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Brief vom 1. Mai 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


911.


[249]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 1 May 1718 (N. 72).
Hertzallerliebe Louisse, dieß ist daß zweytte mahl, daß ich Eüch von St Clou schreibe. Gestern habe ich waß wüsts gethan undt über 8 tag werde ich noch waß argers thun; es ist mir aber gestern etwaß geschehen in meiner aderlaß, so mir noch ein[1] leben nicht wiederfahren ist. Nehmblich, [nachdem ich 2 gutten paletten vorgelaßen, hatt sich auff einmahl daß fett vor daß loch geschoßen, daß man keinen tropfen bludt mehr hatt bekommen. Gleich drauff habe ich ein unerhört starck kopffwehe bekommen; mein docktor hatt mir gerahten, spatziren zu fahren, welches ich gethan. Da ist mir daß kopffwehe vergangen, alß wen man mirs vom kopff gezogen hette. Über 8 tag, alß gestern über 8 tag, wirdt man mich wider purgiren, daran kan ich mich nicht gewohnen. Es macht mich recht trawerig. Aber last unß ahn Ewer liebes schreiben kommen! Dießes ist zu langweillig, nur noch vorher sagen, daß, wie ich meinen docktor gefragt, warumb er mich so plagen will, sagt er, daß, wen er lenger wartten solte, mögte die hiße[2] kommen undt mir schaden; will also noch bey dießem schonnen frühlingswetter die sach außmachen, muß mich also drin ergeben. Ich will nichts mehr von meiner dochter sagen undt ihrer abreiß, daß ist auch nicht lustig. Mein bludt war schon wie hünerbludt, aber waß braunroht undt dick, so (man sagt) trawerigkeyt bedeüt. Freylich dancke ich, daß meiner dochter reiß hir so woll abgeloffen undt ihr herr gar vergnügt von unß gangen. Ich bin fro, daß meine bezahlung woll überkommen. Wie die figürgen auff dem talck unterschiedtlich sein sollen, hette ich gehrn, so nur büsten wehren. Mein sohn hatt keine mittel genung, eine hohe alliantz zu machen; zudem wer wolte alle die übelgeborne kinder vor die seinigen gehen sehen? undt noch andere ursachen mehr, so sich woll sagen, aber nicht schreiben laßen. Ich bin gantz von der alten roche[3], die mißheürahten seindt mir gantz zuwider undt ich habe in acht genohmen, daß sie nie woll gerahten. Me[i]n sohns heüraht [hat] mir mein gantz leben [250] versaltzen undt mein freüdig gemühte gantz verstört.[4] Aber last unß von waß anderst reden! Diß ist auch trawerig, liebe Louisse! Seyder den brandt, so ich Eüch letztmahl geschrieben, habe ich nichts neües erfahren, undt weillen ich noch waß matt von den 9 unßen bludt bin, so man mir gestern gezogen undt noch einmahl [251] so viel hatt ziehen wollen, wen mein arm nicht versagt, also werde ich Eüch, liebe Louisse, dißmahl nicht mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Mai 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 249–251
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0911.html
Änderungsstand:
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