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Brief vom 3. August 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1040.


[194]
St Clou den 3 Augusti 1719 (N. 8).
Hertzallerliebe Louise, ich weiß nicht, ob ich heütte noch ein liebes schreiben von Eüch bekommen werde. Bekomme ich eins, werde ich es doch vor die andere post sparen undt heütte nur auff daß vom 18 Julli, no 57, [antworten]. Ich weiß nicht, wie es kompt, daß mein brieff nach fleur d’orange gerochen; den es ist lenger, alß ein mont, daß ich keine in meinem cabinet mehr habe; kan nicht errahten, wo es herkommen muß. Ich wuste nicht, daß die printzes von Wallis den geruch von pomerantzen-blüht nicht leyden kan. Churbayern wirdt ohnmachtig, wen er pomerantzen oder cittronen sicht. Mein enckel, der duc de Chartre, sicht noch bitter übel auß, [ist] doch wieder gesundt. Waß ihn so übel außsehen [macht], ist die betrübtnuß von seiner fraw schwester todt; den er hatt gar ein gutt gemühte undt liebt sehr alle seine verwantten; es ist der beste bub von der welt. Wen daß fieber von sich selber vergeht, ist gar kein gefahr; den man hatt ihm nichts geben, nur zwey clistir haben ihn courirt, wobey gar kein gefahr ist. Aber ich muß nun meine pausse machen. Ich habe schon zwey brieff geschrieben, einen ahn den printz de Galle, oder Wallis, solte ich sagen, andtwortten undt eines ahn die printzessin von Sultzbach.
Donnerstag, den 3 Aug., umb 5 uhr nachmittags.
Ich schlaffe mitt meinem abscheülichen husten, so ich nun habe, so wenig deß nachts, daß ich woll wider willen deß tags schlaffen muß, welches mir auch gleich geschehen, so baldt ich mich hieher gesetzt; habe biß umb 4 geschlaffen. Hernach habe ich 5 brieff [195] geleßen, so man mir gebracht hatt, einen von der königin von Preüssen, einen gar großen von Bajonne, so der königin in Spanien ahngeht, einen von Eüch, liebe Louisse vom 22 Julli, no 58, undt 2 von Strasburg. Daß hatt mich biß jetzt amoussirt[1], da ich gleich ins gebett muß, hernach ein wenig frische lufft nehmen. Aber so baldt ich wieder werde kommen sein, werde ich dießen brieff außschreiben, nun aber noch plaudern, biß man ins gebett leütt. Ich glaube, daß nun kein ort in der welt, wo man nicht in echo andtwortten könte: Die hitze ist abscheülich undt eben so warm nachts, alß tags. Ein solches wetter hab ich mein tag nicht erlebt, so continuirlich. Ich habe woll warme tag gesehen, 3 oder 4 tag war woll vor etlichen jahren heiß; aber so lang ohne regen zu sein, daß alle brunen undt weyer[2] versigen, wie nun, daß habe ich nie erlebt. Ich fürchte, vieh undt leütte werden endtlich verschmachten vor hitz; es matt sehr ab. Es ist recht ungemachlich, so einen großen husten bey der großen hitz zu haben, wie ich nun habe; den so balt man in deß[3] husten fählt[4], wirdt man in vollem schweiß. Die h. schriefft wuste der könig s. gantz undt gar nicht[5], hilte mich vor savant, weillen ich sie ein wenig weiß; daß kame mir recht poßirlich vor. Hette der könig leßen mögen, welches sein abscheü war, aber[6] hette der arme herr die heyllige schriefft leßen können, weren I. M. s. recht in der that gottsfürchtig undt devot geweßen undt hette sich nichts von den pfaffen weiß machen laßen. Von den unterschiedt der religionen wuste der könig kein wordt. Der beichtsvatter sagte ihm: Die nicht catholisch sein, seindt ketzer undt verdampt. Damitt glaubte er es, ohne weytter zu examiniren. Wen ein unglück sein solle, muß sich alles dazu schicken. Gott weiß, warumb alles geschicht; wir wißens nicht. Madame Sacetot[7] war keine Lamode, sondern eine Lamotte geweßen, liebe Louise! Darin fehlt unßere printzes von Wallis auch allezeit in ihrem Frantzösch, daß [sie] d vor t setzt. Die beyden Lamotten, so woll die, so bey ma tante s. geweßen, alß von meiner fraw mutter, habe ich beyde woll gekandt. Sie müßen freylich gar alt geworden sein, den es wahren erwacksene jungfern, wie ich noch ein kindt von 6 jahren wahr, undt ich bin ja nun 67 jahr schon alt. Bodangere undt Lamotte [196] kammen beyde mitt einander zu meiner fraw mutter ins frawenzimmer kammen[8]; ich erinere michs noch gar woll; sie wahren beyde niepcen von oberstalmeister Lamotte. Auß interesse zu sterben, ist recht frantzösch. Daß geschicht offt hir. Von Eweren brieffen will ich nichts mehr sagen, liebe Louise! Ich dancke gott nur, daß Ihr glücklich davon kommen seydt, undt bitte gott von hertzen, daß er Eüch lange jahren gesundt undt vergnügt erhalten mag. Ihr seydt gar zu demütig, zu sagen, daß Ihr meiner sorgen nicht wehrt seydt. Wer nach meinen kindern ist mir neher, alß Ihr, liebe Louisse? Es bleibt mir ja von den meinen niemandts überig, alß Ihr, liebe Louise! Wie solte ich mich den nicht vor Eüch interessiren? undt desto mehr, daß Ihr mir keine schande anthut undt durch Ewer tugendt undt raisonabelles leben Eüch bey frembten beliebt macht, wie solte ich Eüch den nicht lieb haben? In allen orten hört man nichts mehr, alß von unglück; daß macht einem angst vor die, so einem lieb sein undt vor welche man sich interessirt. In kriegssachen geht es biß [jetzt] noch gutt vor die hohen alliirten. Aber es wirdt mir doch allezeit bang. Die schlacht, so Mercy gegen die Spanier in Sicillien gewohnen, ist complet. Ich weiß es von meiner dochter; den Mercy hatt Ligneville, der madame de Craong[9] bruder, nach Wien geschickt, die zeittung ahn keyßer zu bringen, undt Ligneville hatt ahn unßerm hertzog von Lotteringen im durchziehen zu Inspruk geschrieben; also ist die sach gar sicher undt ohne zweyffel. Die arme Rotzenheüsserin ist heütte auff einen stutz kranck worden, [hat] kopffwehe, halßwehe, hertzpochen bekommen, so daß sie sich hatt zu bett legen müßen. Sie macht kein groß secret von ihrem zahnpulver, macht es vor allen leütten hir. Da kompt me[i]n hexsen-husten undt plagt mich, muß schließen. Zu allem glück ist Ewer liebes schreiben völlig beantwortet, bleibt mir also nichts mehr überig, alß Eüch [zu] versichern, daß ich allezeit, so lang ich lebe, nicht auffhoren werde, Euch von hertzen lieb [zu] behalte[n.]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. August 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 194–196
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1040.html
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