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Brief vom 28. Mai 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1022.


[128]
St Clou den Pfingstag, 28 May 1719, umb 10 morgendts (N. 89).
Hertzallerliebe Louise, in dießem augenblick komme ich auß der capel, wo ich zum h. abendtmahl gangen, undt nun will ich Eüch entreteniren undt negst gott meinen geburdtstag mitt Eüch ahnfangen; den ich bin gewiß, das mir wenig leütte mehr guts dazu wünschen, alß Ihr, liebe Louise! Ich will auff Ewer liebes schreiben vom 13, no 36, beantwortten undt noch einmahl vor die überschickten medaillen dancken. Von allen landten seindt die medaillen gut; den es ja nur die denckwürdigste begebenheiten vorträgt, so [129] in der welt geschehen zu meiner zeit. Auß dießer ursachen samble ich sie nur. Wie ich sehe, so habt Ihr allezeit viel vissitten. Daß ist mir lieb; den daß weist, daß man Eüch zu Franckforth estimirt, wie billig. Die fürstin Taxis ist es nicht die von Hohenloh, so Churpfaltz, alß er noch printz Carl war, hatt heürahten wollen? Alle der fürstin von Usingen puncten habe ich dem abbé Dubois in eygenen händen überlieffert, aber seyderdem habe ich nichts von ihm gehört. Daß erste mahl, daß ich wider nach Paris werde, will ich dem abbe dran erinern laßen. Gestern entpfunge ich ein schreiben von mademoiselle de Malause; die schreibt mir, daß Ewer neveu von Holdernesse kammerjuncker vom könig in Englandt geworden ist; zweyffle nicht, daß es Eüch erfreüen wirdt, mache Eüch also mein compliment hirüber. Die landtlufft wirdt den graff Degenfelt wider retabliren. Die printzes von Wallis schreibt, das er gern nach Teütschlandt gewolt; alle[i]n sein schwigervatter hatt es ihm nicht erlauben wollen. Ich bin fro, daß mein pat, sein döchtergen, wider gesundt ist. Er hatt woll gethan, auß Londen zu gehen; er were drin gestorben. Es ist loblich ahn ihm, Eüch zu soulagiren, undt er thut desto beßer noch hirin, daß[1] die medissance wolte, daß er interessirt were undt Eüch biß auff den letzten heller außzöge. Dießes aber weist daß contrarie, hatt also gar woll gethan vor sich selber sowoll, alß vor Eüch. Mein patgen wirdt es auch woll bekommen, auff dem landt zu sein. Frische lufft ist kindern gesundter, alß eine verdünffte[2] stattluft, insonderheit in dießer jahrszeit. Graff Degenfelt thut woll; er kan gar woll gedult haben, ist woll sicher, daß Ihr ihm keine banqueroutte machen werdet. Bey menschen stehet es in meinem sin nicht, jemandts glücklich oder unglücklich zu machen; es geschicht nur, waß unß zu allen zeitten vorsehen ist. Aber da sehe ich mein eßen vorbeytragen, muß also wider willen eine pausse machen. Ich habe nicht so viel geschrieben, alß ich gehofft; den man kompt mich wegen meines geburtstag alle augenblick interompiren.
Pfingsttag, den 28 May, umb 8 uhr abendts.
Gleich[3] nach dem eßen habe ich dießen hir beyliegenden brieff de naturalité vor die fürstin von Ussingen entpfangen, welches ich [130] ihr hiemitt schicke. Ich will es aber nicht in Ewer paquet thun, sondern ihr geraht adressiren; den es ist schwer, würde Eüch zu viel auff der post kosten; also umb Eweren beüttel zu sparen, schicke ich es ihr direct. Aber gebt ihr advis, daß es mitt dießer post abgeschickt werden wirdt! Wir seindt den gantzen nachmittag in der kirch geweßen, hernach bin ich spatziren gefahren. Wie ich eben in die kutsch stieg, bracht man mir Ewer liebes schreiben vom 16, no 39, mitt einer raren medaille. Es ist arabisch, mogte aber woll elter, alß turckisch, [sein.] Ich werde es examiniren laßen undt Eüch berichten, waß es ist, so baldt ich es wißen werde; dancke sehr davor. Ich habe ein rohten jaspis, auff [welchem] solche ca[ra]cteren[4] sein. Die habe ich expliciren [laßen]; seindt lautter lob gottes: Gott ist allmächtig, gott ist gerecht undt dergleichen. Diß mögte auch woll so sein. Ich habe heütte nicht der zeit, aber ein ander mahl will ich Eüch von den Bibel-gebetter reden; ich habe sie vor 8 tagen von Paris gebracht[5]. Es ist mir leydt, daß Ihr mitt flüßen geplagt seydt; aber daß unbeständige wetter verursachet allerhandt kranckheitten. Zu Paris seindt auch gar viel kranckheitten. Aber ich komme wider auff Ewer erstes schreiben; wünsche von hertzen, biß donnerstag zu vernehmen, daß Ihr gantz wieder in volkommener [gesundheit seid] undt Eüch Ewere aderlaß ahm fuß woll möge bekommen sein. Ich sehe woll, warumb man Eüch eher ahm fuß, alß ahm arm, gelaßen. Es muß sein, daß Eüch jungfer Cathrin[6] quittiren will; daß macht viel weibsleütte kranck. Graff Degenfelt ist so jung undt seine gemahlin auch undt der duc de Schomberg ist aber gar alt, alßo werden sie nicht lang auff der erbschafft wartten. Ich glaube woll, daß graff Degenfelt undt seine gemahlin zu gutt natur[e]l[7] sein, ihres vattern todt zu wünschen; aber in seinem alter muß es doch endtlich sein. Daß ist abgeschmackt, liebe Louisse, daß Ihr mir ein compliment macht, alß wen ich mich nicht in alles interessire, waß Eüch undt die Ewerigen ahngeht. Last mir solche complimenten vom halß! oder ich werde braff zörnen undt eine stundt lang knottern, umb es auff gutt pfältzisch zu sagen. Gleicht die gräffin vom[8] Papenheim ihrer fraw [131] mutter? Ich hatte sie recht lieb. Veninger scheindt ein ehrlicher mensch zu sein; hoffe also, daß er sein wordt halten wirdt. Alle menschen sagen, daß seine mutter gar wunderlich undt gar pfaffisch ist. Wen die ehe zwischen geschwister-kindt nicht verbotten were, würde es einen gar zu großen abschlag vor den römischen hoff sein; den da zicht der papst braff gelt von undt bekümert sich wenig umb die h. schriefft. Aber ich muß noch ahn mein dochter schreiben; drumb kan ich dießen brieff nicht vollendts außschreiben, sondern Eüch, hertzliebe Louisse, nur versichern, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb habe undt allezeit behalten werde sowoll in meinem 68, worin ich heütte trette, alß im 67, so ich abgelegt habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Mai 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 128–131
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1022.html
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