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Brief vom 24. Oktober 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


738.


[657]
Paris den 24 October 1715, umb 7 abendts.
Hertzallerliebe Louise, morgen ist der post[t]ag, aber weillen ich aber noch ein par stundt in mein cabinet zu bleiben habe, ehe ich zu mein trawriges nachteßen gehe, so kan ich es nicht beßer ahnwenden, alß ahnfangen, Eüch zu entreteniren. Morgen werde ich außschreiben komme[n], nun aber komme ich, wo ich gestern, ich will sagen vergangen dinstag geblieben war, nehmblich ahn die princes von Wallis. Ich bin fro, daß I. L. sich nicht übel finden bey ihrem schwangersein. Es ist woll genung, daß man mitt so großen schmertzen enden muß, ohne noch die 9 mont über zu leyden, wie es mir alle 3 mahl gangen ist. Es schauttert einem, wen man von der abscheulichen sach hört, wie man daß gantze königliche hauß in Engellandt hatt assasiniren wollen.[1] Ihr schreibt woll, daß dießer abscheüliche complot endeckt worden, aber nicht, wie es herraußkommen; daß mögte ich doch gerne wißen. Man sagt hir, daß [man] 1500 leütte von qualitet eingezogen hatt, so alle von der conspiration wahren. Daß kompt mir abscheülich vor; wie kan [658] man solchen leütten trawen? Es ist ein groß glück, daß die printzes von Wallis unerschrocken ist; sonsten könten I. L. keine ruhige stundt bey der nation haben. Ich wünsche woll, daß der könig undt sein gantzes hauß erhalten mögen werden; allein ich gestehe, ich trawe den Englandern kein haar, undt es ist mir bang vor ihnen. Gott ist woll allezeit gerecht, die menschen aber seindts nicht, liebe Louise, undt es geschicht offt, daß die gerechten von den ungerechten verfolgt, geplaget undt gar getödtet werden, undt deßwegen ist mir angst vor unßern könig Görgen undt seiner famille. Worinen die Engländer woll gar verfluchte leütte sein, ist, einen könig selbsten zu erwehlen gegen ihren rechtmäßigen könig undt hernach ihn assassiniren wollen, undt hetten sie den andern, schlügen sie ihm vielleicht den kopff ab. Man mag sagen, waß man will, die Engländer seindt falsche undt untrewe leütte, denen kein haar zu trawen ist.[2] Ich glaube, daß, wen die printzes von Wallis daß frantzösche undt englische kinderzeüg sehen wirdt, daß sie bey dem letzten bleiben wirdt; den daß englische ist properer.[3] Waß man in Engellandt prositbourse[4] heist, ist, waß hir die dame d’atour ist. Wie der Engländer humor ist, so würden sie 12 königen schwehren undt sie alle 12 gleich so haßen, daß sie sie todt sehen mogten. Deß milords Mare[5] fraw jammert mich von hertzen. Aber mein nachteßen ist ahngericht, morgen ein mehres, liebe Louisse! Ich wünsche Eüch eine glückseelige nacht.
Freytag, den 25 October, umb 3 viertel auff 9 abendts.
Gestern abendts, wie ich zum nachteßen gangen war undt mich braff eylte, umb wieder ahn Eüch zu schreiben, liebe Louisse, so kam mylord Stairs undt brachte mir ein schreiben von unßerer lieben printzes von Wallis. Kaum hatte ich dießen brieff geleßen, da kam mein sohn, mitt dem blautterte ich biß umb 11 abendts; da war es zu spät, umb wider ahnzufangen zu schreiben. Heütte morgen habe ich bey der printzes von Wallis ahngefangen zu antworten, undt wie ich eben hernach die feder nehmen wolte, ahn Eüch zu schreiben, bracht mir der marquis de Craon ein großmächtig paquet von meiner dochter bracht; deren habe ich also doppelt [659] andtwortten müßen, 13 bogen durch den courir undt 8 durch die post; daß hatt mich bißher auffgehalten, daß ich Eüch nicht habe schreiben können. Nun komme ich vom eßen, aber ich habe waß verdrießliches, so mich heütte gantz gritlich macht; will suchen, ob ichs mit Eüch zu entreteniren vertreiben konte. Von den rebellen will ich nichts sagen, alß daß mich deücht, daß ich kein groß unrecht gehabt habe, wie ich gewünscht, daß könig Görgen nicht in Engellandt gehen möge. Es ist mir todt-angst, es wirdt mitt einer großen tragedie enden; den, wie man sagt, so haben die rebellen doppelten preiß auffs Gorgen kopff gesetzt, so man im parlement auff deß jungen königs kopff gesetzt hatt; daß kan ja nicht anderst, alß abscheülich, ablauffen. Ich bin woll Ewer meinung, liebe Louisse, daß die Englander einen engel vom himmel haßen solten, wen sie ihn vor könig gewehlt hetten. Wie ich Eüch letztmahl geschrieben, wuste ich die sach nicht mitt den schiffen voller mousquetten, habe es aber seydem erfahren; mein sohn hatt mir es recht mitt zorn verzehlt, daß man so falsch gegen den fridentractaten gehandelt hatte. So viel ich von der sach judiciren kan, so hatt mein sohn gutte intention, alles mitt recht undt gerechtigkeit zu regieren, so lang er regent sein wirdt. Werden die arme gallerien nicht loßgelaßen, wirdt es woll meine schuldt nicht sein; ich thue mein bests, wie einer, der allein geycht.[6] Vor[7] affairen undt particullire sachen spreche ich meinem sohn gar nicht. Ihr habt monsieur du Quesne gar recht geantwortet, liebe Louisse! Mansleütte sehe ich viel, aber keine weibsleütte; die wollen nicht zu mir, weillen ich nicht leyden kan, daß man gantz desbraillirt[8] zu mir kompt in escharpen, wie zu madame d’Orleans undt madame de Berry. Die junge leütte wißen nicht, wo der respect in bestehet, haben nie keinen recht hoff gesehen. Ich gestehe, daß das gantz unordtentliche weßen mir abscheülich mißfehlt. Alles, mitt einem wordt, liebe Louisse, ist nun recht widerlich; ich wolte, daß ich ein par hundert meyll davon were. Monsieur Stamer ist wider nach Saxsen. Den jungen herrn von Degenfelt werde ich recht gern sehen, insonderheit weillen er so raisonabel ist, daß [660] woll waß rares unter jungen leütten ist, insonderheit in itzigen zeitten, daß[9] sie alle, mans- undt weibsleütte, arger sein, alß die wütige hundt. Nein, liebe Louisse, seydt in keinen sorgen, daß ich Ewere liebe brieffe zu lange finde! Sie gefahlen mir woll undt leße sie recht gern. Adieu! Daß sandtmängen kompt ahngestochen[10], wie man zu den kindern sagt; ich muß nach bett, aber doch nicht, ohne Eüch zu versichern, liebe Louisse, daß ich Eüch allezeit recht von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. Oktober 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 657–660
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0738.html
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