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Brief vom 26. November 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


746.


[673]
Paris den 26 November 1715.
Hertzallerliebe Louisse, vergangenen freytag, wie ich mein paquet ahn Eüch eben ahn monsieur Martine geschickt hatte, habe ich Ewer liebes schreiben vom 8/19 dießes monts entpfangen, welches ich, ob gott will, dießen abendt ortendtlich beantwortten werde. Bin fro, daß Ihr doch nun segt, daß ich die post nicht verfehlt habe; daß sie aber unrichtig geht, ist [nicht] meine schuldt, sondern der curieussen personnen, so meine brieffe gerne leßen. Meine neüe corespondentz[1] kan woll hindern, daß ich lange brieffe schreibe, aber nicht, daß ich gar nicht schreibe. Last Eüch also die neüe corespondentz gar nicht irren undt schreibt mir nur alle posten! Ihr werdt sehen, daß, wen ich es nicht freytags beantworte, so wirdt doch dinstag nicht fehlen. Es frewet mich von hertzen, [daß] mein gekritzel der lieben printzes von Wallis gefellt; aber ich fürchte, ich habs letzmahl zu grob gemacht; den ich habe I. L. 27 seytten geschrieben. I. L. schreiben [war] von 17 bogen, worauff [674] ich exact geantwort[et] habe. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, informirt Eüch unter der handt, ob die liebe printzes meine lange epistel nicht zu lang gefunden undt I. L. zu langeweillig gefallen ist! Wen dem so were, wolte ichs ein ander mahl kürtzer machen. Mich verlangt, biß sie die steine bekompt, umb zu wißen, ob sie I. L. gefahlen oder nicht. Ihr thut woll, liebe Louise, nicht zu der printzessin zu gehen, wen es ihr posttag ist; den nichts ist verdrießlicher, ich spüre es bey mir selbsten, alß wen man einem in schreiben verstören kompt, undt wen es auch sein, die man ahm liebsten hatt, so seindt sie einem in dem augenblick verdrießlich. Ich halte die printzes von Wallis vor zu gerecht, jemandts ohne ursach übel zu tractiren; nimbt mir also gar nicht wunder, daß sie Eüch woll entpfängt. Wie sie mir von Eüch schreibt, liebe Louisse, so interessiren I. L. sich sehr in alles, waß Eüch undt die Ewerigen betrifft, undt condamnirt Ewern schwagern sehr, nicht beßer mitt Eüch zu leben. Er ist auch zu condamniren hirin undt daß er sich opiniatrirt, seine jüngste dochter den herrn von Degenfelt … Ich glaube nicht, daß er ahn seinem gutten hauß zweyffelt; den daß ist ihm ja, der ein Teütscher ist, zu woll bekandt. Aber wie er gar karg ist, findt er ihn villeicht nicht reich genung vor seine dochter, weillen er ein cadet ist. Weder Engländer noch Frantzosen werde ich hirvon sprechen. Die Frantzoßen seindt eben so wenig deüchtig, angen[2] zu haben, alß die Englander imer von den ersten biß auff die letzten; alles ist verkwackelt undt verdorben, außer der junge könig. Waran[3] denckt den Ewer schwager, daß er sein eygen interesse so negligirt? Wart[et] vielleicht, biß Ihr es von ihm solicitirt. Ihr verderbt ihn, so alle seine sachen zu machen. Wen er es Eüch noch danck wüste, ging es noch hin; allein er ist doch noch imm[e]r stürisch mitt Eüch. Ich hoffe aber, daß seine kinder nicht so undanckbar sein werden undt die mühe, so Ihr vor sie alle nehmbt, erkenen. Wehren sie von einer andern nation, alß Engländerinen, so würde ich nicht dran zweyffellen; allein dieße nation ist mir in allen guttem sehr suspect. Ich kan nicht glauben, daß Ewer schwager radodirt; den sein leben ist er nicht anderst geweßen. Madame de l’Aigle, madame la duchesse ihre dame d’honneur, hatt Coubert[4] kauffen wollen, aber Ihr wist, daß er [675] geantwort, daß er schon mitt andern engagirt were. Daß muß doch keinen fortgang gehabt haben, weillen daß gutt nicht verkaufft ist. Ich weiß nicht, wie es nun hergeht; aber weillen Coubert dem hertzog von Schomberg im vollen krieg geblieben, kan ich nicht glauben, daß mans ihm im frieden nehmen wirdt oder seinen kindern. Ich kan nicht begreiffen, daß man sein leben langeweill auff dem landt haben kan, aber woll in den stätten. Daß stattleben kompt mir bitter langweillig vor, ist mir unleydtlich[5]; aber waß die sach verderben kan, ist, bey einem gar gritlichen menschen zu leben. Ich glaub, daß die elste woll sehr nach ihrem man verlangen wirdt. Ich habe recht gern, daß man meine gesundtheit [trinkt]; den man drinckt ja der leütte gesundtheit nicht, die man hast, noch denen man nichts gutts wünscht. Ich bin fro, daß baron Görtz noch alß mein gutter freündt ist.[6] Er hatt woll groß recht, nach Teütschlandt zu verlangen; in Engellandt ist es nicht gutt sein, wundert mich recht, daß Ihr so gedultig dort bleiben könt. Es ist mir lieb, daß mein alber gekritzel Eüch zu ahngenehm; daß wirdt Eüch nicht fehlen. Wie meine brieffe nur andtwortten auff die Ewerigen sein, so ist es nicht nohtig, auff alles wieder zu andtwortten; daß Ihr mitt zufrieden seydt, ist mir schon genung, liebe Louisse! Ich fange wider ahn, mich von allen remedien zu erhollen; bin doch noch nicht in vollen kräfften. Was mich aber gestercket hatt, ist, daß ich schir alle tag außfahre undt frische lufft schöpffe; heutte aber hatt es den gantzen tag geregnet, habe also woll zu hauß bleiben müßen. Man hatt mir versprochen, vor den magen weder aderlaß noch medecin zu propossiren, welches mich sehr tröst. Viel artzeneyen ist gewiß gar schlim undt ich finde, daß Ihr gar woll gethan habt, den herrn von Degenfelt zu wehren, mehr zu nehmen. Man hatt nichts mehr zu brauchen, wens fieber vergangen; den daß fieber ahn sich selbst consumirt die bößen humoren. Man muß nur suchen, sich allgemach wider zu kräfften zu bringen, undt nicht im ahnfang zu viel eßen, noch den magen zu überladen. Daß ist woll war, liebe, daß junge leütte sich baldt wider erhollen, bey alten aber geht es langsam her; ich verspürs undt solte es mehr spüren, alß Ihr, den ich bin woll 10 gutter jahr älter. Ich war 6 jahr alter, alß Carllutz, 8 jahr älter, alß Caroline, [676] undt glaube, daß, wie schon gesagt, ich 10 jahr alter bin, alß Ihr. Deß magersein kan ich mich nicht berühmen, ich bin nur gar zu dick undt fett. Man rufft mich zur taffel, muß eine pauße machen; nach dem eßen werde ich außschreiben, aber nun in pecto Ewere gesundtheit drincken. Es dürst mich mehr, alß mich hungert. Es schlegt 10 undt ich komme eben vom eßen undt werde nicht schlaffen gehen, biß ich vollendts auff Ewer liebes schreiben werde geantwortet haben. Aber last Eüch daß nicht angstigen! ich kan mein leben nicht vor ein uhr schlaffen; daß ist eine gewohnheit die ich habe, seyder ich in Franckreich bin. Meint Ihr, liebe Louise, daß, weillen ich fett bin, daß ich deßwegen die magere leütte nicht leyden kan? Contrarie, ich bedauere, daß ich nicht sein kan, wie sie; aber im überigen so müst Ihr mich woll vor capricieux halten, wen Ihr meint, daß ich nach den figuren sehe ahn leütte, die tugendtsam sein, mich lieb haben undt mir so nahe sein, wie Ihr, liebe Louisse! Wen Ihr diß recht bedacht, hettet Ihr mir den affront nicht ahngethan, mich caprissen zu bezeügen.[7] Wie Ihr nun pulver undt bley im hauß habt[8], hette ich schir lust, nach solchem affront Eüch heraußzufordern. Aber ich dencke nicht, daß die duels überall verbotten sein. Aber ernstlich davon zu reden, wie ich ahngefangen, so thut Ihr mir warlich groß unrecht, so übel von mir zu judiciren. Gewendt Eüch daß ab! ich kan undt wills nicht leyden. Über mich noch unter mich sehe ich nichts ahn, alß die gemühter; nachdem die gutt oder böß sein, gefahlen mir die leütte oder nicht. Ich werde froh sein, herrn von Degenfelt hir zu sehen; aber so ahngenehm er auch sein mag, so wolte ich Eüch, liebe Louise, doch lieber sehen, alß ihn. Es weiß kein sehlen-mensch, wo der junge chevallier de St George hinkommen[9]; es muß sich doch baldt außweißen. Die lieb printzes von Wallis schreibt mir, daß sie den Bullinbruck[10] mitt einer figur von einer non mitt [677] einem kindt in seinen armen durch einen teüffel haben in feüer gesprengt. Bey dem pöpel muß man nicht viel raison suchen; sie haben keine undt der englische pöpel noch weniger, alß andere. Sie werden kein frembten gefunden [haben], so könig Jörgen nicht von hertz[en] glück undt seegen gewünscht hatt. Nichts in der weldt ist gefährlicher, alß in die wuht vom pöpel zu fahlen. Man kan vom könig Görgen sagen, wie daß frantzösche sprichwordt: Il engraisse de mal avoir. Habe ich nicht recht, mein leben keine ambition gehabt zu haben? Zu fordern, waß recht undt billig ist, ist ja nie verbotten geweßen; finde aber die glücklicher, so ohne fordern woll zu leben haben; man ist aber woll schuldig, vor die seinige zu sorgen. Gott gebe, daß Ihr, liebe Louisse, in alles, waß Ihr zu fordern habt, reusiren möget! Alle sprichwörtter treffen nicht allezeit ein; tel maistre, tel valet wünsche ich sehr, daß es von denen sein mag.[11] Ja, liebe Louisse, man sicht hir wenig auff waß ungelegenheit bringen kan. Schreiben ist mir weniger ungemächlich, alß vissitten entpfangen. Lustiges noch ahngenehmes findt sich hir nicht. Ins opera darff ich noch vor 3 mont nicht gehen wegen der trawer; selber spillen kan undt weiß ich nicht, spillen sehen geschicht alle tag undt erfrewet gar nicht[12] undt ich kan nicht daweren, ohne nichts zu thun, muß leßen oder schreiben, sonsten werde ich recht trawerig.[13] Nach Lotheringen ist der chevallier de St George gewiß nicht wider. Meine dochter setzt mich in sorgen; es ist schon 3 wochen, daß sie über dem ziehl ist, hatt einen starcken husten undt alle tag kindtwehen; ich werde ihr gleich schreiben. Adieu, liebe Louisse! Ewer schreiben ist vollig beantwort; bleibt mir nur überig, Eüch zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
P. S.
Entschuldigt die fehler dießes brieff! Ich bin offt interompirt wor[d]en. Liebe Louissen, Ihr seydt so gewohnt ahn meinem gekritzel [und] ahrt von reden, daß Ihr woll errahten werdet, waß ich habe sagen wollen; kan ohnmoglich dießen brieff überleßen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. November 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 673–677
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0746.html
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