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Brief vom 2. April 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


696.


[537]
Versaille den 2 Aprill 1715.
Hertzallerliebe Louise, ich habe mir heütte vorgesetzt, Eüch einen großen brieff zu schreiben, ob ich zwar recht trawerig heütte bin wegen daß abscheüliche unglück, so der armen königin von Sicillen widerfahren, welche ich wie mein leiblich kindt liebe. Sie hatt ihren elsten printzen verlohren ahn einem hitzigen fieber, einen schönnen, wollgeschaffenen herrn von 16 jahren, der großen verstandt hatte undt recht tugendtsam war.[1] Wie ich eben ahn dießes letzte wordt war, kamme der printz von Anhalt, der nuntzius, der hollandische ambassadeur, envoyes von Saxsen undt viel leütte von hoff. Aber nun hoffe ich, wider in ruhe zu sein; gott gebe es! [538] Ah, da kompt mylord Stairs, mylord Pürlington undt der chevallier de Fontaine, die muß ich auch entreteniren. Gott weiß, wen ich ein wenig weitter mitt meinem schreiben werde kommen können.
Dinstag, den 2 April, umb 5 abendts.
Was ich auch habe thun können, umb wider zum schreiben zu gelangen, so ist es mir doch onmöglich geworden; den so baldt die mylord weggangen, ist der cantzeler kommen mitt dem marechal de Villeroy; die seindt geblieben, biß ich in kirch bin. Nach der kirch bin ich zu der großen printzes de Conty, so kranck ist; umb 1 bin ich ahn taffel, nach dem eßen hatt man mir kupfferstück gewießen, habe sie nicht gekauft, nur mitt mein enckel drin geblettert. Umb 3 ist madame d’Orleans kommen undt biß umb 4 geblieben, da habe ich ahn monsieur Martine geschrieben undt etlich fragen außgelegt, so ihm monsieur Botmar gefragt wegen der hießige[n] trawer; daß hatt mich biß jetzt [aufgehalten], den ich habe auff 9 article andtwortten müßen. Jetzt komme ich auff Ewer liebes schreiben vom 14/28 Mertz. Es frewet mich recht, hertzliebe Louise, wen ich sehe, daß meine brieffe Eüch erfr[e]wen; den daß kan Eüch, so lang ich lebe, nicht fehlen. Vor den raht von leinsamen[2] war gar nicht zu dancken, liebe Louisse! wünsche, daß es Eüch woll bekommen mag, undt wen es Eüch nach meinem wunsch woll bekompt, werde ich vergnügter sein, alß wen Ihr mir gantze bogen voller dancksagungen schreiben thetet. Mein sohn folgt meine maximen nicht, den ob er zwar gar gesundt schiene zu sein, hatt er sich doch gantz undt gar in die remedien gesteckt; man hatt ihm fünff undt eine halbe palette bludt gelaßen, welches 22 oncen macht; daß finde ich zu starck. Hernach hatt er eine gar starcke medecin genohmen, darauff 3 tag von den purgirenden waßer von Balaruck[3] 3 tag 14 gläßer genohmen, den 5 tag wider eine medecin. Daß konte ich ohnmöglich außstehen; ich glaub, man muß ein Frantzoß oder Frantzößin sein, umb daß außzustehen können; ein teütscher magen konte es ohnmöglich leyden. Ich[4] habt mir ein ander englisch wordt explicirt, so nicht train room war. Es muß sein, waß man zu meiner zeit pressentz halten hieß.[5] Ein [539] heyßern halß ist nicht ungesundt, daß vergeht gar baldt wider. Wen man abendts ein frisch ey nimbt, ein wenig zucker candie drinen schmeltzen lest undt es, wen man schlaffen geht, einschluckt, andern tag ist man nicht mehr heyßer. Es kan leicht vom spatzirengehen kommen sein, den die lufft ist noch kühl undt feücht, welches offt einen heyßern halß gibt. Hir fengt es ahn, starck zu grünen überall, aber daß wetter ist doch wider kalt. Ich wünsche, daß E[we]r spatzierreißgen Eüch woll möge bekommen sein undt daß Ihr ohne husten, noch schnupen wider kommen möget. Ich erinere mich nicht deß Lentilli von Manheim, aber die Suzon, so man hir madame Leclair heist[6] undt Ihr zu Franckfort gesehen, meiner ammen dochter, die weiß, wer es ist. Sie hatt mich schon offt [gebeten] , Eüch ihres respect zu versichern undt zu sagen, daß sie mir gar fleißig die knie umbfast[7] undt küst von Ewertwegen. Der Lentilli ist vielleicht erst nach Manheim kommen, wie ich schon weg war; den ich erinere mich seiner gantz undt gar nicht. Von Manheim erinere ich mich niemandts, alß monsieur undt madame Kliniet undt ihre kinder, der oberste Wilderin[8] undt ihre 3 söhn undt ihr niepce, daß Arnoldtgen, wie auch Vaddeil undt seine kinder, so noch sturben, wie ich da war. Ich erinere mich auch noch deß blinden frantzöschen pfarers, der Anabaptisten, sowoll die potmacher alß meßer undt schmitt, die Polinisch[9], so die Socinianer hießen, wie auch die Juden von Avignon, da einer von so eine schönne fraw hatte, sonsten von niemandts dort. Ma tante s. hatt mir offt von madame Cresset[10] geschrieben, wie sie zu Hannover [war]. Wo mir recht ist, so wurde ihr man ein wenig närisch dort. Allerhandt leütte konnen der hertzogin von Zelle verwandt sein; den sie ist gar nicht viel besunders. Es ist mir hertzlich leydt, daß Ihr den chagrin habt, nichts in Engellandt vor Ewere niepcen außzurichten. Aber ich habe es allezeit woll gedacht undt Ihr wist, daß ich es Eüch vorhergesagt habe. Der duc de Schomburg ist [540] zu aldt, umb von homor zu endern; alte leütte werden eher gritlicher, alß samfftmütiger. Er ist nicht allein so, man findt noch viel mehr so, schir alle karche alte leütte sein wie er. Hüttet Eüch, dem printzen von Saxsen, dem churprintzen, nichts von seiner religion zu schreiben! Man list alle seine brieffe, undt wen sie gleich von seiner fraw mutter oder groß fraw mutter sein, so baldt waß von religion drin stehet, weist mans ihm nicht. Er wirdt gar hart gehalten, jammert mich von hertzen. Man lest ihn mitt niemandts allein reden. Es ist nicht zu fürchten, daß dießer printz endert; den durch den abscheülichen zwang, worinen man ihn wegen der religion helt, solt ihm woll alles zuwider machen[11], undt man kan nicht sagen, daß man ihn mitt ahngenehmen maniren zu der religion lockt. Alle brieffe, die man mir schreibt undt die ich schreibe, werden alle auffgemacht undt geleßen, darauff muß man bauen; also ist es der mühe nicht wehrt, sie mitt großer vorsorg zuzumachen. Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben vollig beantwortet. Ich komme auff daß vom 7/18 Mertz. Ob Ihr zwar meine schreiben 3 auff einmahl entpfangt, so ist es mir doch lieb, daß sie nicht verlohren gehen, undt Ihr segt, daß ich fleißig ahn Eüch gedencke, liebe Louisse! Ich bitte Eüch, so offt ich Eüch schreibe, so macht mein compliment ahn die printzes von Wallis! den es ist allezeit mein intention, ich sage es oder nicht. Denoyes, wie ich sehe, hatt ehre von der kleinen printzessen dantzen. Mich deücht, es schickt sich nicht vor einer hoffmeister[in], gar bundt undt schön gekleydt [zu sein]; daß ist nicht gravitätisch genung. Daß volck in Engellandt ist abgeschmackt, ihren jungen könig in effigie zu brenen, undt unßer könig Jörgen wirdt sehr gelobt, solche sachen übel zu finden. Ich dancke vor dem grünen taffet; die vers aber sont bon pour mettre au cabinet, wie der Missantrope sagt.[12] [541] Es wundert mich nicht, daß der Petterbouroug[13] wenig freündt hatt; es ist ein wunderlicher heylliger, wie I. G. unßer herr vatter alß pfleg[te] zu sagen.[14] Wen man nach seinem standt leben [kann], ist es billig, den zu wehlen, so einem ahm besten gefelt. Zu Ewerm trost wünsche ich, daß die sach geschehen mag. Deß milords Warton sohn muß ein ellender tropff sein. Ein ander mahl will ich von persianischen ambassadeur[15] reden; aber heütte muß ich schließen, den da kompt der printz de Conti herrein undt es schlegt 9. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch in großer eyll von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. April 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 537–541
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0696.html
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