Seitenbanner

Brief vom 30. Juni 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


928.


[302]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort

St Clou den 30 Juni 1718, ein viertel auff 8 uhr (N. 88).
Hertzallerliebe Louise, verwichenen montag habe ich Ewer liebes schreiben vom 14, no 47, zurecht entpfangen, worauff ich dießen morgen antwortten werde. Ich will die post nicht beruffen, aber mich deücht, daß unßer commers nun zimblich richtig geht. Ich muß lachen, liebe Louise, daß ich Eüch auff fronleichnahmsfest geschrieben, Eüch glauben macht, daß ich noch gott undt meinen negsten liebe. Glaubt mir, liebe Louisse! unterschiedt der Christenreligionen bestehet nur in pfaffengezäng,[1] so, welche sie auch sein mögen, catholische, reformirten oder lutherische, haben alle ambition undt wollen alle Christen einander wegen der religion haßen machen, damitt man ihrer von nöhten haben mag undt sie über die menschen regieren mögen. Aber wahre Christen, so gott die gnade gethan, ihn undt die tugendt zu lieben, kehren sich ahn daß pfaffengezäng nicht, sie folgen gottes wort, so gutt sie es verstehen mögen, undt die ordenung der kirchen, in welcher sie sich finden, laßen daß gezäng den pfaffen, den aberglauben dem pöpel undt dinen ihren gott in ihrem hertzen undt suchen, niemandts ärgernuß zu geben. Diß ist, waß gott ahnbelangt, im überigen haben sie keinen haß gegen ihren negsten, welcher religion er auch sein mag, suchen, ihm zu dinnen, wo sie können, undt ergeben sich gantz der gottlichen providentz.[2] Daß ich Eüch lieb habe, ist weder künst, noch wunder. Haben wir den nicht einen vatter gehabt undt welchen ich mehr, alß mein eygen leben, geliebt habe? Daß Ihr meiner fraw mutter dochter nicht seydt, ist Ewer schuldt nicht; Ihr reparirt daß unglück Ewerer gebuhrt durch viel tugendten, warumb solt ich Eüch den nicht lieben? Ob tugendt zwar keinen rang gibt, so ist sie doch aber alles zu estimiren, undt daß macht auch, daß ich Eüch von hertzen lieb habe undt all mein leben haben werde; [303] drumb, liebe Louisse, müst Ihr nicht mir, sondern Eüch selbsten dancken, daß ich Eüch estimire undt liebe. Ich bin nicht von denen devotten, so stehts in den kirchen stecken undt paplen viel zeügs daher. Wen ich unßern herrgott die bestimbte zeit ahngeruffen, gehe ich wider weg undt thue, waß ich sonst zu thun habe. Ich laße mich nicht stöhren undt stecke nicht lenger in den kirchen, alß andere, die den geraden weg fortgehen undt, wie daß sprichwort hir lautt, keine heyllige freßen.[3] Also macht Eüch keinen scrupel! Ewer brieff hatt mich nicht ahn meiner devotion gestört. Seyder vergangen sontag 8 tag regnets alle morgen, aber nachmittags ist es schön wetter, außer gestern, da es geregnet undt geschlost hatt. Apropo vom hagel, er hatt 7 dörffer in Lotteringen ruinirt undt alles zerschlagen, sollen noch in andern ortten auch geweßen sein undt schloßen von 2 pfundt schwer gefallen sein. In Lotteringen, wie mein dochter mir schreibt, contribuiren sie es den hexsen.[4] Daß ist eine albere meinung, daß sich weiber undt maner in den wolcken verstecken können undt hageln, umb alles zu verderben. Zu Paris glaubt man ahn keine hexsen undt hört auch von keine. Zu Rouen glauben sie, daß hexsen sein, undt dort hört man immer davon. Es were mir leydt, wen Ihr diß regen undt ungewitter im Schlangenbaadt haben soltet; den daß ist nicht gutt. Ihr thut woll, so ohnnohtige unkosten zu sparen. Daß ist nicht discret von der graffin von Wittgenstein, Eüch zu Geißenheim mitt so viellen leütten zu überfahlen; undt wen Ihr auch schon reich wehret, müste es Eüch doch incommodiren, so viel leütte auff den halß zu haben. Es seindt viel leütte so, welche gar keine consideration haben, meinen, alles seye, ihnen zu dinnen. Hir im landt desfrairt[5] man nur die vornehmen personnen, aber kutschen, pferdt undt alle livrey müßen die herrn selber ernehren. Dieße mode solte man in Teütschlandt auch folgen, da man doch Franckreich alles nachmachen will. Es ist billig, daß Eüch dieße gräffin fr. mutter heist, weillen Ihr muttertrew ahn ihr gethan habt. Wen man sich vor personnen interessirt, verdrist es einem recht, wen sie [304] nicht sein, wie sie sein sollen. Daß ist nichts neües, daß ein man neben auß geht undt maitressen hatt; unter 10taußenden findt man nicht einen, so nicht waß anderst, alß seine fraw, liebt. Sie seindt noch zu loben, wen sie ihre weiber gutte wortte geben undt nicht übel mitt übel mitt ihnen leben. Ich haße die historger [nicht;] hettet mir gefahlen gethan, wen Ihr mir deß graffen von Wittgenstein seine verzehlt hettet. Daß kan man keinen boßen heüraht heißen undt habt Ihr Eüch hirin gar nichts vorzuwerffen. Daß kan nicht hinder[n,] daß der graff von Wittgenstein nicht lobenswerdt ist; den er kan sonsten gar viel guts ahn sich haben. Daß hindert wetter ahn verstandt, politesse, noch courage, deßwegen ein man zu loben ist. Sie ahn einem reichsgraffen zu heürahten, war woll gethan. Daß die reichsgraffen auff ihren standt halten, kan ich nicht desaprobiren. Die fraw von Veningen ist woll zu beklagen; man undt sohn auff einmahl verlohren zu haben, ist ein abscheülich [unglück] undt insonderheit vor die, so leben besitzen. Schwetzingen ist gar zu ein kleiner ort, umb einen großen hoffstaht zu halten, wie man sagt daß Churpfaltz hatt. Es scheindt, daß dießer churfürst kein comerce mitt mir halten will; den er hatt mir weitter nicht geschrieben. Wo mir recht ist, so seydt Caroline undt Ihr zu Schwetzingen gebohren. Wen die fraw von Veningen meiner dochter gleicht, kan sie nichts von h. Max haben. Meine dochter hatt gutte minen undt eine feine taille, aber ihr gesicht ist gar nicht schön; sie hatt keine waß man hir trais[6] heist; aber ein recht auffrichtig, from undt gutt gemühte hatt mein dochter, gott lob, welches ich der schönheit vorziehe. Sie hatt woll recht, fro zu sein, nicht schwanger [zu sein;] ich fürchte aber doch, daß sie noch mehr kinder bekommen wirdt. Wen ihr gott die ihrigen erhalten will, hatt sie kinder genung, es seyndt ja 3 printzen undt 2 princessin da, recht schönne kinder. Mein dochter fürcht daß sterben; daß letzte tohte medgen, so sie gehabt, hette ihr schir den garauß gemacht. Ich halte es vor ein groß glück, davon zu reden, wie ein blinder von den farben; den es ist in allem im ahnfang undt endt ein gar heßlich undt gefehrliches undt schmutziges handtwerck, so mir nie gefallen. M. de Chasteautier sagt alß, daß, wen man jemandts den heüraht verleytten wolle, müß[e] man mich davon [reden machen,][7] worauff die [305] Rotzenheüsserin andtwort, daß ich nie recht geheüraht geweßen undt nicht wüste, waß ein rechter heüraht seye mitt einem man, von dem man verliebt ist undt der einem wider liebt, daß diß alles endert undt anderst macht. Darauff accu[si]re ich sie, den beyschlaff zu lieben; den wirdt sie böß über mich undt ich lache sie auß. Waß die printzes von Wallis verursach so erschreckt hatt über der freüllen Gemingen, war, daß sie, wie sie in gnaden war, den könig in Englandt gefragt hatte wegen der freüllen Gemingen, der ihr versichert, daß er gar woll mitt ihr zufrieden were undt sie nie von den printzessinen thun würde. Darauff hatte sie gebauet; drumb hatt es ihr hernach desto mehr verdroßen. Printz undt printzes von Wallis seindt weit davon, den könig auff seinen geburdtstag gesehen zu haben. Aber waß ahm härtesten vorkompt, ist, daß der könig nicht will, daß der printz seine kinder sicht undt es schon 6 mont ist, daß er sie nicht gesehen, da er sie doch hertzlich liebt. Das findt ich gar nicht raisonabel; sie haben auch ihre fraw mutter nicht besuchen dörffen, wie sie ein böß kindtbett gehabt. Die arme kinder pflückten letztmahl ein körbgen voller kirschen, schickten ihrem herrn, ließen ihm dabey sagen, daß, ob zwar ihre person nicht bey ihm sein dörfft, daß doch ihr sehl, hertz undt gedancken stehts bey ihrem lieben papa wehren. Daß hatt mich attendrirt, daß mir die threnen drüber seindt in den augen kommen, wie ich es geleßen. Der printz solle bitterlich drüber geweint haben, daß jammert mich recht. Es ist war, daß mir der h. von Würtzaeuß etlich mahl geschrieben. Die andtwort geben mir keine mühe; den ich schreibe durch meines secretari handt; der verstehet aber kein wort teütsch, alßo muß ich die brieffe selber leßen, undt Würtzoeus hatt in meinen sin eine handt, so gar schwer zu leßen. In dem letzten habe ich doch begriffen, daß er mir viel guttes zu meinem geburtstag wünscht, wovor ich ihn auch werde dancken laßen; den meine maxime, allezeit woll aufzunehmen, waß gutt gemeint ist.[8] Es gefält mir allezeit recht woll, wen ich mercke undt verspüre, daß mich die gutte ehrliche Pfaltzer noch lieb haben;[9] last derowegen Ewern herrn Kunckel auch nur schreiben! Ich werde ihm auch durch den secretari andtwortten. Daß muß ein pfaffenahnstalt sein, daß Churpfaltz kein reformirte Pfältzer in seinen dinsten [haben will.] Der herr Zachman ist es doch. Gestern kame er [306] mitt fraw undt dochter her; sie seindt beyde, der man undt die fraw, gar kranck geweßen, meinten zu sterben, sehen sehr übel auß. Die großen affairen, so mein sohn mitt dem parlement hatt, müßen ihn haben vergeßen machen, den pasport vor Eüch zu schicken, den er mir versprochen. Übermorgen werde ich nach Paris undt ihn ahn monsieur Gueneau gemahnen. Mein sohn ist woll eine geplagte [seele;] er hatt so viel zu thun, das er kaum eßen, noch schlaffen kan, jammert mich offt so sehr, daß mir die threnen drüber in den augen kommen, thut hundert leütten guts, die es ihm doch gar kein danck [wißen.] Undanckbarer[e] leütte, alß hir im landt sein, habe ich mein tag deß lebens nicht gesehen. Dem pressident hatt er vergangen jahr zu fünffmahlhunderttaußendt francken geholffen; der ist nun gegen ihm dem hinckenten bastard[10] zu, welchem mein sohn viel gefallen auch gethan undt ja dazu sein schwager ist, welches dießem falschen teüffel ja ehre genung ist. Die falsch[h]eit ist gar zu arg hir im landt, ist aber, wen ich alles hirauff sagen solte, waß zu sagen were, müste ich ein buch ahnstatt eines brieffs schreiben. Dieße sagen[11] machen mich offt recht trawerig, will derowegen [nicht weiter davon reden.] Wie dieße brieffe ordinari 12 tag unterwegen sein, so glaube ich, daß Eüch dießer brieff wider zu Franckfort finden wirdt. Gott gebe, daß es Eüch in gutter gesundtheit finden mag! Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen, liebe Louisse, undt bitt Eüch, zu glauben, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
P. S.
Monsieur undt madame Dangeau seindt nach Dangeau[12] sehr betrübt; den vorgestern ist die duchesse de Monfort, die dochter, so monsieur Dangeau von der ersten ehe gehabt, gestorben ahn einer langwurigen kranckheit.[13] [307]
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Juni 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 302–307
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0928.html
Änderungsstand:
Tintenfass