geschehen undt wirdt auch woll nicht geschehen, weillen I. M. es so lang ahnstehen laßen.[20] Ich habe mein leben niemandts gesehen, so sich so von jederman beliebt machen kan, wie die printzes von Wallis[21], den sie sehen, oder [606] von I. L. hören macht sie gleich lieben; weren wir noch in den zeitten von den féen, könte man meinen, daß es von ihren gaben ist.[22] Ihr habt mir nichts gesagt in Ewern zwey letzten schreiben, wie Ihr die commedien von St Cire, so Racine gemacht[23], gefunden; habt vielleicht keine zeit gehabt, solche zu leßen. Ich weiß Ewerem herrn schwager recht danck, daß er noch gutt teütsch ist. Ich kan nicht leyden, wen die Teütschen anderst, alß teütsch, sein wollen undt ihre nation verrachten; die so sein, deügen ordinarie nicht ein haar. Alleweill kompt man, mir sagen, daß der duc d’Ormont[24] zu Paris ahngelangt ist. Ich habe allezeit viel guts von dießem duc sagen hören, kan nicht begreiffen, waß man ihn beschuldigen kan. Die Engellander seindt so ein bludtgirig volck, daß ich finde, daß die, so man von etwaß beschuldigt, woll thun, durchzugehen undt sich in sicherheit zu setzen. Ich finden Ewern schwager, liebe Louisse, glücklicher, alß könig Jorgen, weillen es ihm erlaubt ist, seine teütsche bedinten bey sich zu behalten, undt dem könig nicht. Wie der churprintz von Saxsen hir weg ging, wusten I. L. noch nicht, ob es ihm erlaubt sein würde, nach Engellandt [zu gehen], wünschte es aber gar sehr. Umb die warheit zu bekennen, so glaube ich nicht, daß man ihn hin lest wegen der religion. Printzes Anne muß ein artig kindt sein. Daß man vor die neügeheürahte heüßer pauckt undt trompet, ist nur in Englandt brauchlich. Hiemitt ist Ewer 3 brieff, liebe Louisse, auch vollig beantwortet undt dieße epistel lang genung, umb sie zu endigen undt vor dießes mahl nichts mehr zu sagen, alß daß ich Eüch bitte, liebe Louisse, nie zu zweyfflen, daß ich Eüch biß ahn mein endt von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. August 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 600–606
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0720.html
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Tintenfass