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Versaille den 2 Aprill 1715.
Hertzallerliebe Louise, ich habe mir heütte vorgesetzt, Eüch
einen großen brieff zu schreiben, ob ich zwar recht trawerig heütte
bin wegen daß abscheüliche unglück, so der armen königin von
Sicillen widerfahren, welche ich wie mein leiblich kindt liebe. Sie
hatt ihren elsten printzen verlohren ahn einem hitzigen fieber, einen
schönnen, wollgeschaffenen herrn von 16 jahren, der großen
verstandt hatte undt recht tugendtsam war.
[1] Wie ich eben ahn
dießes letzte wordt war, kamme der printz von Anhalt, der nuntzius,
der hollandische ambassadeur, envoyes von Saxsen undt viel leütte
von hoff. Aber nun hoffe ich, wider in ruhe zu sein; gott gebe es!
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Ah, da kompt mylord Stairs, mylord Pürlington undt der chevallier
de Fontaine, die muß ich auch entreteniren. Gott weiß, wen ich
ein wenig weitter mitt meinem schreiben werde kommen können.
Dinstag, den 2 April, umb 5 abendts.
Was ich auch habe thun können, umb wider zum schreiben zu
gelangen, so ist es mir doch onmöglich geworden; den so baldt die
mylord weggangen, ist der cantzeler kommen mitt dem marechal de
Villeroy; die seindt geblieben, biß ich in kirch bin. Nach der
kirch bin ich zu der großen printzes de Conty, so kranck ist; umb
1 bin ich ahn taffel, nach dem eßen hatt man mir kupfferstück
gewießen, habe sie nicht gekauft, nur mitt mein enckel drin
geblettert. Umb 3 ist madame d’Orleans kommen undt biß umb 4
geblieben, da habe ich ahn monsieur Martine geschrieben undt etlich
fragen außgelegt, so ihm monsieur Botmar gefragt wegen der
hießige[n] trawer; daß hatt mich biß jetzt [aufgehalten], den ich habe
auff 9 article andtwortten müßen. Jetzt komme ich auff Ewer
liebes schreiben vom 14/28 Mertz. Es frewet mich recht, hertzliebe
Louise, wen ich sehe, daß meine brieffe Eüch erfr[e]wen; den daß
kan Eüch, so lang ich lebe, nicht fehlen. Vor den raht von
leinsamen
[2] war gar nicht zu dancken, liebe Louisse! wünsche, daß es
Eüch woll bekommen mag, undt wen es Eüch nach meinem wunsch
woll bekompt, werde ich vergnügter sein, alß wen Ihr mir gantze
bogen voller dancksagungen schreiben thetet. Mein sohn folgt
meine maximen nicht, den ob er zwar gar gesundt schiene zu sein,
hatt er sich doch gantz undt gar in die remedien gesteckt; man
hatt ihm fünff undt eine halbe palette bludt gelaßen, welches 22
oncen macht; daß finde ich zu starck. Hernach hatt er eine gar
starcke medecin genohmen, darauff 3 tag von den purgirenden waßer
von Balaruck
[3] 3 tag 14 gläßer genohmen, den 5 tag wider eine
medecin. Daß konte ich ohnmöglich außstehen; ich glaub, man
muß ein Frantzoß oder Frantzößin sein, umb daß außzustehen
können; ein teütscher magen konte es ohnmöglich leyden. Ich
[4] habt
mir ein ander englisch wordt explicirt, so nicht train room war.
Es muß sein, waß man zu meiner zeit pressentz halten hieß.
[5] Ein
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heyßern halß ist nicht ungesundt, daß vergeht gar baldt wider.
Wen man abendts ein frisch ey nimbt, ein wenig zucker candie
drinen schmeltzen lest undt es, wen man schlaffen geht, einschluckt,
andern tag ist man nicht mehr heyßer. Es kan leicht vom
spatzirengehen kommen sein, den die lufft ist noch kühl undt feücht, welches
offt einen heyßern halß gibt. Hir fengt es ahn, starck zu grünen
überall, aber daß wetter ist doch wider kalt. Ich wünsche, daß
E[we]r spatzierreißgen Eüch woll möge bekommen sein undt daß Ihr
ohne husten, noch schnupen wider kommen möget. Ich erinere mich
nicht deß Lentilli von Manheim, aber die Suzon, so man hir
madame Leclair heist
[6] undt Ihr zu Franckfort gesehen, meiner
ammen dochter, die weiß, wer es ist. Sie hatt mich schon offt
[gebeten] , Eüch ihres respect zu versichern undt zu sagen, daß sie
mir gar fleißig die knie umbfast
[7] undt küst von Ewertwegen. Der
Lentilli ist vielleicht erst nach Manheim kommen, wie ich schon
weg war; den ich erinere mich seiner gantz undt gar nicht. Von
Manheim erinere ich mich niemandts, alß monsieur undt madame
Kliniet undt ihre kinder, der oberste Wilderin
[8] undt ihre 3 söhn
undt ihr niepce, daß Arnoldtgen, wie auch Vaddeil undt seine
kinder, so noch sturben, wie ich da war. Ich erinere mich auch noch
deß blinden frantzöschen pfarers, der Anabaptisten, sowoll die
potmacher alß meßer undt schmitt, die Polinisch
[9], so die Socinianer
hießen, wie auch die Juden von Avignon, da einer von so eine
schönne fraw hatte, sonsten von niemandts dort. Ma tante s. hatt
mir offt von madame Cresset
[10] geschrieben, wie sie zu Hannover
[war]. Wo mir recht ist, so wurde ihr man ein wenig närisch dort.
Allerhandt leütte konnen der hertzogin von Zelle verwandt sein;
den sie ist gar nicht viel besunders. Es ist mir hertzlich leydt,
daß Ihr den chagrin habt, nichts in Engellandt vor Ewere niepcen
außzurichten. Aber ich habe es allezeit woll gedacht undt Ihr wist,
daß ich es Eüch vorhergesagt habe. Der duc de Schomburg ist
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zu aldt, umb von homor zu endern; alte leütte werden eher
gritlicher, alß samfftmütiger. Er ist nicht allein so, man findt noch viel
mehr so, schir alle karche alte leütte sein wie er. Hüttet Eüch, dem
printzen von Saxsen, dem churprintzen, nichts von seiner religion
zu schreiben! Man list alle seine brieffe, undt wen sie gleich von
seiner fraw mutter oder groß fraw mutter sein, so baldt waß von
religion drin stehet, weist mans ihm nicht. Er wirdt gar hart
gehalten, jammert mich von hertzen. Man lest ihn mitt niemandts
allein reden. Es ist nicht zu fürchten, daß dießer printz endert;
den durch den abscheülichen zwang, worinen man ihn wegen der
religion helt, solt ihm woll alles zuwider machen
[11], undt man kan
nicht sagen, daß man ihn mitt ahngenehmen maniren zu der
religion lockt. Alle brieffe, die man mir schreibt undt die ich schreibe,
werden alle auffgemacht undt geleßen, darauff muß man bauen;
also ist es der mühe nicht wehrt, sie mitt großer vorsorg
zuzumachen. Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben vollig
beantwortet. Ich komme auff daß vom 7/18 Mertz. Ob Ihr zwar meine
schreiben 3 auff einmahl entpfangt, so ist es mir doch lieb, daß sie
nicht verlohren gehen, undt Ihr segt, daß ich fleißig ahn Eüch
gedencke, liebe Louisse! Ich bitte Eüch, so offt ich Eüch schreibe,
so macht mein compliment ahn die printzes von Wallis! den es
ist allezeit mein intention, ich sage es oder nicht. Denoyes, wie
ich sehe, hatt ehre von der kleinen printzessen dantzen. Mich
deücht, es schickt sich nicht vor einer hoffmeister[in], gar bundt undt
schön gekleydt [zu sein]; daß ist nicht gravitätisch genung. Daß
volck in Engellandt ist abgeschmackt, ihren jungen könig in effigie
zu brenen, undt unßer könig Jörgen wirdt sehr gelobt, solche
sachen übel zu finden. Ich dancke vor dem grünen taffet; die vers
aber sont bon pour mettre au cabinet, wie der Missantrope sagt.
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Es wundert mich nicht, daß der Petterbouroug
[13] wenig freündt
hatt; es ist ein wunderlicher heylliger, wie I. G. unßer herr vatter
alß pfleg[te] zu sagen.
[14] Wen man nach seinem standt leben [kann],
ist es billig, den zu wehlen, so einem ahm besten gefelt. Zu Ewerm
trost wünsche ich, daß die sach geschehen mag. Deß milords
Warton sohn muß ein ellender tropff sein. Ein ander mahl will ich
von persianischen ambassadeur
[15] reden; aber heütte muß ich
schließen, den da kompt der printz de Conti herrein undt es schlegt 9.
Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch in großer eyll von
hertzen undt behalte Eüch recht lieb.