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Brief vom 26. Juli 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


717.


[594]
Marly den 26 Julli 1715.
Hertzallerliebe Louisse, ich habe ohnmöglich vergangen dinstag auff Ewer liebes schreiben vom 4/15 andtwortten können, noch montags vorher ahnfangen; den selbigen tag führte unß der könig alle ins läger von seinem regiement, so hir gar nahe bey [595] campirt.[1] Wir wahren dort von halb 3 biß 6 abendts. Es ist gewiß, daß es meritirt, gesehen zu werden; sie seindt alle nagelneü gekleydt, ligtgraw mitt seydene bouttonieren von goltfarb, undt coulleur de feu bandt auff beyden axellen. Die offecir haben ahnstatt seydene bouttonieren golttene, alle ponceau bandt undt weiße federn. Die soldatten haben alle moustachen, so ihnen recht woll steht; es seindt lautter große, wollgeschaffene kerl, man solte einen jeden vor einen offecir ahnsehen, so gutte minen haben sie. Ich kene viel von dießen jungen bürschger, die officirer sein; den vor etliche jahren kamen ihrer viel, mitt mein enckel, dem duc de Chartre, spillen, undt nun seindt sie schon erwacksene kerls. Wie ich wider vom lager kam, schriebe ich ahn die 2 königinen von Sicillen undt die verwittibte von Spanien andtwortten, welches mich biß ahm nachteßen auffhilte. Dinstag war ich zu Paris bey einen von meinen gutten freündinen, die hatte mich zu gast gebetten, nehmblich die duchesse du Lude, die dame d’honneur von der letzten Dauphine geweßen. Sie hatt treffliche köche, hatt in 4 servicen ahnrichten laßen, recht propre undt gutt; wir waren 9 ahn taffel, die duchesse du Lude, ihre 2 niepcen, die duchesse de Sulli[2] undt die duchesse de Roquelaure, meine damen, die duchesse de Brancas, madame de Chasteautier[3], marechalle de Clerembeault[4], die fraw von Rotzenhaussen, die marquisse Dalluye[5] undt ich. Sie hatt ein schön hauß, nagelneü, gar magnific meublirt mitt marbretaffeln, glaçen, vergült, alles schön gearbeit. Aber da kompt mein eßen, muß ahn [tafel]; nach der taffel werde ich Eüch entreteniren, biß wir auff die jagt fahren. [596]
Freytag, den 26, umb halb 1 nachmittags.
In dießem augenblick komme ich von taffel. Wir seindt eine gutte stundt ahn taffel geweßen; mein gröster apetit ist bestanden in muschellen-eßen, die gar gutt wahren. Aber ich komme wider ahn meinen vorigen discours. Ihr segt woll, liebe Louise, daß, da ich den gantzen tag zu Paris zubracht, daß ich selbigen tag nicht habe schreiben konnen. Abendts, wie ich widerkommen, hatt man mir Ewer liebes schreiben vom 18/7 dießes monts gebracht. Ist es moglich, so werde ich nach der jagt drauff andtwordten, wo nicht, so werde ich es vor dinstag sparen, fange aber nun ahn, auff daß erste zu andtwortten. Man ist nun so sehr ahn die brillants gewohnt, daß man die roßen undt facetten nicht mehr so hübsch findt; aber vor eine facette ist warlich ma tante s. ring nicht heßlich, aber, wie Ihr gar woll ahm könig von Engellandt geantwort, aber wens auch nur eine spel geweßen were, sobaldt es ein ahndencken von mein hertzalliebte[6] tante s. ist, so ist es mir lieb undt ahngenehm undt werde es in ehren halten. Ich hatte mylord Stairs sehr gebetten, meine dancksagung bey I. L. die princes von Wallis abzulegen; mich wundert sehr, daß er es noch nicht gethan. Vissitten entpfangen undt ablegen ist in meinem sin ein langweillige sach, weiß nicht, wie Ihr es außstehen könt, liebe Louisse! Daß späte eßen gefält mir nicht, were gar nicht meine sache, finde es sehr ungesundt. Der duc de Chomburg thut gar woll, alle tag außzufahren, oder zu reitten; den daß ist recht gesundt, in[7] verspüre es bey mir selbst; daß erhelt auch den gutten humor undt macht, daß die melancolie nicht überhandt nimbt. Es ist mir lieb, daß er so viel von dem herrn von Degenfelt helt; daß macht mich hoffen, daß Ewer zweyter wunsch wegen Ewer jüngste niepce auch möge volzogen werden. Sagt zum duc de Schönburg, daß ich kein sclaven, aber woll einen rechten gutten freündt ahn ihm wünsche zu haben, vor welchem ich alle estime habe, so er wünschen undt begehrn kan! Ich glaube, er geht ins opera auß complaisance vor die junge leütte undt ist froh, daß Ihr mittgeht, weillen es seiner dochter reputirlicher ist, mitt ihrer tanten, alß allein, zu einem spectacle zu gehen. Ich bilde mir ein, daß daß opera von Amadis, so man nun in Engellandt hatt, daß hießige opera von Amadis[8] [597] ist; Ihr sagt aber nicht, in welche sprach man es singt. Die musiq ist hübsch, sobaldt sie gefählt. Ich liebe die commedien mehr, alß die operaen. Ich habe ahn I. G. unßer herr vatter offt sagen hören, daß keine schönnere commedien in der welt sein, alß die englische. Daß schreiben, so Ihr mir von der fraw von Brinck geschickt, ist nicht gar frisch; es ist vom November vergangen jahr. Hette [ich es] damahls entpfangen, were es beßer zu paß kommen, alß nun; den in dießer zeit [des] jahrs ist es eben die zeit, worinen man ahm wenigsten gelt hatt, undt kompt keins vor den October. Doch will ich examiniren, waß bey der sach zu thun ist, den mein willen ist gutt. Die frantzösche singerinen seindt theuere wahren undt mögte dazu woll umb sein gelt undt gesundtheit zugleich kommen, den die bursch ist nicht sicher; die fraw von Nostitz ist allso sehr zu beklagen. Hiemitt ist Ewer erstes liebes schreiben vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß von 18/7 Julli, liebe Louisse! Von meiner gebrochenen kutsch werde ich nichts mehr sagen. Mein stalmeister Wendt, den Ihr woll kendt, so mein page zu Heydelberg geweßen undt gar offt mitt Carl Lutz s. gespilt hatt (den sie seindt von einem alter), Wendt ist gar sorgfältig, allein meine große kutsch ist gar schwer, daß wetter trocken, daß holtz spalt sich leicht. Ich fahre zimblich geschwindt.[9] Meine große kutsch ist alß vor 6, aber wen alle damen nicht vorhanden, habe ich eine kleinere vor 4 personen. Dancke Eüch sehr, liebe Louise, vor alle gutte wünsche hirauff. Ahn den konig von Engellandt hab ich geschriben. Aber man ruff[t] mir, muß auff die jagt.
Marly, freytag, ein viertel auff 8 abendts.
Es ist 3/4 stundt, daß wir von der jagt kommen sein. Ich bin schon gantz wider ahngethan; es ist aber zu spät, liebe Louisse, umb follendts auff Ewer 2tes liebes schreiben zu andtwortten. Den ich habe nicht mehr zeit, alß mir nöhtig ist, auff zwey von meiner dochter schreiben zu andtworten; werde also nur noch sagen, daß ich ahn den könig in Engellandt schreiben, weillen I. M. mir erst geschrieben. Hette die printzes mir nur die ehre gethan, ein par wort zu schreiben, so hette ich fortfahren können; aber ich hoffe doch noch, daß es sich mitt der zeit schicken wirdt, undt wünsche es von hertzen. Bitte, wolt doch unterdeßen der printzes von [598] Wallis mein compliment machen undt versichern, daß I. L. zwar eine gar un[n]utze, doch trewe undt ergebene dinnerin ahn mir haben undt haben werden biß ahn mein endt! Adieu, liebe Louissen! In[10] muß wider willen auffhorn, zu schreiben, undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb habe undt all mein leben behalte[n] werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Juli 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 594–598
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0717.html
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