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Brief vom 1. November 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


740.


[663]
Paris den 1 November 1715.
Hertzallerliebste Louise, ich habe heütte abendts nach 6, alß ich auß der kirch kommen, Ewer liebes schreiben vom 28/17 October bekommen; ich kan aber nur in großer eyll drauff andtwortten, den es ist gar spät. Ihr macht mich gantz stoltz, liebe Louisse, zu sagen, daß Ihr findt, daß ich noch gutt Teütsch schreibe. Daß alte Teütsch undt wie man zu meiner zeit gesprochen, weiß ich noch zimblich woll, aber vom neüen Teütsch undt wie man mir sagt, daß man nun spricht, daß kan ich wieder[1] reden noch recht verstehen, will geschweygen schreiben.[2] Es frewet mich recht, liebe Louisse, wen ich sehe, daß Ihr mitt mir zufrieden seydt. Ich bin gar gewondt, bey licht zu schreiben undt spät; seydt davor in keinen sorgen! Ich bin noch gantz matt von der aderlaß, so man mir vergangenen dinstag gethan; sie haben hir so verfluchte maniren mitt ihren remedien durch precaution, daß sie einem recht kranck mitt machen. Ich finde nicht naßeweiß, sondern recht artig, waß die kleine printzes Amelie gesagt. Es ist leicht zu gedencken, daß sie woll königin in Preussen werden könte, oder woll gar keyßerin; den ich glaube, daß sie nicht mehr, alß 3 jahr, alt ist; aber sie mogte woll, wo die keyßerin einen ertzhertzog bekompt undt mein dochter, so nur die stundt erwahrt, niederzukommen, undt solte sie eine dochter bekommen, eine rivalle von printzes Amelie in dem fall werden. Meine lotheringische enckelen seindt stifftmäßig; deren seindt jetzt wenig in der welt, wie sie. Der printz undt die printzes von Wallis können woll in ruhen [sein]. Kein mensch wirdt ma tante schreiben sehen, nach meinem sohn[3] werden sie gleich alle gebrent. Man brendt nach der leütte todt woll die brieffe, s[o] gar frantzösch sein, ohne sie zu leßen, will geschweygen dan werden die meine ungeleßen verbrendt werden undt die mühe nicht genohmen werden, sie zu übersetzen.[4] Ich bin fro, daß man meinen sohn noch lobt; gott gebe nur, daß es bestandt haben mag! Aber die Frantzoßen seindt so unbeständig, daß man auff nichts bawen kan, ist mir also ohnmöglich, über waß ich höre undt sehen [mich] [664] zu freüen. Daß sandtmängen überfelt mich[5], ich muß wieder willen schließen. Adieu! In[6] ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben lieb, Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. November 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 663–664
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0740.html
Änderungsstand:
Tintenfass